Wer schon mal einen Motorroller in Deutschland gefahren hat, kennt das Problem. Die Zweiräder sind bei einer Geschwindigkeit von 45 Kilometer pro Stunde abgeriegelt. Das ist in der Regel zu langsam, um im Stadtverkehr mit den Autos mithalten zu können. Manche Fahrer lassen ihren Motorroller entriegeln, damit er schneller unterwegs ist. Das ist natürlich nicht erlaubt. Auf Mallorca passiert derzeit Ähnliches mit den Elektrorollern.

Die Beschränkung auf 25 km/h habe es bei den patinetes eléctricos schon immer gegeben, meint ein Sprecher der Ortspolizei von Palma. Das mag sein, umgesetzt wurde diese Regel im Wirrwarr um die Regulierung der Elektroflitzer aber lange nicht. Wer seinen Roller vor ein paar Jahren kaufte, schaffte mit teureren Modellen Geschwindigkeiten von bis zu gar 50 km/h. „Seit Juni sind alle neuen Roller auf 25 km/h abgeriegelt, und wir dürfen keine schnelleren verkaufen“, sagt Karina Bertino vom Fachgeschäft Urban Ape. „Im Internet gibt es Anleitungen, wie man die Entriegelung entfernen kann. Meist scheitern die Leute, und wir bekommen die Gefährte zur Reparatur.“

Die hohen Geschwindigkeiten haben nicht nur ein höheres Unfallrisiko zur Folge, es drohen auch saftige Bußgelder. Wenn die Elektroroller schneller als 25 km/h fahren können, fallen sie unter die Kategorie ciclomotor, also Motorroller, für die ein Führerschein, ein Nummernschild, eine Versicherung sowie ein Helm nötig sind. Das alles ist für die „langsameren“ Elektroroller nicht vorgeschrieben.

Nachträglich abriegeln

Nun könnte es aber nicht nur den Tüftlern an den Kragen gehen, sondern auch den Rollerfahrern, die ihren Flitzer vor der Einführung der Abriegelung gekauft haben. Denn es reicht nicht aus, sich lediglich an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit zu halten. Nach Angaben einer Sprecherin der Verkehrsbehörde auf den Balearen muss der Elektroroller nachträglich abgeriegelt werden. Ob das aber jemand macht? „Theoretisch ist das möglich, praktisch bietet aber keine Werkstatt diesen Dienst an“, sagt Biel Petro, Mechaniker bei Urban Ape.

Es sind aber wohl nicht nur die manipulierten Roller, die Unfälle im Straßenverkehr zur Folge haben. Insgesamt boomen die patinetes eléctricos derart, dass immer mehr Verkehrsteilnehmer auf die Gefährte umsteigen. Das wird schließlich auch so von der Stadt Palma gefördert und beworben. Und je mehr Nutzer, desto mehr Unfälle. Zwischen Januar und Mitte August gab es 177 Unfälle mit den Elektrorollern allein im Stadtgebiet, dabei wurden 86 Personen verletzt, zwei sind gestorben. Im kompletten Vorjahr – hier darf die Pandemie als Faktor nicht vergessen werden – waren es 143 Unfälle mit etwa 100 Verletzten. 2019 gar nur 94 Unfälle mit 63 Verletzten.

„Es ist ein schwieriges Thema“, meint der Sprecher der Ortspolizei, der die Unfallursachen nicht verallgemeinern möchte. „Es würde schon helfen, wenn sich alle an die Regeln hielten.“ So dürfen die Roller nur auf dem Radweg oder in 30er-Zonen fahren – übrigens mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. In Parks und auf Plätzen sind die Flitzer tabu. Auch für die Rollerfahrer gelten die Straßenverkehrsregeln in Sachen Alkohol und Drogen. Das Mindestalter beträgt 15 Jahre. Handy und Kopfhörer sind nicht erlaubt.

Die häufigsten Verstöße

„Auch wenn ich nur einen Ohrstecker drin habe, ist das verboten“, sagt der Polizeisprecher. „Zu den häufigsten Vergehen zählt, dass das Licht aus ist, welches auch tagsüber eingeschaltet sein muss, und die Fahrer kein reflektierendes Element tragen.“ Bei Letzterem muss es sich nicht unbedingt um eine Warnweste handeln, aber es muss gut sichtbar am Körper getragen werden und eben reflektieren – ein grelles T-Shirt reicht da nicht aus.

Auch die anderen Verkehrsteilnehmer haben ihren Anteil an den Unfällen. „Wenn wir Roller zur Reparatur bekommen, zahlen oft die Autoversicherungen den Schaden“, sagt Bertino und deutet damit an, dass nicht selten die Pkw-Fahrer die Schuld hätten. „Die Radwege werden selten beachtet. Fußgänger laufen, ohne zu schauen, kreuz und quer, die Autos halten erst mitten auf dem Radweg an. Es wäre zudem gut, die Radwege an den Stellen, wo dies möglich ist, mit Pollern oder Mäuerchen abzugrenzen und nicht nur Linien auf den Boden zu malen, die keiner sieht.“

Ein weiteres Problem sei zudem der schlechte Zustand der Radwege. „Es gibt viele Schlaglöcher im Asphalt, und an manchen Stellen hört der Weg abrupt auf“, sagt Petro. „Insgesamt sind die Elektroroller aber noch neu im Straßenverkehr, und es wird dauern, bis sich alle an sie gewöhnt haben. Zwei Jahre braucht das mindestens noch.“

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Kommentar

Ein bisschen Flitzen sollte schon sein

Es wirkt, als wären die Politiker im Zwiespalt hinsichtlich der Elektroroller. Einerseits wird fast ganz Palma zur 30er-Zone erklärt, damit die Flitzer fahren dürfen. Dann aber werden sie auf 25 km/h herunterreguliert. Es ist kein angenehmes Gefühl, auf der Straße nervöse Autofahrer im Rücken zu haben, die auf die kleinste Chance zum Überholen warten. Manchmal mit nur Millimetern Abstand. Wie bei den Motorrollern sind es diese wenigen km/h, die den Unterschied ausmachen, ob man im Verkehr mitschwimmen kann – oder die Autos fürchtet. Ralf Petzold