Nach der RTL-Serie „König von Palma“ bietet der „Bierkönig-Mord“ nun auch Stoff für einen Podcast. In „The Real Bierkönig – Mord auf Mallorca“ zeichnen zwei bekannte deutsche Journalisten den Aufstieg und Fall des vor 25 Jahren ermordeten Lokal-Betreibers Manfred Meisel nach. Phil Jahner war 2014 Gründungsmitglied von BuzzFeed Deutschland, wo er zuletzt unter anderem den Entertainment-Bereich leitete. Marcus Engert arbeitete unter anderem im Investigativ-Team der Ippen-Gruppe und war mit weiteren Kollegen maßgeblich an der Recherche in der Affäre um Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt beteiligt. Für die Entscheidung, die Ergebnisse im „Spiegel“ auch gegen das Veto des eigenen Verlegers, Dirk Ippen, zu veröffentlichen, wurden seine Kollegen und er vom „Medium Magazin“ als „Journalistinnen und Journalisten des Jahres 2021“ ausgezeichnet. Manfred Meisel wurde in der Nacht zum 12. November 1997 zusammen mit seinem Sohn und einer Angestellten auf seiner Finca ermordet. Der Dreifachmord ist bis heute nicht aufgeklärt. In Spanien – nicht so in Deutschland – ist die Tat seit 2017 verjährt. Die ersten beiden Episoden des Spotify-Originals sind seit Donnerstag (7. April) verfügbar. Die übrigen vier erscheinen dann jeweils donnerstags.

STEFAN BEETZ Marcus Engert

Privat Phil Jahner

Wie kamen Sie darauf, aus dem „Bierkönig-Mord“ einen True-Crime-Podcast zu machen?

Phil Jahner: Als die Pandemie angefangen hat, waren wir beide in Kurzarbeit und haben uns gefragt, wie es für uns weitergeht. Wir wollten schon immer etwas zusammen machen. Ich bin dann irgendwann abends im Internet über einen Tweet über den Mord gestolpert. „Das klingt ja interessant“, dachte ich mir und bin dann erst einmal in das klassische Wikipedia-Internetloch gefallen. Direkt am nächsten Morgen habe ich Marcus geschrieben.

Marcus Engert: Mein erster Reflex war: „Was will der von mir?“ Die Stichworte waren so wild: Mallorca, Papageien (Meisel hatte eine wertvolle Sammlung aus rund 2.000 Papageien, Anm. d. Red.), Mafia, Bierkönig. In meinem Kopf hat das alles überhaupt keinen Sinn ergeben. Dann aber habe auch ich angefangen, mehr darüber zu lesen, und schnell gemerkt: Hinter dem Vorfall steckt mehr als nur eine True-Crime-Story. Es gibt auch viele kulturelle Ebenen, vor denen man die Geschichte erzählen kann: Warum haben sich die Deutschen überhaupt in Mallorca und nicht in Fuerteventura verliebt? Wie war die Geschichte des Ballermanns? Und dann waren da noch die deutschen Geschäftsmänner und die generell irre Zeit der 90er-Jahre.

Wie lief Ihre Recherche dann ab?

Marcus Engert: Wir haben in dem Zeitschriftenarchiv der Leipziger Medienwissenschaften angefangen. Dort werden seit den 90er-Jahren deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften gesammelt, die im Ausland erscheinen. Durch die Mallorca-Publikationen habe ich mich Jahrgang für Jahrgang durchgegrast. Bei jedem Text, den ich zu dem Thema fand, dachte ich mir, dass es doch eigentlich gar nicht sein kann, dass die Geschichte immer weiter aus dem Scheinwerferlicht verschwunden ist. Wir haben uns die Namen jener Protagonisten herausgeschrieben, die etwas wissen könnten. Dann machten wir uns zunächst in Deutschland auf die Reise zu Meisels Vergangenheit. Wir waren etwa in Frankfurt in der Zoohandlung seines Vaters. Später haben wir dann auch auf der Insel Menschen getroffen, die damals eine Rolle spielten.

Phil Jahner: Diese Figuren zu finden und anzusprechen, war nicht so einfach, weil die ganze Sache 25 Jahre, die Vorgeschichte sogar noch länger, her ist. Da Leute zu bekommen, die sich überhaupt noch erinnern und noch dazu darüber reden wollen, und alles in der Pandemie aufzunehmen, war eine Herausforderung.

Das Logo des Podcasts. Spotify

Kommen diese Leute im Podcast zu Wort?

Phil Jahner: Genau. Wir führen mit unseren Moderationen von einer Person zur anderen.

Marcus Engert: Wir nehmen den Zuhörer mit auf unsere Recherche. Es ist kein Hörbuch und auch keine Fiktion oder reines Entertainment, sondern eine journalistische Produktion, die trotzdem auch unterhalten soll.

Was erfahren wir Neues über den Mord?

