Entrevista | Rolf Kailuweit Romanist

Was ein deutscher Romanist zum Umgang mit Katalanisch auf Mallorca rät

Im Mai hat Rolf Kailuweit mit Studierenden auf Mallorca geforscht – sein erster Insel-Besuch seit 1998. Ein Gespräch über Katalanisch damals und heute und ein tief sitzendes kulinarisches Trauma

Der Romanist Rolf Kailuweit (57) bei seinem Besuch auf Mallorca.

Der Romanist Rolf Kailuweit (57) bei seinem Besuch auf Mallorca. / Stephanie Fuchs

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Rolf Kailuweit (1965, Berlin) ist seit 2017 Professor für Romanistische Sprachwissenschaft an der Universität Düsseldorf. Zum Katalanischen fand er einst in Barcelona. Gerade hat er mit einer Gruppe Studierender in Kooperation mit der Balearen-Universität ein Forschungsprojekt auf Mallorca durchgeführt. In Sachen spanisch-katalanischer Sprachkonflikt plädiert er für Verständnis und Offenheit.

Sie waren zum ersten Mal seit 25 Jahren auf Mallorca. Welche Veränderungen haben Sie in Bezug auf das Katalanische bemerkt?

Ich hatte jetzt den Eindruck, dass es für viele Leute normal ist, wenn sie von Ausländern auf Katalanisch angesprochen werden. Es herrscht nicht mehr diese ganz große Überraschung, und es besteht auch die Bereitschaft, sich darauf einzulassen. Vor 25 Jahren war mir noch aufgefallen, dass es schwierig ist, mit jemandem auf Katalanisch ins Gespräch zu kommen, wenn man es nicht perfekt beherrscht. Wenn man es gut konnte, kam sehr schnell so etwas wie: „Ja, ihr aus Barcelona sagt das so, wir sagen es anders.“ Man wurde direkt einsortiert als jemand, der aus Katalonien kommt. Mein Katalanisch ist alles andere als perfekt, aber ich kann mich durchschlagen und habe das Gefühl, das wird jetzt viel stärker akzeptiert. Außerdem haben mich die großflächigen Werbeanzeigen überrascht, die einsprachig auf Katalanisch waren. Das kannte ich so noch nicht. Da steckt ja auch viel Geld drin: Man wird sich überlegen, ob man so eine Kampagne startet. Das ist nicht einfach nur symbolisch oder politisch gewollt, sondern scheint sich auch kommerziell zu rechnen.

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Wie stehen Sie zur Förderung des Katalanischen, etwa durch die Politik?

Ich denke, dass so eine Sprache ohne Förderung grundsätzlich nicht überleben kann. Und ich glaube, dass Vielsprachigkeit und Mehrsprachigkeit eine Bereicherung ist. Deswegen denke ich, dass es natürlich auch nicht darauf hinauslaufen kann – was es aber auch nicht wird – dass man zu einer katalanischen Einsprachigkeit kommt. Aber Förderung ist wichtig, um der Sprache einen Raum und eine Überlebenschance in der modernen Welt zu verschaffen. Ansonsten bleibt sie beschränkt auf ländliche, bildungsferne Kreise, die auch immer weniger existieren. Insofern ist es wichtig, dass neue Domänen erschlossen werden: digitale Medien, Popkultur, öffentlicher Raum, Werbung und natürlich auch im Schul- und Universitätssystem sowie der öffentlichen Verwaltung. Es ist aber wichtig, die Sprache zu fördern und gleichzeitig niemanden dazu zu zwingen, die eigene Sprache aufzugeben.

Viele ausländische Residenten auf der Insel haben dennoch Ressentiments.

Wirklich nachvollziehen kann ich das nicht. Ich würde nicht von jedem Urlauber erwarten, dass er Katalanisch kann, aber ich denke: Gerade wenn man länger auf Mallorca ist, sollte schon eine Grundbereitschaft da sein, das Katalanische zur Kenntnis zu nehmen, sich damit auseinanderzusetzen und darauf einzulassen. Wenn jemand aus irgendwelchen Gründen dazu selbst nicht bereit ist, dann sollte zumindest ein Verständnis da sein, dass das mal zu Reibungen führen kann.

Wie versuchen Sie, bei wenig Verständnis zu argumentieren und zu sensibilisieren?

