Der Rundgang beginnt beim Bahnübergang in Binissalem auf Mallorca. „Die Pflanzen wachsen näher bei uns, als man denkt", sagt Uta Gritschke, die ab Samstag (24.10.) jede Woche die Teilnehmer eines Kurses zum Thema „Essbare Wildkräuter" hierherführen wird.

Natürlich pflückt man die Pflanzen zwischen den Gleisen heute nicht. Auch bei den Kräuterwanderungen werden Teilnehmer nur Pflanzenteile abzupfen, um sie zu verkosten, denn: „Wir können nicht als Gruppe über ein Feld herfallen und alles, was schmeckt, mit nach Hause nehmen", sagt Gritschke.

So sollen ihre Kurse vor allem Ideen für spätere Spaziergänge geben. Die Kursteilnehmer lernen, beim Sammeln verantwortungsbewusst und so nachhaltig vorzugehen, dass sie das Wachstum der Pflanzen nicht gefährden. Gritschke rät den Teilnehmern zudem, nur dann Pflanzen zu pflücken und zu verspeisen, wenn man sie hundertprozentig sicher bestimmen kann.

Blätter von der Wiese

Direkt hinter dem Bahndamm wachsen auf einer Mandelplantage viele essbaren Pflanzensorten, die Gritschke detailliert vorstellt. So beispielsweise der Fuchsschwanz (Amaranthus retroflexus bot., bledo span., blet kat.), der auf der Insel so häufig vorkommt, dass er bedenkenlos gepflückt werden kann. Man erkennt ihn an seinen Rispen ähnlichen Blütenknäueln. Seine Blätter sind roh etwas fest, blanchiert oder als Suppeneinlage jedoch sehr schmackhaft. „Man muss den Gaumen erst an neue Geschmacksnuancen gewöhnen", fügt Gritschke hinzu.

Viele Arten schmeckten bitter oder leicht bitter, wirkten sich jedoch positiv auf Magen und Verdauung aus.

Direkt am Stamm eines Mandelbaums wächst das Aufrechte Glaskraut (Parietaria officinalis bot., hierba de muro span., herba roquera kat.). Seine kleinen Blätter schmecken angenehm nussig und können roh oder blanchiert verzehrt werden. Dieses Kraut kommt auf der Insel so häufig vor, dass es für Mallorquiner als Unkraut gilt und wenig geschätzt wird.

Auffallend groß und glänzend sind dagegen die Blätter des Wilden Mangolds (Beta vulgaris L. subsp. maritima bot., acelga marítima span., bleda borda kat.). Wie ihre gezüchteten Verwandten, schmeckt auch der Wilde Mangold als Gemüse oder blanchiert in Suppen. Vorsicht ist jedoch beim Sammeln angesagt: Der Mangold könnte unter Umständen mit den jungen Blättern des giftigen Krummstabs (Arisarum vulgare bot., dragontea menor span., frare bec, kat.) verwechselt werden. Diese Gefahr besteht nicht mehr, wenn sich die auffälligen Blüten des Krummstabs gebildet haben.

Die Blätter des Kleinen Wiesenkopfs ­(Sanguisorba minor bot., hierba de cuchillo span., pimpinella petita kat.) sind winzig. Das erfrischend nach Gurken schmeckende Kraut wird auch Pimpinelle genannt und zählt zu den ­sieben Klassikern in Frankfurter grüne Sauce.

Gelbe Wiesenblüten

Die Gänsedistel (Sonchus oleraceus bot., cerraja span., lletsó kat.) ist ein ganzjährig blühender Korbblütler. Sowohl Blüten als auch Blätter ­geben Salaten eine interessante Geschmacks­note, die an den grünen Kopfsalat erinnert, aber etwas bitterer schmeckt.

Die Acker-Ringelblume (Calendula arvensis bot., maravilla silvestre span., llevamans kat.) hat auf der Wiese eine riesige Kolonie gebildet. Die Wilde Calendula ist nicht nur eine wichtige Heilpflanze, sie bringt auch Vitamine, ­Aroma und Farbe in die Salate. Sie zählt zur Familie der Korbblütler, wie auch das Gewöhnliche Greiskraut (Senecio vulgaris bot., hierba cana span., lletsó de foc kat.). Doch Vorsicht: Letzteres ist giftig. Seine Röhrenblüten öffnen sich nicht, stattdessen sitzt obenauf weicher Flaum, daher auch der Name Greiskraut.

Nachdem Gritschke die wichtigsten Kräuter auf der Wiese vorgestellt hat, biegt sie auf einen asphaltierten Weg ein. Am Horizont sind jetzt die Gipfel der zentralen Serra de Tramuntana zu sehen. Die Pflanzenexpertin setzt ihren Hut zum Schutz vor Sonne auf und erklärt weitere Pflanzen, deren Habitate sich an den Mauern oder am Wegesrand befinden.

Die Mauerblümchen

Hier überrascht, dass der Mauerpfeffer ­(Sedum sediforme bot., uña de gato span., ­crespinell kat.), der allerorts auf den Natursteinmauern Mallorcas vorkommt, auch zu den ess­baren Pflanzen zählt. Seine dachziegelartig übereinanderliegenden sukkulenten Blätter schmecken erfrischend nach Zitrone und sind ein Gewinn für bunte Salatmischungen.

Auch die Stechwinde (Smilax aspera bot., zarzaparrilla span., aritja balearica kat.) wuchert an vielen Natursteinmauern. Man erkennt sie an ihren Blättern, die wie Herzen aussehen. Nur die jungen, zarten Triebe sind essbar, sie schmecken erfrischend säuerlich und sollten am besten roh gegessen werden, empfiehlt Gritschke. Man bricht sie wie Wildspargel ab.

Der Venusnabel (Umbilicus rupestris bot., ombligo de venus span., capellets de teulada kat.) hat in einer Felsspalte nur ein einziges Blatt gebildet. Gepflückt und verkostet darf er erst werden, wenn sich den Winter über viele fleischige Blätter gebildet haben. Sie bringen zerkleinert frische Säure in die Gerichte.

Die Blätter der Mittelmeer-Brombeere (Rubus ulmifolius bot., zarza span., abatzer kat.) können frisch als Tee aufgegossen werden. Die Pflanzenexpertin hat auch Erfahrung im Fermentieren: Sie lässt die Blätter welken, besprüht sie mit Wasser, rollt sie in Stoff ein und lagert das Ganze im Dunkeln. Danach verströmen die Blätter einen süßen Rosenduft.

Am Ende jedes Rundgangs werden die Kursteilnehmer auf einer Wiese in der Nähe ihre mitgebrachte merienda verzehren. Zu Hause finden sie dann in ihrem E-Mail-Postfach eine Liste aller jener Pflanzen, die Uta Gritschke ihnen bei dem Rundgang vorgestellt hat. Mit Fotos sowie allen botanischen, deutschen, katalanischen und englischen Namen als Hilfe zum Wiedererkennen.