Die Abschaffung der Erbschaftsteuer auf Mallorca: Eher Steuerfalle als Steuergeschenk

Deutsche Anwälte und Steuerberater äußern sich zur ersten gewichtigen steuerpolitischen Weichenstellung der neuen Balearen-Regierung

Die Abschaffung der Erbschaftsteuer auf den Balearen wird von den Experten zwar begrüßt, die Umsetzung aber kritisch gesehen.

Die Abschaffung der Erbschaftsteuer auf den Balearen wird von den Experten zwar begrüßt, die Umsetzung aber kritisch gesehen. / Christin Klose/dpa

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Die Abschaffung der Erbschaftsteuer zwischen engen Verwandten auf den Balearen war sicher die bisher meistbeachtete steuerpolitische Entscheidung der neuen konservativen Landesregierung. Wir haben fünf deutsche Anwälte und Steuerberater auf der Insel gebeten, diese aus ihrer Sicht zu kommentieren:

Sonja Willner

Wie so oft besteht bei den Regelungen Nachbesserungsbedarf. So wurde diese Steuererleichterung dergestalt formuliert, dass sie eigentlich nur auf Residenten der Balearen Anwendung findet – ein Umstand, der für einen berechtigten Aufschrei der Steuerberater geführt hat, da es sich um einen klaren Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot der europäischen Union handelt. Die Regierung hat bereits angekündigt, die Regelung zu überarbeiten und in der Praxis wird der Antrag auf Steuererlass bereits generell auch auf Nicht-Residenten angewandt. Es ist aber jedem Erben eindringlich zu raten, sich konkret beraten zu lassen. Wenn in der Erbmasse eine Immobilie auf den Balearen vorhanden ist, kann es wirtschaftlich sinnvoll sein, auf dieses Steuergeschenk zu verzichten. Es könnte nämlich zur Folge haben, dass möglicherweise hohe Gewinnsteuern auf den Erben zukommen, wenn er plant, die Immobilie nach der Erbschaftsannahme zu veräußern.

Die Erbschaftsteuer ist Geschichte

Am 18. Juli erklärte die neue balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens die Abschaffung der Erbschaftsteuer zwischen Eltern und Kindern, Großeltern und Enkeln sowie zwischen Eheleuten. In der Verwandtschaftsgruppe III, also etwa zwischen Geschwistern, wurde die Steuerlast um 50 Prozent gesenkt, wenn es keine anderen Nachkommen gibt, in anderen Fällen um 25 Prozent. Die Regelung trifft auch auf den balearischen Nachfolgepakt zu, der steuerlich als Erbschaft zu Lebzeiten gewertet wird. Damit der Steuererlass im Fall von Immobilien greift, muss der Erbe den Wert des Objekts entsprechend des Katasterreferenzwertes in der Erbschaftsannahme festlegen. Dieser kann über die Seite des Katasters sedecatastro.gob.es eingesehen werden. Der Wert kann erheblich vom Marktwert abweichen. Ein Beispiel: Es wird eine Wohnung vererbt, die rund 500.000 Euro Marktwert hat. Der Katasterwert beläuft sich aber nur auf 220.000 Euro. Der Erbe kann wählen, ob er bei Verkauf den Markt- oder den Katasterwert zugrunde legt. Nimmt er den Katasterwert, würde er zwar die Erbschaftsteuer erlassen bekommen, auf die 280.000 Euro Gewinn allerdings 19 Prozent Gewinnsteuer zahlen. Das entsprächen 53.200 Euro. Würde er die Immobilie unter Marktwertbedingungen entgegennehmen und auf das Steuergeschenk verzichten, würde er lediglich ein Prozent Erbschaftsteuer zahlen, also 5.000 Euro. 

Ein weiteres Steuergeschenk gibt es für den Erwerb des ersten Hauptwohnsitzes durch junge Menschen unter 30 Jahren und Menschen mit Behinderungen. Hier entfällt die Grunderwerbsteuer. Diese Regelung findet aber tatsächlich nur Anwendung auf Residenten der Balearen und gilt vorbehaltlich der Einhaltung bestimmter (sehr) enger Voraussetzungen bei entgeltlichen Übertragungen von Immobilien.