Indem man historisch versteht, dass dieser Gedanke „Ein Land, eine Sprache“ ein Produkt der Französischen Revolution und überhaupt nicht naturgegeben ist. Dann kann man natürlich argumentieren: Demokratische Partizipation, alle sollten die Gesetze lesen können und die gleichen Rechte und Pflichten haben, damit sie gleichberechtigte Bürger sein können. Ja, aber: Das ist eben doch für viele mit extremem Zwang und mit einem Verlust regionaler Kultur verbunden. Dann kommt noch hinzu, dass Leute aus allen möglichen Ländern kleine Communities bilden. Es muss keinesfalls so sein, dass man nur eine Sprache lernt und diese dann perfekt kann. Man darf durchaus auch viele Sprachen können, und das auf unterschiedlichem Niveau und für unterschiedliche Situationen. Selbst wenn man nur ein paar Gruß- und Abschiedsformeln beherrscht oder ein paar Ausdrücke einstreut. Ich glaube, dass es dann auch viel leichter ist, auf Spanisch oder Englisch weiterzumachen, wenn ein Interesse und ein gewisser Respekt vor dieser regionalen Sprachkultur da ist.

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Welche Unterschiede zwischen dem Katalanischen und Mallorquinischen sind für Sie besonders auffällig oder gar schwierig?

Sehr auffällig ist natürlich der article salat, also dass sie „s’Arenal“ sagen und nicht „l’Arenal“. Den Artikel über die Zunge zu leiten, ist eine Kuriosität des Mallorquinischen, die es bei den romanischen Sprachen nur noch mit dem Sardischen gemeinsam hat. Es ist nicht schwer zu verstehen, da die Dialekttiefe im Katalanischen nicht sehr problematisch ist. Eine Ausnahme auf Mallorca ist Pollença: Dort wird ein ganz kurioser Dialekt gesprochen, der wirklich ziemlich schwer zu verstehen ist.

Worum ging es bei der Exkursion mit Ihren Studierenden hier auf Mallorca?

Ich habe schon seit Längerem wissenschaftlichen Kontakt zu Elga Cremades, die Professorin an der Balearen-Universität (UIB) ist. Bei diesem Austauschprojekt war es eine gemischte Gruppe, zur Hälfte von den Sprachwissenschaften, zur Hälfte aus der Romanistik. Inhaltlich beschäftigen wir uns mit Verben im Katalanischen und Spanischen und zeigen auf, inwieweit da Einflüsse bestehen. Das Spannende auf Mallorca ist, dass eine zwiespältige Situation besteht, wo die Leute sich einerseits von der spanischen Norm absetzen wollen, aber andererseits auch von dem Katalanischen, wie es in Katalonien gesprochen wird. Und was passiert da? Orientiert man sich letztlich doch an der katalanischen Norm oder orientiert man sich doch am Spanischen und verändert das Katalanische in diese Richtung? Das wollten wir in einer Reihe von Befragungen und Tests herausfinden.

Rolf Kailuweit auf Mallorca.

Rolf Kailuweit auf Mallorca. / Stephanie Fuchs

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Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?

Wir sind ein Stück weit gescheitert mit unserem kompliziertesten Test, was das Katalanische anging. Wir hatten versucht, einen Test mit spanischen Pronomen ins Katalanische zu übertragen und haben gemerkt, dass das ganz anders funktioniert und sich nicht eins zu eins übertragen lässt. Grundsätzlich haben wir festgestellt, dass es an der Uni nicht so ohne Weiteres möglich ist, das Spanische in den Vordergrund zu rücken. Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Gruppe von Ausländern an die Uni geht und dann alle Leute mit ihnen Spanisch sprechen und bereit sind, Fragen zum Spanischen zu beantworten. Da muss man ein bisschen diplomatisches Geschick walten lassen und natürlich auch das Katalanische in den Vordergrund stellen – was wir konnten, weil das ja für uns von Vornherein im Paket drin war. Aber wir haben es ein Stück weit noch katalanischer gemacht als geplant.

Was hatte Sie damals im Jahr 1998 eigentlich nach Mallorca verschlagen?

Da war ich als Post-Doc aus Heidelberg Leiter einer Exkursion. Sie wurde von der Balearen-Regierung angestoßen und auch weitgehend finanziert. Zehn Studierende aus Deutschland wurden in ein Hotel in Palma eingeladen und jeden Morgen wurde ein Reisebus zur Verfügung gestellt, um uns über die Insel zu fahren. Das typische Programm: Man besuchte einen Ort, wurde vom Bürgermeister empfangen, herumgeführt und dann gab es ein Mittagessen. Bis auf einen Tag hieß es immer: „Wir haben etwas besonders Leckeres und Typisches für euch vorbereitet: arròs brut.“ Das war beim ersten Mal ganz lecker und beim zweiten Mal noch ein bisschen lustig. Aber wir haben den Reiseintopf wirklich fünf Mal gegessen, und am letzten Abend im Hotel war bei einigen in der Gruppe das Maß erreicht: Wir sind dann lieber woanders essen gegangen.

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