Mallorca Zeitung

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Von Strandbars bis Dünenschutz - wird jetzt alles anders an der Küste von Mallorca?

Die Zuständigkeit für die Küstenbehörde wechselt 2023 von der Zentral- an die Balearen-Regierung. Was das bedeuten dürfte

Konzessionen für Chiringuitos fallen in die Zuständigkeit der Küstenbehörde. DM

Die Küste gehört uns - so könnte man zugespitzt die Botschaft der balearischen Linksregierung zusammenfassen. Sie hat in Verhandlungen mit der spanischen Zentralregierung erreicht, dass ihr die Verwaltung der Küste übertragen wird. Fiel die Küstenbehörde bislang in die Zuständigkeit von Madrid, wird sie ab Juli 2023 direkt der Balearen-Regierung unterstehen. Unterschrieben wurde die Vereinbarung am Freitag (18.11.) in einem offiziellen Akt, bei dem auch die spanische Ministerin für Territorialpolitik, Isabel Rodríguez, anwesend war.

"Costas", wie die Behörde im Spanischen meist kurz genannt wird, hat über praktisch alle Dinge zu entscheiden, die direkt den Küstenstreifen betreffen - sie wacht darüber, dass dieser öffentlich ist und auch öffentlich zugänglich bleibt - so will es das spanische Küstengesetz -, vergibt und kontrolliert Konzessionen für den Betrieb von Lokalen aller Art in diesem Bereich - Restaurants, Strandbars, Liegenverleih -, genehmigt Konzerte, Sportevents oder Dreharbeiten an der Küste und ist etwa auch für den Schutz der Dünensysteme und die Regenerierung der Strände verantwortlich.

Symbolsieg fürs Linksbündnis

Was bedeutet die Abtretung der Zuständigkeit an die Balearen nun in der Praxis? Zum einen ist es ein symbolischer Sieg für die Linksregierung auf den Balearen im ewigen Ringen um mehr Eigenständigkeit. Eine "Anomalie" gehe nun zu Ende, sagte die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol (Sozialisten). Wer kann schon verstehen, dass eine Insel-Regierung nicht für die eigene Küste zuständig sei? Immerhin sind das rund 1.500 Kilometer. Die Balearen sind nach Katalonien, Andalusien und den Kanaren die vierte Autonomieregion Spaniens, der die Verwaltung der Küsten zugesprochen wird. Mit der Übergabe wird eine Forderung erfüllt, die die Regionalregierung im Jahr 2007 im Autonomiestatut verankert hatte. Es ist die dritte wichtige Übertragung nach dem Bildungssystem und dem Gesundheitssystem.

Symbolisch ist der Sieg aber auch deswegen, weil die Landesregierung nur einen engen Spielraum bei Entscheidungen hat. Schließlich gilt weiter das spanische Küstengesetz, das zuletzt 2013 geändert wurde und das in allen Regionen des Landes gleichermaßen angewandt werden muss. Die Landesregierung übernimmt praktisch den gesamten, für die Balearen zuständigen Verwaltungsapparat inklusive Räumlichkeiten, Infrastruktur sowie Personal und enthält gleichzeitig ein zusätzliches Budget von 1,3 Millionen Euro im Jahr, um Projekte zu finanzieren sowie die Gehälter zu bezahlen. Konkret heißt das, dass ein Teil des Verwaltungsgebäudes hinter dem Kongresszentrum von Palma, in dem auch die Ausländerbehörde untergebracht ist (Administración Periférica), nun der Landesregierung untersteht, das Gleiche gilt für sechs Fahrzeuge und 18 Mitarbeiter.

Unbesetzte Stellen

Gerade in der Personalpolitik könnte sich die Situation nun verbessern. Denn 6 der 18 Planstellen sind derzeit nicht besetzt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Beamten der Zentralverwaltung schlechter verdienen als ihre Kollegen bei Landesregierung und Inselrat. Auch die spanienweite Zuweisung von Stellen ist eine Hürde, da der nötige Umzug auf die Insel in Verbindung mit der Wohnungsnot so manchen Bewerber abschreckt. Sollte es der Landesregierung gelingen, die Personalprobleme zu lösen, könnten Verwaltungsvorgänge schneller abgewickelt werden. Gerade die öffentlichen Ausschreibungen für Konzessionen von Strandlokalen oder Liegenverleih zogen sich in der Vergangenheit oft lange hin und waren noch nicht abgeschlossen, als bereits die Badesaison begann.