Für Residenten interessant sind Steuerermäßigungen bei Vermietungen und Erhöhungen von Beträgen von absetzbaren Kosten und Spenden, wobei auch hier wieder viele Einschränkungen hinsichtlich der Höhe des Einkommens greifen. Hier sollte bei der Einkommensteuer immer geklärt werden, ob eine gemeinsame Erklärung mit dem Ehepartner oder eine Einzelerklärung sinnvoller ist.

Armin Reichmann

Die Abschaffung der Erbschaftsteuer zwischen engen Verwandten ist wirklich mal ein deutliches Zeichen zugunsten der Bürger, denn wann sind denn zum letzten Mal Steuern abgeschafft worden? Zudem beweist die neue Balearen-Regierung, dass sie es mit den Wahlversprechen ernst meint. Damit die Steuerfreiheit nicht ausgenutzt werden kann, muss der reale Wert angegeben werden (mangels Steuerpflicht könnte man ja auf die Idee kommen, einen völlig überhöhten Wert einzusetzen, damit bei einem späteren Verkauf kein Gewinn entsteht), Basis ist der Immobilienmarkt-Referenzwert.

Die Regierung musste 593 Fragen der Opposition beantworten, konnte aber letztlich nachweisen, dass über 90 Prozent aller Erbschaften auf den Balearen unter 700.000 Euro liegen und damit auch vorher praktisch nicht besteuert waren. Anders verhält es sich mit der in Aussicht gestellten Reduzierung und Abschaffung der Vermögensteuer innerhalb der laufenden Legislaturperiode. Das geht nur, wenn der Zentralstaat die seit Dezember 2022 existierende Klammer der sogenannten Reichensteuer Impuesto a las grandes fortunas auflösen würde, unter einer von der sozialistischen PSOE geführten Zentralregierung erscheint das ausgeschlossen. An diesem Punkt wird die neue Regierung leider vorhersehbar scheitern. Hier hätte man ehrlicher sein müssen.

Manuel Stiff

Ich finde es etwas enttäuschend, dass die neue Balearen-Regierung großmäulig viele Steuersenkungen angekündigt hat. Wenn man sich das aber genauer ansieht, kommt dabei nicht sehr viel bei den Nicht-Residenten an. Viele Dinge werden nicht für Nicht-Residenten angewandt, was europarechtlich allerdings geboten wäre. Es steht zwar nicht wörtlich drin, dass es nur für Residenten gilt, aber letztlich ist das der Effekt. Und das ist europarechtlich nicht zu halten. Ein Anwaltskollege wollte ja auch direkt Klage in Brüssel einreichen.

Die Abschaffung der Erbschaftsteuer hat bei genauer Betrachtung einen sehr großen Nachteil. Sie gilt nämlich nur unter der Voraussetzung, dass die Erben die Erbschaftsannahme zum Referenzwert machen. Wenn die Erben aber danach die Immobilie verkaufen wollen, müssen sie sehr viel mehr Spekulationssteuer (Impuesto Sobre las Ganancias de Capital) zahlen. Es wird also eher eine Steuerfalle gestellt, als eine echte Steuerbegünstigung gewährt.

Sabine Hellwege

Unmittelbar nachdem die neue Landesregierung gewählt worden ist, traten eine ganze Reihe von Neuregelungen im Bereich des Steuerrechts in Kraft. Diese wurden zwar grundsätzlich begrüßt, sind jedoch unmittelbar nach Inkrafttreten auf Kritik gestoßen. Das beste Beispiel dafür ist die Einführung der Vergünstigungen in das balearische Erbschaftsteuerrecht.

