Man kennt Antoni Gaudí (1852-1926) vor allem als Genie des Modernisme, der katalanischen Spielart des Jugendstils. Doch nun gibt es eine neue Seite des Architekten entdecken: Zu Beginn des letzten Jahrhunderts hinterließ er seine Spuren in der Kathedrale von Mallorca, aber auch in anderen kleineren Bauwerken, die über die ganze Insel verstreut sind. Als Stammgast des Klosters Sant Jeroni in Palma entwarf er in dieser Zeit einige bisher unbekannte kleine Wandteppiche für die Hieronymitennonnen.

Der Restaurator Pere Terrasa stieß im Kloster selbst auf zwei dieser Teppiche, auf einen weiteren in den Händen einer Privatperson. Diese Funde werden ab Freitag (25.11.) in Can Balaguer in der Ausstellung "Gaudí i les 40 hores" (Gaudí und die 40 Stunden) gezeigt, die bis zum 28. Februar zu sehen sein wird und insgesamt 15 Stücke aus dem Kloster präsentiert.

Ein Wunder aus der Schublade

"Auch in den Schubladen gibt es Wunder", sagte Pere Terrasa am Montag über seine Arbeit. Der Restaurator fand zwei der kleinen Wandteppiche zwischen Messgewändern und anderen religiösen Textilien in einer großen Truhe im Kloster von Sant Jeroni, als er im Februar 2016 ein Inventar der Vermögenswerte des Ordens der Hieronymitinnen erstellte.

Er identifizierte sie damals noch nicht als Werke von Gaudí, aber sie erregten seine Aufmerksamkeit und er beschloss, sie an das Kloster Sant Bartomeu in Inca zu schicken, wo die Güter der Nonnen aufbewahrt wurden, und fügte sie schließlich zur Sammlung hinzu. Erst bei der Lektüre von "Antonio Gaudí. Mi itinerario con el arquitecto", einem Buch des Bildhauers Joan Matamala, der ein enger Mitarbeiter des katalanischen Architekten war, stellte Terrasa eine Verbindung her.

Der Restaurator vermutete nun, dass es sich bei diesen Stücken um Werke des bekannten Architekten handeln könnte - eine Intuition, die ihn dazu brachte, noch um Mitternacht nach Inca zu fahren, um die Wandteppiche erneut zu betrachten. "Ich konnte nicht bis zum Morgen warten, denn es schien etwas Großes zu sein, das mir durch die Hände gegangen war, ohne dass ich es merkte", sagte der Kurator, der seinen Verdacht später mithilfe der Expertin Maria Garganté, ebenfalls Kuratorin der Ausstellung in Can Balaguer, bestätigte.  

Von der Grabesruhe Jesu inspiriert

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Die Wandteppiche sind in leuchtenden Farben gehalten, aus verschiedenen Stoffen wie Kord und Samt gefertigt, mit Stickereien versehen und auf Leinwand aufgezogen. Auf dem einen steht INRI und auf dem anderen stehen laut Terrasa Buchstaben, die einem Anagramm von Christus entsprechen könnten. Beide sind von den vierzig Stunden der Grabesruhe Jesu inspiriert. Die Teppiche sind identisch mit denen, die in Matamalas Buch beschrieben sind, und die Gaudí laut dem Bericht des Bildhauers 1912 auf Wunsch der Nonnen von Sant Jeroni schuf.

Das Buch von Matamala beschrieb noch einen weiteren Wandteppich, der sich in einer Privatsammlung des Priesters Guillem Puigserver Munar befand. Er gehörte zum Gefolge des Bischofs, wohnte wie Gaudí im Palau Episcopal und war der geistliche Leiter der Nonnen. "Nach mehr als hundert Jahren werden diese drei Teile wieder zusammengeführt", so Terrasa. /bro