Kurze Dienstwege

Ein Gewinn an Effizienz ist auch dadurch denkbar, dass nun Entscheidungen beim balearischen Umweltminister zusammenlaufen. Beispiel Es Trenc: Das Landesministerium verwaltet das dortige Naturschutzgebiet, stellt also die Parkwächter, reguliert die Parkplätze und erlässt Schutzauflagen. Künftig wird der Umweltminister auch alle Belange rund um die Konzessionen für die Chiringuitos, die Organisation des Sonnenschirm- und Liegenverleihs oder die Verwaltung der Ankerzonen oder Lizenzen koordinieren - kurze Dienstwege, die im Idealfall eine Politik aus einem Guss ermöglichen. Die Landesregierung kann nicht über die gesetzlichen Vorgaben entscheiden, aber über die Prioritäten, die Herangehensweise und das Arbeitstempo - schließlich schafft auch eine verschleppte Bearbeitung Fakten. Besonders im Hinblick auf den Klimaschutz und die Prognose eines steigenden Meeresspiegels wird ein maximaler Handlungsspielraum von Bedeutung sein.

Allerdings gibt die Zentralregierung das Heft nicht ganz aus der Hand: Bei Projekten von "Allgemeininteresse" wie beispielsweise dem Dünenschutz ist vorgesehen, dass Madrid das letzte Wort hat, auch wenn die Landesregierung Vorschläge machen und Berichte vorlegen kann. Darüber hinaus wird auch der Inselrat mit eingebunden, wenn es um landwirtschaftliche Projekte an der Küste geht. Dass Konflikte infolge der Zuständigkeiten anhalten dürften, das zeigt zudem ebenfalls der Fall Es Trenc: Betroffen von den Entscheidungen über das Naturschutzgebiet an der Küste ist auch die konservativ regierte Gemeinde Campos, die zudem die Einnahmen aus den Chiringuito-Konzessionen erhält. Im Rathaus wirft man der Landesregierung mitunter vor, die Gemeinde in Entscheidungen nicht einzubeziehen und ihr eine Teilhabe am Tourismusgeschäft zu erschweren. Ein Vorwurf, der auch in Richtung "Costas" laut wurde.

Ungelöste Streitfälle

Gerade die Küstenbehörde wirkte bislang nicht zuletzt auch gegenüber den Medien wie ein intransparenter, ferner Verwaltungsapparat ohne sichtbaren Chef auf den Balearen - im Zweifelsfall wurde immer auf die Zentralverwaltung auf dem Festland verwiesen. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass die Balearen-Politiker künftig nicht mehr nach Madrid zeigen können, wenn etwas schief läuft. Viele Entscheidungen an der Küste sind ein heißes Eisen. Es gibt eine Reihe von schwebenden Verfahren, Konflikte, die schon seit Jahren andauern - und immer wieder neue Problemfälle. Genannt seien ein genauso prominenter wie strittiger Swimmingpool in Costa dels Pins, der Zank um Sandaufschüttungen von Gemeinden im Hauruck-Verfahren kurz vor der Saison oder Abrissbescheide für Chiringuitos in Cala Torta, Cala Deià oder Cala Mondragó. Zuletzt mussten an der Playa de Muro drei seit vielen Jahren betriebene Strandbars ihre Außenbewirtungsflächen schließen. Proteste und Solidaritätsbekundungen wie etwa eine Unterschriftensammlung blieben bislang ohne Wirkung. Neuester Streitfall ist das Restaurant Bungalow an Palmas Stadtstrand Ciutat Jardí. Betreiber, Anwohner und Oppositionsparteien fordern, dass das Lokal bestehen bleibt, obwohl es seit Jahrzehnten gegen Vorgaben des Küstengesetzes verstößt.

Die Linksregierung hat dennoch eine Hintertür offen, um die Verantwortung abwälzen zu können. So wies der balearische Umweltminister Miquel Mir (Més per Mallorca) bereits darauf hin, dass der gesetzliche Rahmen des Küstengesetzes von 2013 zuletzt von der konservativen Volkspartei (PP) geändert worden sei. Die Botschaft: Wenn Lokale schließen müssen, dann nicht wegen uns. Und die derzeitige Linksregierung muss sich derzeit ohnehin nicht den Kopf über solche Probleme zerbrechen: Wenn die Zuständigkeit für die Küste übertragen wird, ist dafür eine neue Landesregierung zuständig: Im Mai wird auf den Balearen gewählt, und die Frage wird sein, ob das Linksbündnis eine dritte Legislaturperiode in Folge regieren kann oder den Konservativen der Machtwechsel auf den Inseln gelingt.

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