Seit 1986 erfolgreiches System: So geht Upcycling bei Deixalles auf Mallorca

Die Stiftung Deixalles bereitet Gebrauchsgegenstände unter anderem aus Hotels auf – und bringt so jährlich Hunderte Menschen zurück ins Arbeitsleben. Die MZ war auf Vor-Ort-Besuch am Hauptsitz in Palma

Deixalles-Direktorin Xesca Martí (li.) mit einer ihrer Mitarbeiterinnen, die Klamotten zu Taschen und Bezügen umnäht.

Deixalles-Direktorin Xesca Martí (li.) mit einer ihrer Mitarbeiterinnen, die Klamotten zu Taschen und Bezügen umnäht. / Nele Bendgens

Diana Serbe

Diana Serbe

Ein halbes Dutzend Transporter blockiert den Hof, aus ihnen laden Helfer fleißig Sofas, Tische, Lampen und kartonweise Klamotten. Eine Motorsäge heult auf der einen Seite, es hämmert auf der anderen. Hinter einem schweren Stahltor fällt der Blick in eine Halle mit meterhoher Decke. Am Eingang repariert ein Mann mit einem Schraubenzieher eine Nachttischlampe. Zwischen Ständern mit Kleidung verschwindet eine Frau in ihrer orangefarbenen Warnweste und einem Bügeleisen. Hinter ihr sitzen unter einem Holzverschlag zwei Näherinnen. Hier, am Hauptsitz der Fundació Deixalles (wörtlich: „Abfall-Stiftung“) in Palmas östlichem Stadtteil Rafal Nou, werden Dinge aus erster Hand aufbereitet und für die Nutzung in zweiter Hand weiterverkauft. Ob bedürftig oder einfach Fan des Systems der Wiederverwertung: Hier kann jeder für kleines Geld besondere Sachen erstehen.

Seit mittlerweile 37 Jahren setzt die Stiftung das Konzept des Upcycling, also Wiederverwendung von bereits bestehenden Rohstoffen, auf Mallorca in die Tat um – lange bevor es in Europa Einzug in den allgemeinen Wortschatz im Sinne der Nachhaltigkeitsbewegung fand. Das Konzept beinhaltet jedoch vor allem eine soziale Komponente. 1986 gründeten der Unternehmerverband Pimem und die Wohltätigkeitsvereinigung Caritas die Fundació Deixalles als gemeinnützige Organisation – mit dem Ziel, Menschen in Arbeit zu bringen, die von sozialer Ausgrenzung betroffen sind.

Die Mitarbeiter der Stiiftung Deixalles leisten wertvolle Handarbeit.

Die Mitarbeiter der Stiiftung Deixalles leisten wertvolle Handarbeit. / Nele Bendgens

Viele der derzeit 200 Mitarbeiter kommen aus der Arbeitslosigkeit oder sind wegen ganz unterschiedlicher Gründe schwer vermittelbar. Sie werden von den kommunalen Sozialdiensten an die Stiftung Deixalles verwiesen. Im Jahr 2022 konnten genau 471 Personen in ein festes Arbeitsverhältnis mit einer Firma wechseln, berichtet Direktorin Xesca Martí. Die 54-Jährige aus Vilafranca de Bonany kennt jeden der Helfenden und dessen Geschichte persönlich.

Nach einer Prüfung der Fähigkeiten durch Sozialarbeiter erstelle man einen Arbeitsplan, um die individuellen Stärken jedes Einzelnen herauszuarbeiten. Das helfe auch, das Selbstwertgefühl aufzubauen. Kommt es zu einem Vorstellungsgespräch, unterstütze man mit passender Kleidung und helfe bei den vorzulegenden Unterlagen. Zu den Menschen, die bei der Stiftung Hilfe finden, gehören die unterschiedlichsten Profile – alleinerziehende Mütter, Personen mit psychischen Problemen, auch Migranten ohne Arbeitspapiere.

„In den vergangenen Jahren haben wir unser Erscheinungsbild etwas geändert“, sagt die Mallorquinerin: Aus einer etwas unübersichtlichen Lagerfläche ist ein aufgeräumter Laden geworden. Alles ist nach Bereichen sortiert und folgt einem strukturierten System. 2010 hatte die Stiftung den Besitzer gewechselt und wurde von der Associació Amics de Deixalles übernommen. Mit der Gründung von zwei Eingliederungsgesellschaften habe man zudem Meilensteine für die kommunale Zusammenarbeit geschaffen. So vermittelt Deixalles den Kommunen und Firmen Dienstleistungen für die Sammlung und Aufbereitung von Möbeln, Haushaltsgeräten und Kleidung sowie die Bewirtschaftung von Grünanlagen.

Produkte werden auch im Onlineshop verkauft

In Palma begann die Organisation mit Läden im Carrer Blanquerna und an der Plaça Madrid. Derzeit finden sich Anlaufstellen auch in den Gemeinden Sóller, Calvià, Inca, Manacor und Capdepera. In begrenzter Stückzahl werden Artikel für den Onlineshop produziert. Dort gibt es Dinge des täglichen Gebrauchs wie T-Shirts unter zehn Euro, aber auch antike Schätze wie seltene Vasen oder ein Monopoly-Spiel aus den 80er-Jahren. „Die Möbel erhalten in unserer Werkstatt meistens noch einen künstlerischen Wert“, sagt Martí. Dafür setzen die Mitarbeiter alle Kräfte und professionelles Werkzeug ein. Zum Verarbeiten des Leders für Taschen kommen sogar professionelle Industrie-Nähmaschinen zum Einsatz. Per QR-Code erfahren Kunden die Lebensgeschichte des erstandenen Teils. Neben Privatpersonen geben vor allem Hotels und Unternehmen ihre ausrangierte Einrichtung in den Wiederverwertungskreislauf.

Zur Finanzierung sagt Xesca Martí: „Unser Gesamtbudget beträgt fast zehn Millionen Euro, davon stammen 22 Prozent aus öffentlichen Zuschüssen, die restlichen 78 Prozent aber aus den Einnahmen, die wir mit unserer Arbeit generieren.“ Mit einer seit 2022 laufenden Kampagne will die Stiftung nun die Kreislaufwirtschaft in den Branchen Lebensmittel- und Getränkehandel sowie Immobilien fördern. Die große Zielmarke ist, wie in vielen Nachhaltigkeitsprogrammen, das Jahr 2030: Bis dahin will die Stiftung zu allen 17 globalen Nachhaltigkeitszielen der UN beitragen. Für die Direktorin ist das ein durchaus realistisches Ziel. Immerhin habe man schon in den 1980er-Jahren den Stein ins Rollen gebracht.

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