Angespannte Ruhe. Mit diesen Worten beschreibt die Polizei die aktuelle Situation im Bandenkrieg zwischen den Clans Pelúos und Sheriffs, die in den vergangenen 15 Monaten in mindestens vier schwere Zwischenfälle mit Schießereien und Schlägereien auf Mallorca verwickelt waren. Nach dem letzten Angriff, bei dem einer der Sheriffs im August von etwa 20 Mitgliedern des rivalisierenden Clans fast gelyncht worden war, verließen die Mitglieder der Pelúos Mallorca fluchtartig.

Die Nationalpolizei hat vor Kurzem zwei der mutmaßlichen Angreifer in Molina de Segura in der Region Murcia festgenommen, wo sie nach dem Mordversuch offenbar zunächst untergetaucht waren. Der Abzug der Pelúos scheint einen Waffenstillstand in einem Konflikt eingeleitet zu haben, der sich zuletzt immer mehr zugespitzt hatte. Es stand zu befürchten, dass es Tote geben könnte.

Pelúos sind an die 50, Sheriffs nur 30

Die gewaltsame Konfrontation zwischen den beiden Clans hat diesen in den vergangenen knapp zwei Jahren eine zweifelhafte Berühmtheit verschafft. Die Pelúos gelten als eine sehr konfliktträchtige Bande. Ihre Stärke beruht schon auf ihrer schieren Mitgliederzahl – es gibt mehr als 50 – und auf der Tatsache, dass sie nicht zögern, Gewalt anzuwenden. Sie stammen aus Barcelona und ließen sich um 2010 auf Mallorca nieder. Mitglieder der Bande räumten selbst ein, dass sie Barcelona aufgrund eines Mordes verlassen mussten. In Palma besetzten sie Wohnungen in Vierteln wie Son Gotleu, La Soledat oder dem Nou Llevant, um sie illegal zu vermieten oder Marihuana-Plantagen darin anzulegen. In einem Fall bedrohten und schüchterten sie die Nachbarn ein, als sie eines der Grundstücke betraten und besetzten.

Die Sheriffs sind weniger, nach groben Schätzungen etwa 30. Sie sind seit vielen Jahren auf Mallorca ansässig, insbesondere in Son Gotleu. Einige ihrer Mitglieder sind auch in illegale Aktivitäten verwickelt. Die Sheriffs gelten nicht als so gewalttätig wie die Pelúos.

Hausbesetzungen

Die Ursprünge des Bandenkrieges reichen bis Anfang 2021 zurück. Ein Polizeieinsatz verhinderte damals, dass die Pelúos eine Wohnung in Son Gotleu besetzen konnten. Diese führten die Anwesenheit der Polizei auf den Hinweis eines Mitglieds der Sheriffs zurück und forderten deshalb vom Clan eine finanzielle „Entschädigung“ von 50.000 Euro, wie verschiedene Quellen berichten. Dies ist eine gängige Praxis der Pelúos, die auch Geld von anderen Clans erpressen.

Am 18. Mai 2021 schossen mehrere Mitglieder der Sheriffs auf einen Angehörigen der Pelúos vor seinem Haus im Carrer Sant Fulgenci in Son Gotleu. Es gilt als wahrscheinlich, dass sie dabei keine Tötungsabsicht hatten, da die Waffen ein kleines Kaliber hatten. Das Opfer erlitt leichte Verletzungen. Es war eher eine Absichtserklärung, nach dem Motto: Wir werden nicht zahlen und nicht klein beigeben.

Sechs Schüsse auf Haus einer Sheriff-Familie

Die Botschaft zeigte ein Stück weit Wirkung, ein Teil der Pelúos ging. Doch ein anderer Teil des Clans blieb auf Mallorca, bereit zur Auseinandersetzung mit den Sheriffs. Die Antwort kam am 28. Oktober 2021, als Mitglieder der Pelúos sechs Schüsse auf das Haus einer Sheriff-Familie im Carrer Manacor abgaben. Bei diesem Vorfall wurde niemand verletzt.

Bis zum 7. Juli dieses Jahres blieb die Lage relativ ruhig. Doch an diesem Tag wurden mehrere Mitglieder der Sheriffs aus einem Haus von Angehörigen der Pelúos beschossen. Die Tat ereignete sich in Palmas Stadtteil Son Oliva. Dort waren die Sheriffs unterwegs, um ein Mädchen der Familie abzuholen, das zuvor von Mitgliedern der Pelúos bedroht worden war. Bei der anschließenden Schießerei wurde niemand verletzt.

Angriff mit Pflasterstein

Bis zum 7. August blieb es auch bei Sachschäden. An diesem Tag ereignete sich der bislang gravierendste Vorfall. Die Pelúos erfuhren, dass einer der Sheriffs – der Mann, der das im Vormonat angeschossene Auto fuhr – allein in Son Gotleu war. Etwa 20 Männer begaben sich zum Aufenthaltsort des Mannes. Sie stiegen mit Stöcken bewaffnet aus ihren Autos aus und jagten das Sheriffs-Mitglied. Als sie den Mann einholten, schlugen sie ihn brutal zusammen und zertrümmerten seinen Kopf mit einem vier Kilo schweren Pflasterstein. Der Mann erlitt einen schweren Schädelbruch und schwebte in akuter Lebensgefahr. Er wurde im Landeskrankenhaus Son Espases notoperiert und lag eine Woche auf der Intensivstation. In der Zwischenzeit verließen die meisten Mitglieder der Pelúos Mallorca überstürzt und setzten sich in die Gegend um Murcia ab.

Der offene Krieg zwischen den Pelúos und den Sheriffs versetzte die Polizei auf der Insel von Anfang an in Alarmbereitschaft. Die Aufklärung der Taten bekam eine hohe Priorität. Beamte der Mordkommission nahmen in den vergangenen Monaten zwölf Personen fest, die an den gewalttätigen Vorfällen beteiligt waren. Nach der Schießerei im Carrer Sant Fulgenci in Son Gotleu wurden acht Mitglieder der Sheriffs festgenommen, von denen sechs inhaftiert wurden. Nach den Schießereien im Carrer Manacor und in Son Oliva wurden zwei mutmaßliche Täter festgenommen. Vor Kurzem wurden zwei der Pelúos in Murcia wegen des versuchten Mordes verhaftet. /jk