Deutscher Verkehrsexperte kritisiert die Verkehrspläne der Konservativen auf Mallorca scharf

Mit dem Machtwechsel im Inselrat sollen Tempo 80 auf der Ringautobahn von Palma und die VAO-Spur wieder passé sein. Was sagt der Initiator dazu – und was ein deutscher Experte für Mobilität?

Ende für die VAO-Spur auf der Flughafenautobahn? Die PP will sie möglichst bald abschaffen, aber so einfach wird das nicht.

Ende für die VAO-Spur auf der Flughafenautobahn? Die PP will sie möglichst bald abschaffen, aber so einfach wird das nicht. / BERNARDO ARZAYUS

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Es war eines der am häufigsten wiederholten Wahlkampfversprechen der konservativen Volkspartei PP vor den Regionalwahlen am 28. Mai: Wenn die PP im Inselrat an die Macht kommt, wird sie in einer ihrer ersten Amtshandlungen die Sonderspur VAO für Busse, Taxen und Autos mit mehr als einem Insassen auf der Flughafenautobahn wieder abschaffen. Genauso wie das Tempolimit von 80 km/h auf der Ringautobahn von Palma. Der designierte Inselratspräsident Llorenç Galmés hat das immer wieder so angekündigt.

Hauptsache gegen Podemos

Iván Sevillano, der bisherige Verkehrsdezernent beim Inselrat, der Tempo 80 und VAO-Spur zu verantworten hat, stöhnt am Telefon hörbar auf. „Ich habe das Gefühl, dass die PP keine Ideen hat, sondern einfach nur gegen das ist, was Podemos macht“, sagt der Politiker der Linkspartei. Er persönlich könne und müsse damit leben, dass nun alles wieder umgekrempelt werde, aber „für Mallorca ist es in jedem Fall ein Rückschritt“.

Das sieht auch ein deutscher Verkehrsexperte so. Stefan Carsten, beim Zukunftsinstitut in Frankfurt zuständig für Mobilität, bedauert im Gespräch mit der MZ die Pläne der PP. Denn Tempo 80 auf der Ringautobahn habe durchaus größere Auswirkungen, nicht zuletzt auf das Klima. „Bei dieser Geschwindigkeit läuft der Verkehr ruhiger, die Kraftstoffeinsparung gegenüber 120 km/h macht sich deutlich bemerkbar. Und die Zeit, die man für die Strecke braucht, wird nur minimal länger“, sagt der Mobilitätsexperte.

Ob mit Tempo 80 oder 120: Die Ringautobahn von Palma sieht häufig so aus.   | FOTO: MANU MIELNIEZUK

Ob mit Tempo 80 oder 120: Die Ringautobahn von Palma sieht häufig so aus. | FOTO: MANU MIELNIEZUK / johannes krayer

Mallorca ist mit dieser Maßnahme im Übrigen nicht allein: Auf den meisten Autobahnumfahrungen großer Städte in Spanien gilt längst Tempo 80 – wie etwa in Sevilla, Barcelona oder Murcia – oder zumindest Tempo 100. Und meistens kommt man auf der dicht befahrenen Trasse rund um Palma ohnehin nicht schneller voran. Seit Einführung des Tempolimits ist außerdem die Zahl der Unfälle deutlich zurückgegangen.

Das Tempolimit kann ohne größere Probleme abgeschafft werden

Die PP wird Tempo 80 womöglich schon in den ersten Tagen abschaffen. „Das zu ändern ist kein großes Problem“, sagt der Verkehrsdezernent Iván Sevillano. Bei dem Tempolimit hat die Landesregierung freie Hand.“ Allerdings hofft Sevillano hier auf den Einfluss der zentralstaatlichen Verkehrsbehörde DGT. „Sie wird das Tempolimit aufgrund der höheren Verkehrssicherheit verteidigen.“

Genauso wie die Sonderspur VAO zwischen der Einfahrt vom Flughafen und der Stadteinfahrt von Palma. Diese war erst Anfang November 2022 eingerichtet worden und sollte Bussen, Taxen, Motorrädern, Hybrid- und Elektrofahrzeugen sowie Autos mit mindestens zwei Insassen ein schnelleres Vorankommen auf dem chronisch verstopften Autobahnabschnitt ermöglichen – was zumindest auf der VAO-Spur auch gelang.

