Gemeinde auf Mallorca kann nach Hackerangriff bis auf Weiteres keine Steuern eintreiben

Cyberpiraten haben das Rathaus der Großgemeinde in Teilen lahmgelegt. Die Zahlung von Abgaben ist ausgesetzt

Cyberangriffe sind zu einer alltäglichen Bedrohung geworden. Jetzt waren die Piraten im Rathaus Calvià erfolgreich.  | FOTO: EFE

Cyberangriffe sind zu einer alltäglichen Bedrohung geworden. Jetzt waren die Piraten im Rathaus Calvià erfolgreich. | FOTO: EFE / I. Moure, F. Feldmeier

Wer schon mal einen Vortrag über Cyberkriminalität gehört hat, nimmt vor allem zwei Erkenntnisse daraus mit. Erstens: Die Frage ist nicht, ob, sondern wann und wie oft es zu Hackerangriffen kommt. Zweitens: Eine erfolgreiche Strategie besteht nicht nur darin, den Angriff abzuwenden, sondern auch für den Fall der Fälle vorbereitet zu sein, also etwa über Sicherheitskopien aller relevanten Daten zu verfügen.

Inwieweit das Thema Cyberkriminalität schon vor vergangenem Wochenende in Calvià Chefsache war, ist nicht bekannt. Nach einer Attacke in der Nacht auf Samstag (13.1.) sind Bürgermeister Juan Antonio Amengual sowie interne und externe Informatiker jedenfalls um Schadensbegrenzung und die Wiederherstellung der Systeme bemüht.

Mit Papier und Stift zur Arbeit

Fest steht: Vorerst können die Einwohner der Großgemeinde keinerlei kommunale Abgaben und Gebühren bezahlen. Die Mitarbeiter im Rathaus benutzen in ihrer täglichen Arbeit statt der dienstlichen PCs derzeit ihre persönlichen Laptops, ihre Handys oder auch Papier und Stift. „Die Gemeinde Calvià arbeitet weiterhin intensiv daran, so schnell wie möglich zur Normalität zurückzukehren“, heißt es in einer Pressemitteilung vom Mittwoch (17.1.).

Hinter dem Angriff mit sogenannter Ransomware stecken offenbar Profis. Verantwortlich gemacht für den Einsatz der Erpressungssoftware wird die international aktive Gruppe LockBit, deren Spuren in die Niederlande oder auch nach Russland führen. Welche und wie viele Daten die Cyberpiraten gekidnappt haben, ist unklar. Sie fordern eine Summe von zehn Millionen Dollar vom Rathaus, damit die entwendeten Daten wiederhergestellt werden. Eine solche Summe werde man nicht zahlen, versichert der Bürgermeister. Die Gemeinde hat inzwischen Anzeige bei der Guardia Civil gestellt.

Nicht vollends lahmgelegt

Ganz lahmgelegt ist das Rathaus aber nicht. Nach Informationen der Zeitung „Última Hora“ handelt es sich um einen partiellen Angriff. Man stelle weiterhin Wohnsitzbescheinigungen aus, heißt es in Gemeindeverwaltung, und zwar während der Öffnungszeiten am Vormittag im Rathaus sowie in der Oficina Municipal de Tributs in Palmanova.

Alle Fristen zur Zahlung von Gebühren seien ausgesetzt, bis vorerst Ende Januar, beruhigt die Gemeinde. Für die rechtzeitige amtliche Registrierung von Dokumenten steht die Website der spanischen Zentralregierung zur Verfügung (sede.administracion.gob.es).

Gehaltszahlungen der Mitarbeiter sind gesichert

Die Mitarbeiter, die unter derzeit erschwerten Bedingungen arbeiteten, müssten auch nicht um ihre Gehaltszahlungen fürchten. „Wir möchten uns bei den Institutionen bedanken, die seit vergangenem Samstag in Kontakt mit dem Rathaus von Calvià stehen, um alle denkbare Unterstützung zu leisten, sowie bei den Medien für ihre Sorgfalt und Seriosität bei der Berichterstattung über ein so heikles Thema für die Einwohner von Calvià“, heißt es in der Mitteilung.

Auch wenn sich über die weiteren Fortschritte gegen die Cyberattacke aufs Rathaus nur spekulieren lässt, ist doch offensichtlich, dass LockBit bislang reichlich Erfolg mit Attacken auf Unternehmen und Verwaltungsbehörden gehabt hat. So steht die Gruppe laut einem Bericht der US-Behörden für Cybersicherheit (CISA), den die MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca“ zitiert, hinter rund 1.700 Attacken in den vergangenen vier Jahren. Dabei seien insgesamt 91 Millionen Euro Lösegeld erpresst worden. In diesem Zusammenhang kam es im November 2022 auch zur Festnahme eines Verdächtigen mit kanadisch-russischer Staatsangehörigkeit durch die US-Behörden.

Zuletzt wurde vor einigen Monate ein Cyberangriff auf das Rathaus von Sevilla bekannt. Viele andere Raubzüge gerade bei Unternehmen werden allerdings nicht an die große Glocke gehängt – genauso wenig wie die nötigen Lösegeldzahlungen.

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