Es gibt im Flamenco den schwer zu erklärenden Begriff des duende. Ein geheimnisvoller Geist, eine angeborene Gabe, deren Ausdruck auf der Bühne für jeden Zuschauer spürbar wird. Der junge Pianist Antón Cortés (Palma, 2007), Mallorquiner und gitano, hat diesen Duende offensichtlich. Er spielt mit Konzentration und Hingabe, ganz in die Musik versunken – und immer barfuß, um sein Klavier richtig zu fühlen, wie er einmal erklärte.

Seine Geschichte liest sich fast wie ein Märchen: Mit 8 Jahren experimentierte der Junge zum ersten Mal mit einem Keyboard, sah viele Musikvideos und brachte sich selbst das Instrument bei. 2017 gewann er als Zehnjähriger bei „Mallorca Talent“, 2021 schaffte er es beim prestigeträchtigen „Concurso Internacional del Cante de las Minas“ mit einer selbst kreierten Taranta ins Finale. Heute treten Künstler wie Pitingo, Duquende oder Jorge Pardo mit dem Ausnahmetalent auf.

Keine Hybris, sondern Leidenschaft

Schwer greifbar ist Antón Cortés. Sein Vater wacht schützend über den Sohn, der neben dem Feilen an seiner Karriere auch noch schulische Verpflichtungen hat. Ein persönliches Treffen mit dem Wunderkind ist vorerst nicht möglich, doch es nimmt sich immerhin Zeit, einige Fragen der MZ zu beantworten.

Und verfestigt damit den Eindruck, den man gewinnt, wenn man sich Auftritte des Jungen ansieht und zuhört, was er zu sagen hat: Hier ist keine Hybris am Werk, sondern bodenständig ernsthafte Leidenschaft. Man könnte sogar das altbackene Wort Edelmut bemühen. „Ich denke nie daran, ob es den Leuten gefallen wird, sondern suche immer das, was mir selbst gefällt, um mich dann damit wahrhaftig auszudrücken“, schreibt er.

Respekt für das Erbe der Flamenco-Legenden

Das Conservatorio Superior de Baleares lehnte seine Aufnahme ab, trotz „exzellenter Technik und perfekter Ausführung“, da ihm die notwendigen Kenntnisse der traditionellen Musiksprache fehlten. Cortés geht seinen eigenen Weg als Autodidakt weiter. Laut dem „Mallorca Music Magazine“ steht eine Musikprofessorin aus Madrid mit Cortés in Dauerkontakt, um seine Methode zu studieren, die sie als „Mysterium“ beschreibt. Der Pianist soll sich in kürzester Zeit völlig neue Stücke nach Gehör aneignen können, und er begeistert das Publikum mit Eigenkompositionen.

Es sind allerdings nicht die Neuschöpfungen, die Cortés am glücklichsten machen: „Im Moment gefällt es mir vor allem, Adaptationen der Flamenco-Legenden am Klavier zu interpretieren. Das ist meine Art, den Flamenco wirklich zu verinnerlichen“, erklärt er. „Die Meister haben uns ein Erbe hinterlassen, das studiert werden will. Und das mache ich mit all meiner Liebe und meinem Respekt.“

Auf der Bühne mit Toni Cuenca und Benji Habichuela

Eine Kostprobe seines Könnens gibt es am 17. November im Rahmen des Jazz Voyeur Festival. Dort darf Cortés mit seinem Trio den Auftakt für das Konzert von Gonzalo Rubalcaba und Chano Domínguez geben – was er als eine „enorme Verantwortung“ empfindet. Sein Programm „Soniquete“ umfasst Klavier-Versionen von Stücken der Flamenco-Größen, von deren Genie er jeden Tag lernt: Paco de Lucía, Sabicas oder auch Moraíto.

Eröffnen wird er zunächst allein mit einer eigenen Komposition: „Soralé“, einer Seguiriya. Danach bekommt der Pianist Verstärkung von Toni Cuenca (Bass) und Benji Habichuela (Percussion) – zwei Musikern, die er sehr respektiere und bewundere. Trotz des Altersunterschieds der Künstler ist es eine Begegnung auf Augenhöhe.

Was Antón Cortés zusätzlich gute Startbedingungen dabei verschafft, wenn er „das Flamenco Piano revolutioniert“, wie die Fachpresse schreibt, ist die Tatsache, dass es auf diesem Gebiet noch viel Potenzial auszuloten gibt: Ein Klavier ist immer noch ein seltenerer Anblick auf der Flamenco-Bühne als die obligatorische Gitarre. „Am meisten liebe ich an diesem Instrument, dass es mich neugierig macht“, sagt Cortés. „Ich spüre, dass in ihm eine Flamenco-Seele schlummert, die darauf wartet, entdeckt zu werden. Das ist es, was ich tue.“

Spektakuläres Duo mit Musik aus Kuba, Jazz und Flamenco

Nach dem Antón Cortés Trio treten beim Jazz Voyeur Festival zwei große Musiker gemeinsam auf: Der 16 Mal für den Grammy nominierte, vierfach ausgezeichnete kubanischeJazzpianist Gonzalo Rubalcaba vereint seine melodischen Rhythmen mit denen des Flamenco – denn ihm zur Seite steht der spanische Jazzpianist Chano Domínguez, einer der Begründer des Flamenco Jazz.

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Jazz Voyeur Festival: Gonzalo Rubalcaba & Chano Domínguez Duo und Antón Cortés Trio, 17. November, 21 Uhr, Trui Teatre, Camí Son Rapinya, 29, Palma, Eintritt: 20-32 Euro, Karten unter: jazzvoyeurfestival.es