Psyche und Science-Fiction: die Finalisten von Palmas Kunstpreis

Das Casal Solleric vereint in einer Ausstellung die Werke der Endauswahl bei den Premis Ciutat de Palma. Auf dem Parcours gibt es viel zu entdecken: von fragilen Installationen bis hin zu verstörend-genialen Videos

Die harmlos aussehende Kugel wird im Video von Mar Guerrero zu einem rätselhaften Objekt wie aus einem Science-Fiction-Film.

Die harmlos aussehende Kugel wird im Video von Mar Guerrero zu einem rätselhaften Objekt wie aus einem Science-Fiction-Film. / Foto: Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Eine Weisheit, die für alle Wettbewerbe gilt: Nicht nur der Sieger verdient Aufmerksamkeit, sondern auch die Mitstreiter. Im Fall der renommierten Kulturpreise „Premis Ciutat de Palma" haben dieses Mal in der Kategorie Bildende Kunst so viele Bewerber wie noch nie um die Lorbeeren und den mit 12.000 Euro dotierten Preis gekämpft: 514 Künstler reichten insgesamt 1.145 Werke ein.

Nun sind die Arbeiten der zehn Finalisten bis zum 28. März im Casal Solleric auf Mallorca in einer sehenswerten und klug komponierten Ausstellung vereint. Unverzichtbar dabei: eigene Kopfhörer, um den Ton der diversen Videoarbeiten hören zu können.

Geist und Gedächtnis

Für den ersten Raum im Erdgeschoss, wo der Rundgang beginnt, wäre wohl „Flüchtigkeit" ein passender Titel. Die poetische Installation „Tiempo curvado y caíste" von Pedro Torres besteht aus Leuchtröhren und gelber Seide, auf die ein Text projiziert wird. Der zarte Stoff ­bewegt sich leicht und erinnert an Gravitationswellen: Raum, Zeit, Materielles, Blicke und Gedanken verschwimmen. Auch bei der benachbarten Arbeit „Sumatra (todo es imposible)" von Fermín Jiménez Landa bekommt der Geist keine Erholungspause: Atemlos zeigt ein Video in Endlosschleife Momente, in denen Palmen auf einer Plantage gefällt werden, im Sekundentakt und zu teils dissonanten Tönen.

Beim Durchgang in den zweiten Teil des Raumes betritt man eine Sphäre der Erinnerung: Marina Planas' „El inventor del paraíso" zeigt den Videomitschnitt einer szenischen Performance im Archiv der Casa Planas, bei der am Ende das Publikum animiert wurde, Fotos und Dias zu zerschneiden. Die so entstandenen Schnipsel der Bilder von Hochzeits- und Familienfeiern hängen daneben als Collage auf Plexiglas. Vergangenheitsbewältigung anderer Art schafft Ro Caminal mit dem Videoprojekt „Dystopian Concrete": Hier geht es um einen interdisziplinären Blick auf die Ära des Staatsmanns Gamal Abdel Nasser (1954-70) in Ägypten - atmosphärische Bilder begleiten persönliche Familienerinnerungen.

Außerirdische Phänomene

Mysteriös wird es bei den Werken im ersten Raum des Zwischengeschosses, wo die Ausstellung fortgesetzt wird. „Elementos desconocidos" von Mar Guerrero besteht neben einer grafischen Arbeit aus einem Video, das durch den Einsatz von Schnitt und Sound seine ganze Genialität entfaltet: Fünf Kugeln ploppen plötzlich in den verschiedensten Szenerien auf. Je länger man zusieht, desto verstörender wird es: Wie außerirdische Objekte liegen sie im Schnee oder rollen durch die Flure eines Hotels in Kanada, in dem es angeblich spukt. Die Hintergrundgeräusche steigern eine sich nie auflösende Spannung, die an Horror- und Science-Fiction-Filme erinnert. Wovor ­haben wir Angst? Vor dem Unbekannten, das wir nicht einzuordnen wissen, so die Antwort ­dieser künstlerischen Arbeit. Und tatsächlich beäugt man im Anschluss die aus dem Video bekannte, nun harmlos in der Ecke liegende Kugel mit gewissem Unbehagen...

Paranormal weiter geht es mit „La teoría definitiva" von Albert Gironès: Ausgangspunkt ist die Abbildung eines Berges im Computerspiel „Grand Theft Auto V", dessen Gipfel mit einem Ufo, einem Ei und einer Person mit Raketenrucksack verbunden ist. Die rätselhafte Darstellung sorgte bei den Fans für wilde Spekulationen. Der Künstler verknüpft dies mit dem Puig Major auf Mallorca und den zahl­reichen Ufo-Sichtungen aus den 70er-Jahren zu einer faszinierend-konfusen Installation.

Leichte Gänsehaut verursacht auch die ­Arbeit „The Kitchen" von Ángela Bonadies, aus der Serie „David Alfaro Siqueiros" nach dem gleichnamigen mexikanischen Künstler. ­Dieser schuf Wandgemälde, die kurz nach ­ihrer Vollendung wieder verschwanden. Eines seiner „Gespenster" nimmt im Video von ­Bonadies Gestalt an: ein weißes Nichts, eine ausradierte, aber noch erkennbare Figur einer Frau, die in der Küche arbeitet. Die Künstlerin stellt Fragen nach Präsenz, Abwesenheit, Unsichtbarkeit und der Anerkennung von Arbeit.

Psyche, Sprache und Träume

Futuristisch-elektronische Musik aus dem Nebenraum lässt vermuten, dass es im letzten Teil der Ausstellung wieder mit Sci-Fi weitergeht, doch das täuscht: Der an die Wand projizierte, 63-minütige Film „Estado de malestar" von María Ruido mischt entsprechend untermalte Schwarz-Weiß-Szenen mit Interviews und Aufnahmen von Demos, eine Kritik an der sozialen Symptomatik und dem psychischen ­Leiden, die der Kapitalismus hervorbringt.

Fast unscheinbar wirkt daneben das sozial­geschichtlich aufgeladene Werk „Sueños" des Gewinners Gonzalo Elvira. Der Künstler ließ sich dazu von der deutschen Fotografin und Bauhaus-Studentin Grete Stern inspirieren. Für die Rubrik „El psicoanálisis te ayudará" („Die Psychoanalyse wird dir helfen") in der ­argentinischen Frauenzeitschrift „Idilio" illustrierte Stern von 1948 bis 51 die Träume der ­Leserinnen und die Antworten des Soziologen Gino Germani mit surrealen Fotomontagen - und kritisierte zugleich die Unterdrückung der Frau. Elvira reinterpretiert diese Motive, zeichnet sie mit Tusche auf Landkarten und verortet sie in einem aktuellen Kontext.

Die Ehre, die Ausstellung der Finalisten abzuschließen, gebührt Almudena Lobera, bei der Tradition und Gegenwart, das Analoge und das Digitale aufeinandertreffen. „Technical Images. Chapter III: Translating" spürt mit ­einer Video-Skulptur und mit Malerei auf neuartige Weise der Verzahnung von mensch­licher und computergemachter Sprache nach.

Das Wetter bringt Mallorca ein wenig Abkühlung

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