Phil Jahner: Man bekommt auf jeden Fall sehr viel Informationen aus dem nahen Umfeld von Manfred Meisel, da wir nicht nur an der Oberfläche gekratzt haben. Wir haben mit Konkurrenten von ihm gesprochen, aber auch mit Menschen, die mit ihm im Lokal gearbeitet haben und abends mit ihm feiern gegangen sind. Sie alle vermitteln Einblicke, wie Meisel als Mensch, aber auch als Geschäftsmann war und etwa auch, wie es zu dem ein oder anderen merkwürdigen Batzen Bargeld in seinem Haus gekommen ist.

Marcus Engert: Wir haben zwei, drei Sachen herausgefunden, die bei der Beschreibung des Mordfalls zwingend ergänzt werden müssen. Nach unserer Wahrnehmung brennen sich da manche Sätze immer sofort ein, etwa: „Das kann kein Raub gewesen sein. Da war doch so viel Geld im Haus.“ Wir sind uns da nicht so sicher. Auch liest man immer wieder, dass Meisel herrisch oder cholerisch mit seinen Mitarbeitern umgegangen ist. Nach dem Bild, was die Leute uns gezeichnet haben, die ihn wirklich gut kannten, scheint es mindestens auch einen anderen Manfred Meisel gegeben zu haben.

Das könnte Sie interessieren:

Schildern Sie auch, wie es Meisel geschafft hat, aus dem schlecht laufenden Lokal eine Erfolgskneipe zu machen?

Marcus Engert: Ja, denn uns war wichtig, dass man die Szene und die Zeit damals versteht.

Phil Jahner: Etwa wie „Ballermann-Mallorca“ überhaupt entstanden ist. Wir konnten es nicht richtig bestätigen, haben aber gesagt bekommen, dass es angeblich Meisel war, der die langen Strohhalme auf die Insel gebracht hat. Das ist für mich ein Beispiel, das sehr gut beschreibt, wie er das Bild der Insel geprägt hat.

Gibt es Parallelen zur TV-Serie?

Marcus Engert: Wir haben sehr spät vom „König von Palma“ erfahren und beschlossen, die Serie erst einmal nicht zu schauen – auch weil wir auf den letzten Metern der Produktion sind.

Phil Jahner: Ich weiß, dass die Serie sehr fiktional ist, der Bierkönig daher etwa auch Bieradler genannt wird. Zuerst haben wir uns geärgert, dass wir doch nicht die Ersten sind, die etwas über den Mord machen. Mittlerweile sehen wir aber, dass diese beiden Produktionen sich vermutlich gut ergänzen. Wer die Serie mag, findet bei uns die Hintergründe in echt. Umgekehrt können Hörer, die die Geschichte bei uns entdeckt haben, mit der Serie eine komplett fiktionale Geschichte bekommen.

Haben Sie auch herausgefunden, was nach dem Mord mit den ganzen Papageien von Meisel passiert ist?

Phil Jahner: Ein Großteil ist wohl nach Deutschland gekommen und von da aus sehr wahrscheinlich an andere Orte der Welt, etwa zu einer bekannten Farm auf den Philippinen.

Marcus Engert: Wir haben auch gehört, dass einige wertvollere Vögel in den arabischen Raum verkauft wurden, an reiche Scheiche.

Wer waren denn nun die Mörder? War es ein Konkurrent im Playa-Geschäft, waren es die Papageienzüchter oder einer der beiden von der Polizei verdächtigten Deutschen?

Phil Jahner: Ich kann mich nicht festlegen, glaube aber, dass die Leute, die auf der Finca einbrachen, nicht von Anfang an den Plan hatten, jemanden umzubringen. Meinem Eindruck nach ist auf der Finca etwas total schiefgegangen. Jemand ist womöglich gekommen, um Meisel zu bedrohen, das ist dann dramatisch geendet.

Marcus Engert: Nach unseren Recherchen erscheint es wahrscheinlicher, dass der Mord feinen geschäftlichen Hintergrund hat und keine privaten Motive wie Eifersucht im Spiel waren. Für die Lieblingstheorie vieler, die sagen, es war die „Vogelmafia“, spricht hingegen zumindest nach unseren Recherchen nicht mehr so viel.

Glauben Sie daran, dass der Fall zumindest in Deutschland noch aufgeklärt wird?

Marcus Engert: Ich denke, die Chance, dass Behörden das aufklären, gehen inzwischen gegen null. Die deutschen Behörden waren immer schon darauf angewiesen, dass die spanischen mithelfen, denn auf spanischem Grund und Boden haben sie keine eigene Ermittlungskompetenz. Mit dem Eintritt der Verjährung in Spanien ist das Thema vermutlich eher durch. Ich lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.

Phil Jahner: Wie hat eine unserer Protagonistinnen gesagt … Vielleicht wenn der Mörder im Sterben liegt und alle Sünden seines Lebens loslassen will. Vielleicht gesteht er dann.