Busspuren gibt es etwa in Kalifornien seit Jahrzehnten

Carsten hält auch die Einführung der VAO-Spur auf Mallorca für einen Schritt in die richtige Richtung. „Eine solche Busspur ist super, wir kennen sie aus Kalifornien bereits seit 20 Jahren“, sagt Carsten. Für die Umwelt habe sie im Falle von Mallorca eher kleinere Effekte, weil es nur auf einem Autobahnabschnitt eine solche Spur gebe. Zudem geht Carsten die Beschränkung auf der VAO-Spur auf Mallorca nicht weit genug: „Ich hätte nur Busse, Taxen und Elektroautos darauf fahren lassen.“

Laut Sevillano dürfte es für die PP indes nicht so einfach sein, die Spur wieder zurückzubauen. Denn das Verkehrsdezernat des Inselrats musste für deren Einführung ein technisches Gutachten ausstellen, das die Notwendigkeit einer solchen Spur rechtfertigte. „Dieses Gutachten haben Zentralregierung in Madrid und Verkehrsbehörde DGT angenommen. Die DGT ist die zuständige Behörde für die VAO-Spur“, erklärt Sevillano.

Sevillano erwartet größere Komplikationen bei der Abschaffung der VAO-Spur

Deshalb erwarte er größere Komplikationen für das Vorhaben der PP. „Zum einen muss ein Gutachten erstellt werden, das das Gegenteil von unserem sagt“, erklärt Sevillano. Zum zweiten müsste die spanische Zentralregierung, die mindestens bis zu den Wahlen am 23. Juli aus einem Linkspakt besteht, zu dem Schluss kommen, dass die Spur überflüssig ist – genauso wie die Verkehrsbehörde DGT, die laut Sevillano diese Spur ebenfalls verteidigt.

Schließlich, so Sevillano, müsse eine Abschaffung der VAO-Spur auch im spanischen Gesetzesblatt BOE veröffentlicht werden. Was auch nicht ganz einfach werden dürfte, da die VAO-Spuren im ganzen Land in einem gemeinsamen Absatz geregelt sind. Nach seiner Auffassung müssten dann auch die anderen derartigen Spuren in Spanien abgeschafft werden, was eher unwahrscheinlich sei.

Auto darf nicht mehr im Mittelpunkt der Politik stehen

Andere Maßnahmen, die der Inselrat in den vergangenen Jahren umgesetzt hat, wie etwa die Verkehrsbeschränkung für die Halbinsel Formentor im Sommer, hätten „mobilitätstechnisch“ kaum Auswirkungen, so Carsten. Um eine Überfüllung zu vermeiden, könne es aber eine sinnvolle Initiative sein.

Insgesamt bewertet der deutsche Mobilitätsexperte die Schritte, die Mallorca in den vergangenen Jahren gegangen ist, als „fortschrittlich“. Das private Auto dürfe nicht mehr im Mittelpunkt der Politik stehen. „Überall, wo das Auto zurückgedrängt wird, gibt es erst einmal einen Aufschrei. Nach einiger Zeit merken die Menschen dann, dass sich die Lebensqualität erhöht“, sagt Carsten.

"Transformationsprozess wird passieren"

Das sei etwa in Kopenhagen nicht anders gewesen, als dort die Politik vor fast 50 Jahren bereits konsequent auf das Fahrrad setzte. Inzwischen hätten die meisten europäischen Großstädte, aber auch die Bevölkerung verstanden, dass das Privatauto im öffentlichen Raum kein zukunftsträchtiges Konzept sei.

City-Maut, horrende Parkgebühren, Umweltzonen – all das sei in den vergangenen Jahren in Europa und in Asien eingeführt worden. „Städte, die den entgegengesetzten Weg einschlagen, haben im Wettbewerb etwa um die digitalen Nomaden verloren“, sagt Carsten, der die Entwicklung auf Mallorca nur gebremst, nicht aufgehalten sieht. „Der Transformationsprozess wird passieren, auch wenn die nächsten Jahre eine andere Politik Vorrang hat.“

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