Laut derzeitiger Regelung können die Vergünstigungen nur herangezogen werden, wenn der Erwerber in Spanien ansässig ist und sich die Erbfolge aus einem Erbvertrag nach dem balearischen Zivilrecht ergibt. Es besteht Einigkeit, dass dies gegen das Diskriminierungsverbot verstößt und abzuändern ist. In der Praxis werden diese Vergünstigungen auch für nicht-residente Erwerber herangezogen. Ähnlich verhält es sich, wenn die Erbfolge beispielsweise auf einem deutschen Erbvertrag beruht.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Vergünstigung nur in Anspruch genommen werden, wenn bei dem Immobilienerwerb von Todes wegen der Katasterreferenzwert angegeben wird. Danach stellt der Katasterreferenzwert einen Maximalwert dar. Der Katasterreferenzwert soll nach dessen Einführung jedoch als Mindestwert fungieren. Er ist bei Immobilienübertragungen heranzuziehen, es sei denn, der Marktwert ist höher.

Jürgen Bächle

Junge, noch im Arbeitsleben stehende Familien finden auf Mallorca kaum bezahlbaren Wohnraum und stehen damit dem Arbeitsmarkt nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung. Im Erbfall sind bei mehreren Kindern die untereinander zu zahlenden Ausgleichsbeträge so hoch, dass sich viele dies nicht leisten können und die Immobilie dann verkauft werden muss. Damit geht der Insel wertvolles Humankapital verloren. Es ist daher zu begrüßen, dass die illegale Ferienvermietung jetzt auch mit steuerlichen Mitteln (Meldepflicht der Portale, DAC7-Richtlinie) bekämpft wird und man zumindest den Versuch unternimmt, die Miet- und Kaufpreise für bestimmte Immobilien zu deckeln. Das erfolgt mittels Lenkungsgesetzen, wozu auch die Steuergesetze zählen.

Die Kanaren haben es vorgemacht, wie man durch Abschaffung oder Senkung der Grunderwerbsteuer beim Kauf der ersten Immobilie Attraktivität für junge Familien wieder herstellt. Das kostet die Regierung gar nichts, weil diese Menschen noch im Arbeitsleben stehen und sie über die dauerhafte laufende Besteuerung ihrer Einkünfte mehr in die Kasse einzahlen, als man durch den einmaligen Verzicht bei der Grunderwerbsteuer verliert. Aus Sicht des Staates und somit der Gesellschaft ist das eine sehr gute und vor allem nachhaltige Investition.

Es wird der Insel auch guttun, wenn die Wohnungen und Häuser ganzjährig belebt sind und nicht überwiegend als Feriendomizil oder Spekulationsobjekt gehalten werden. Die Abschaffung der Erbschaftsteuer ist ebenfalls ein positives Signal, wobei an der Stelle eine sachliche Befreiung für selbst genutzten Wohnraum kombiniert mit einer Freibetragsregelung aus meiner Sicht sinnvoller wäre. Ich sehe die neue gesetzliche Regelung als kaum haltbar an. Ein Steuergesetz, das jemanden an der freien Wahl seines Wohnortes behindert, dürfte gegen das EU-Grundrecht der Personenfreizügigkeit verstoßen.

Selbst wenn die Balearen jemanden als dort ansässig ansehen, ist keine andere spanische Provinz an diese Beurteilung gebunden, andere Staaten schon gar nicht. Es gibt schon innerhalb Spaniens keine belastbare Regelung zur Aufteilung des Besteuerungsrechts bei Erbschaft, und zudem hat Spanien international nur ganz wenige Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer abgeschlossen. Deshalb werden viele Schenkungen und Erbschaften auf Mallorca trotz des neuen Gesetzes besteuert, nur eben nicht auf den Balearen.

Die Schenkung eines Hauses auf Mallorca von den dort lebenden und damit als resident eingestuften Eltern an die Tochter, die ebenfalls auf Mallorca lebt, in Deutschland aber einen Zweitwohnsitz hat, wird dann eben in Deutschland besteuert. Ich erwarte noch deutliche Änderungen an diesem Gesetz oder gar dessen Abschaffung.

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