Freie Sprachwahl an den Schulen auf Mallorca: Was, wenn alles freiwillig bleibt?

Erst setzte die Rechtspartei Vox der regierenden PP die Pistole auf die Brust, dann musste sie doch klein begeben. Wie nach dem Hin und Her nun mehr auf Spanisch unterrichtet werden soll

Eine Schülerin erledigt, auf Katalanisch, die Hausaufgaben in Geografie und Geschichte.  | FOTO: NELE BENDGENS

Eine Schülerin erledigt, auf Katalanisch, die Hausaufgaben in Geografie und Geschichte. | FOTO: NELE BENDGENS / johannes krayer

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Welche Sprache soll im Unterricht auf Mallorca vorherrschen – Katalanisch oder Spanisch? Die rechtsextreme Partei Vox hat diese Frage, über die es seit Jahrzehnten einen breiten Konsens auf den Balearen gibt, wieder auf die Tagesordnung gesetzt und damit die konservative Regierung von Marga Prohens (Volkspartei, PP) zwei Wochen lang extrem unter Druck gesetzt. Beide Parteien hatten die schrittweise Einführung der freien Sprachwahl in den Schulen im Laufe der Legislaturperiode Ende Juni vereinbart. Vox drängte jetzt darauf, diese höchst umstrittene Bildungsreform schon 2024 umzusetzen und machte davon ihre von der PP benötigte Zustimmung zum Haushalt abhängig. Prohens und ihr Bildungsminister Antoni Vera waren in arger Bedrängnis – die freie Sprachwahl ist ein politisches Minenfeld, der überwältigende Teil der Schulgemeinschaft ist dagegen – und fanden letztlich doch einen Ausweg, der Vox den Wind aus den Segeln nahm. Zumindest vorerst.

PP und Vox gaben den Kompromiss am Freitag (3.11.) bekannt. Auf dem Papier sieht es nach einem klaren Punktsieg für die PP aus. Keine der Maximalforderungen von Vox wurde umgesetzt. Es heißt, die balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens habe dem spanischen Vox-Führer Santiago Abascal freundlich, aber bestimmt zu verstehen gegeben, dass seine Parteikollegen einen Machtkampf mit den Konservativen unterlassen mögen. Wohl auch deshalb klingt vieles an der Einigung über die freie Sprachwahl sehr vage. Vor allem: Die endgültige Entscheidung darüber, welche Sprache vorrangig im Unterricht eingesetzt wird, soll weiterhin bei den Schulen liegen. Bildungsminister Antoni Vera wand sich bei der Erklärung der Einigung denn auch ziemlich.

Bildungsminister Antoni Vera bei einer Pressekonferenz am Freitag (3.11.).

Bildungsminister Antoni Vera bei einer Pressekonferenz am Freitag (3.11.). / Manu Mielniezuk

Eltern von Schülerinnen und Schülern bis zur zweiten Klasse sollen nun ab dem kommenden Schuljahr entscheiden können, in welcher Sprache ihr Kind das Schreiben und Lesen lernt. Aber es gibt eine deutliche Einschränkung: Das soll nur „in den Schulen, wo es möglich ist“, garantiert werden. Was dieser Zusatz genau bedeutet, ist unklar. Bildungsminister Antoni Vera, selbst Katalanisch-Sprachwissenschaftler, sagte lediglich, dass die „Mittel“ zur Verfügung stehen müssen. Er dürfte damit Lehrkräfte und Klassenzimmer meinen, denn eine Aufspaltung der Klassen in zwei Gruppen – je nach Unterrichtssprache – setzt zahlreiche zusätzliche Lehrer sowie eine große Anzahl an leer stehenden Klassenräumen voraus, über die kaum eine Schule auf den Inseln verfügt.

