Von Kitsch bis Krieg: Eine Schau in Palma spürt dem Flamenco und den Roma auf den Balearen nach

Der Künstler und Musik-Theoretiker Pedro G. Romero präsentiert im Es Baluard die Früchte seines Forschungsprojekts auf Mallorca und den Nachbarinseln

Aus dem Planas-Archiv: Fotografie eines unbekannten Autors.

Aus dem Planas-Archiv: Fotografie eines unbekannten Autors. / B. Rohm

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Eigentlich wollte Pedro G. Romero, Flamenco-Experte und interdisziplinärer Künstler, dass seine Ausstellung „A de Archipiélago“ im Es Baluard wie ein Film wirkt. Tatsächlich ist sie vor allem eine Kreuzung aus Archiv – im Zentrum des Ausstellungsraums ballen sich Vitrinen, Regale, Schränke und Leinwände mit insgesamt 64 Original-Dokumenten – und einer Art begehbarer Zeitung. Denn die Wände sind beschrieben mit spanischen Texten und dazugehörigen Bildern, der Essenz aus einer während der Pandemie begonnenen Forschungsarbeit Romeros.

Und ja, deren Inhalt rauscht an flüchtigen Museums-Besuchern womöglich vorbei wie ein Film, doch das Gute ist: Man kann sich am Ende eine Zusammenfassung im Zeitungsformat mitnehmen. „Ich erwarte von niemandem, dass er sich hier eine Woche aufhält und alles durchliest“, sagt der Künstler beim Rundgang einen Tag vor der Eröffnung. Und fügt mit einer Prise Selbstironie hinzu: „Man kann sich die Texte dann in aller Ruhe in den nächsten vier bis fünf Jahren zu Hause zu Gemüte führen.“

Ein Flaneur im Archiv

Pedro G. Romero in der Ausstellung "A de Archipiélago" im Es Baluard.

Pedro G. Romero in der Ausstellung "A de Archipiélago" im Es Baluard. / G. Bosch

Doch so lange wird die Lektüre sicherlich nicht dauern. Denn was Romero im „organisierten Chaos“ des Archivs der Casa Planas sowie in weiteren Archiven auf Mallorca und den Nachbarinseln zusammengetragen hat, ist nicht wissenschaftlich-trocken, sondern unterhaltsam und gespickt mit persönlichen Anekdoten von seiner Forschung wiedergegeben. Ausgehend von einer Suche nach den Spuren der gitanos (spanische Roma) auf den Balearen, erzählt er nun von „Helden und Märtyrern der Gegenkultur“, von dem Gitano-Jungen Chocolate bis hin zu den Hippies. „Ich war wie ein Flaneur, der mit Wonne durch die Archive spazierte und Materialien fand, die allmählich für sich selbst sprachen und Beziehungen untereinander knüpften“, erzählt Romero.

Paralellen zur Kultur der Schwarzen in den USA

Ein großes Thema, aber bei Weitem nicht das einzige, ist der Flamenco – präsent auf Postkarten ebenso wie auf einem Schwarz-Weiß-Foto von einem rauschenden Fest mit Tanzvorführung bei dem britischen Schriftsteller Robert von Ranke-Graves. Den Künstler interessiert insbesondere, wie sich unser stereotypes Bild dieser Kunst formte und wie es sein kann, dass etwas, das einer marginalisierten Gruppe wie den gitanos entspringt, die ganze Nation repräsentierte und mitunter zu einem kitschigen Symbol wurde. Romero sieht hier Parallelen etwa zur Kultur der Schwarzen in den USA, auch zu Brasilien und zu Kuba.

Nicht minder spannend sind die Bezüge zum Spanischen Bürgerkrieg: Hier fokussiert sich Romero unter anderem auf den aus Sevilla stammenden gitano, Avantgarde-Künstler und Franco-Gegner Helios Gómez. Dieser sei auf zwei Arten mit Mallorca verbunden: Zum einen rekrutierte er 1936 in Barcelona eine Gruppe von Roma, um Mallorca und Ibiza von den Putschisten zu befreien. Zum anderen trat er kurioserweise als Statist und hübscher Tänzer in dem 1929 gedrehten deutschen Stummfilm „Die Schmugglerbraut von Mallorca“ auf.