Konsens auf dem Weg zur spanischen Regierungsbildung: Weniger arbeiten, mehr Mindestlohn

Sozialisten und Linke einigen sich. Jetzt fehlt für eine Regierung noch das Ja der Separatisten

Pedro Sánchez und Yolanda Díaz.

Pedro Sánchez und Yolanda Díaz. / EDUARDO PARRA/EP

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Pedro Sánchez und Yolanda Díaz haben sich viel vorgenommen für die kommenden Jahre. Der spanische Ministerpräsident sowie seine Arbeitsministerin und zweite Stellvertreterin präsentierten am Dienstag (24.10.) im Reina-Sofia-Museum in Madrid das Koalitionsabkommen, das die Sozialisten (PSOE) und das Linksbündnis Sumar nach den Parlamentswahlen vom Juli ausgehandelt haben. Auf den 48 Seiten gibt es allerlei Ankündigungen und Versprechungen für soziale Wohltaten – „eine zweite Welle der Arbeitnehmerrechte“, wie Díaz betonte.

Das Abkommen ist die Grundlage für eine Neuauflage der ersten Koalitionsregierung auf nationaler Ebene in der jüngeren Geschichte Spaniens. „Uns wurde prognostiziert, dass wir schnell wieder weg sein würden. Aber es waren vier Jahre, und wir werden jetzt vier Jahre weitermachen“, so Sánchez.

Die Sache hat jedoch einen nicht unwichtigen Haken: Wie bisher sind die beiden Koalitionäre im Parlament in der Minderheit und auf die Stimmen anderer Parteien angewiesen. Dieses Mal sind die Verhandlungen erheblich schwerer, da PSOE und Sumar alle Regionalparteien überzeugen müssen, einschließlich der widerspenstigen katalanischen Separatisten von Junts.

Was alles geplant ist

Nachdem Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo, der mit seiner konservativen Volkspartei (PP) bei den Wahlen die meisten Stimmen und Sitze geholt hatte, im Unterhaus keine Mehrheit für seine Wahl zum Regierungschef zusammenbekam, hat Sánchez noch Zeit bis maximal 27. November. Sollte der Sozialist ebenfalls durchfallen, käme es zu Neuwahlen im Januar. Dass sich die beiden bisherigen Koalitionspartner auf ein neues Regierungsprogramm geeinigt haben, ist keine Überraschung. Es dauerte aber länger als erwartet.

In einigen wichtigen Fragen mussten Kompromisse gefunden werden. So etwa bei der geplanten Vier-Tage-Arbeitswoche, einem der großen Wahlversprechen von Sumar, das die Sozialisten mit gewisser Skepsis sehen. Am Ende ist im Programm eine Reduzierung der bisherigen Arbeitswoche von 40 auf 37,5 Stunden enthalten, und zwar in zwei Schritten bis 2025 sowie bei vollem Lohnausgleich.

Arbeitgeber warnen vor Folgen der reduzierten Arbeitszeit

Danach sollen die Tarifpartner die Ergebnisse der Maßnahme prüfen und eventuell weitergehen. Während sich die Gewerkschaften am Dienstag sehr zufrieden zeigten, warnte der Arbeitgeberdachverband CEOE vor den wirtschaftlichen Folgen, vor allem für Kleinbetriebe.

Mit anderen Maßnahmen wie einem Programm zur Bekämpfung der weiterhin hohen Jugendarbeitslosigkeit und besseren Weiterbildungskursen soll die Erwerbslosenquote auf das strukturelle Minimum reduziert werden, versprach Sánchez. Der gesetzliche Mindestlohn, den die Linken in den vergangenen Jahren um fast 50 Prozent erhöhten, soll weiter angehoben werden.

Steuerreform

Das Abkommen zwischen PSOE und Sumar sieht auch eine umfassende Steuerreform vor, eines der Großprojekte, das in der vergangenen Legislaturperiode nicht zustande kam. Dabei werden vor allem große Unternehmen zur Kasse gebeten, indem eine Mindestbesteuerung von 15 Prozent auf den Buchgewinn veranschlagt wird, ohne dass die Firmen den Ertrag durch Abschreibungen kleinrechnen können.

Die Koalition will auch die umstrittene Sondersteuer auf die mutmaßlichen Übergewinne von Banken und Energieversorgern verlängern, die Ende des Jahres ausläuft. In welcher Form, ist noch nicht klar.

Zug statt Flugzeug

Das öffentliche Gesundheitswesen soll derweilen ebenso gestärkt werden wie Schulausbildung und Wohnungsbau. Etwas abstrakt heißt es, dass man dort gegen Touristenapartments vorgehen wolle, wo der Mangel an Wohnraum besonders groß sei.

Die Koalitionäre planen darüber hinaus, die Zahl der Inlandsflüge auf Strecken zu reduzieren, auf denen die Alternative mit dem Zug in zweieinhalb Stunden zu absolvieren ist. Und nicht zuletzt die Anerkennung des Inselstatus der Balearen in der Europäischen Union steht im Programm.

Amnestie für Separatisten bleibt unerwähnt

Das ist ein strammes Programm für die kommenden vier Jahre. Doch noch steht ein großes Fragezeichen hinter der Neuauflage der Koalition. Bezeichnenderweise bleibt auf den 48 Seiten die Amnestie für die Verantwortlichen des illegalen Unabhängigkeitsreferendums 2017 in Katalonien unerwähnt. Doch ohne diesen Schritt, der gegenwärtig Proteste der Rechten auslöst und auch bei vielen linken Wählern nicht sonderlich beliebt ist, wird es zur Mehrheit im Parlament nicht reichen.

So sehen die Katalanen die Lage

Die beiden separatistischen Parteien Kataloniens haben die Amnestie zur Mindestbedingung für ihre Unterstützung gemacht. Die Republikanische Linke (ERC) verzichtet immerhin auf die Zusage für ein legales Referendum, wie der katalanische Ministerpräsident Pere Aragonès jetzt noch einmal klarmachte.

Die konservative Partei Junts des früheren Regierungschefs Carles Puigdemont hält sich dagegen weiterhin auch einseitige Schritte zur Abspaltung von Spanien vor. Doch ohne Zusage der Separatisten, den rechtlichen Rahmen zu respektieren, dürfte die Amnestie kaum vor dem Verfassungsgericht standhalten.

Die Stimmen der Basken

Die Stimmen der baskischen Nationalisten bereiten Sánchez und Díaz dagegen wenig Kopfschmerzen. Doch könnte die traditionell unternehmerfreundliche PNV an den wirtschaftspolitischen Plänen der Koalition einiges auszusetzen haben. Kritik an dem Dokument kam auch von links.

Die Partei Podemos, die sich bei den letzten Wahlen dem Bündnis Sumar angeschlossen hatte, bezeichnete die Maßnahmen als „unzureichend“. Doch rechnet niemand ernsthaft damit, dass die fünf der 31 Abgeordneten von Sumar, die sich der Podemos-Führung verpflichtet fühlen, die Wahl von Sánchez gefährden könnten.

Die Konservativen spotteten über das „überraschende Abkommen“ zwischen dem Regierungschef und seiner Vize und forderten Parlamentspräsidentin Francina Armengol auf, endlich ein festes Datum für die Wahl des Ministerpräsidenten zu nennen.

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