Erst einmal Pilotprojekte

In den weiteren Klassenstufen der Grundschule soll es freiwillige „Pilotprojekte“ geben, die den Eltern die Möglichkeit geben soll, für ihre Kinder zumindest in den natur- und sozialwissenschaftlichen Fächern eine der beiden Sprachen als Unterrichtssprache zu wählen. Dies könne geschehen, indem man die Klassen beispielsweise für Gruppenarbeiten teilt. Ab dem Schuljahr 2025/26 sollen dann auch die Mittelstufe zwischen der 7. und der 10. Klasse dazukommen. Noch geprüft werden soll, ob die Pilotprojekte auch in den Abiturklassen und in der Berufsausbildung kommen soll.

Bei der Auswahl der Schulen für das Pilotprojekt werde es in jeden Fall eine quantitative Obergrenze geben, sagte Vera. Sprich: Eventuell können gar nicht alle Schulen, die das wollen, an dem Pilotprojekt teilnehmen. Die Schulen, die letztlich dabei sind, werden bei der Umsetzung durch mehr Geld und zusätzliche Lehrer unterstützt. Alle Schulen müssen garantieren, dass die Schüler nach Abschluss der verpflichtenden Schulzeit die notwendigen Kompetenzen in beiden Sprachen erlangt haben.

Sie bestehen auf handfesten Zusagen: Ribas (re.) und weitere Vox-Abgeordnete.  | FOTO: B. RAMON

Sie bestehen auf handfesten Zusagen: Ribas (re.) und weitere Vox-Abgeordnete. | FOTO: B. RAMON / Guillem Porcel, Frank Feldmeier

Weiter so wie bisher?

Der Bildungsminister, der in der vergangenen Woche stark unter Druck gestanden hatte und Vox einen Lösungsvorschlag liefern musste, verkaufte bei einer Pressekonferenz die Einigung so, als würde sich kaum etwas ändern. „Die Schulen, die weitermachen wollen wie bisher, sollen das gern so tun.“ Hinter den Kulissen spricht man bei der PP von einem „Traumtor“, das man Vox da eingeschenkt habe.

Die Vertreter der Schulgemeinschaft waren zunächst darüber empört, dass die Maßnahmen nicht vorab mit ihnen beraten worden waren und ließen Ministerpräsidentin Marga Prohens und Minister Vera am Freitag (3.11.) erst einmal sitzen. Schulleiter, Elternverbände und Lehrergewerkschaften gehen praktisch geschlossen davon aus, dass in Sachen Unterrichtssprache gar kein Handlungsbedarf besteht. Eine Aufteilung der Schülerschaft in spanischsprachig und katalanischsprachig ist außerdem rechtlich umstritten. Zudem könnte sie gegen das sogenannte „Decret de mínims“ von 1997 verstoßen. Es schreibt vor, dass mindestens die Hälfte des Unterrichts auf Katalanisch erfolgen muss Naturwissenschaftliche Fächer ausschließlich auf Spanisch zu unterrichten, liefe dem zuwider.

„Wer nicht will, macht nicht mit“

Auch der größte Verband der öffentlich bezuschussten kirchlichen Schulen, Escola Católica, hatte sich im gegen Experimente ausgesprochen und begrüßte nach Bekanntgabe der Vereinbarung, dass die Änderungen nur auf freiwilliger Basis erfolgen sollen. „Es macht mit, wer mag. Wer nicht will, macht eben nicht mit, und es bleibt beim Alten“, bestätigte am Montag noch einmal Bildungsminister Antoni Vera.

Eben diese Freiwilligkeit ist allerdings den Hardlinern unter den Spanisch-Befürwortern bereits jetzt ein Dorn im Auge: „Indem die Entscheidung bei den Schulen belassen wurde, ist in Wahrheit vereinbart worden, dass sich nichts ändert. Wo die Schulen entscheiden, entscheiden nicht die Eltern“, heißt es bei der Plattform „Escuela de Todos“. Noch mag das die Vox-Partei nicht so sehen. Sie vertraue darauf, dass der Bildungsminister „alles in seiner Macht Stehende tun wird, um den Plan effektiv umzusetzen“, sagte am Montag die inoffizielle Vox-Sprecherin Idoia Ribas.

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