Ein Plausch mit einer Olympiasiegerin, Ernährungstipps von Experten oder Trainingspläne von den Profis - das alles gibt es auf der neuen Plattform Champions Booking von Thomas Ullrich, Bruder von Radsportlegende Jan, zu buchen. So kann man beispielsweise mit Claudia Pechstein eine Runde Inliner oder Rad auf Mallorca fahren. Sobald es denn der Terminkalender hergibt. Denn derzeit bereitet sich Deutschlands erfolgreichste Wintersportlerin aller Zeiten auf der Insel auf die Olympischen Spiele 2022 vor. Der Wettkampf im Februar in Peking soll der Abschluss ihrer langen Karriere sein. Die MZ hat die Eisschnellläuferin aus Berlin im Robinson Club in Cala Serena getroffen.

Es heißt, Frauen werden mehrmals im Leben 29. Glauben Sie der Zahl, die bei Ihnen im Ausweis steht?

Nein. Ich bin immer so alt, wie ich mich jeden Tag fühle. Heute wären das 32 Jahre. Mir ist bewusst, dass ich auf die 50 zugehe. Ich bin stolz darauf, dass ich in dem Alter noch so eine Leistung bringen kann. In Deutschland habe ich die viel jüngere Konkurrenz noch ganz gut im Griff.

Die meisten Leistungssportler beenden Mitte 30 ihre Karriere, weil der Körper nicht mehr will. Was ist Ihr Geheimnis, dass Sie sich immer noch täglich quälen können?

Da gibt es kein Geheimnis. Wenn man Leistung bringen will, muss man sich täglich quälen. Das gilt nicht nur für den Sport, sondern für alle Branchen. Natürlich macht es nicht jeden Tag Spaß. Aber das ist mein Leben. Vor zwei Jahren hatte ich arge Rückenprobleme. Ich konnte mich nicht bewegen und mich auf dem Eis nicht mehr auf beiden Füßen halten. Da habe ich gedacht: Verdammt, jetzt ist es vorbei. Zum Glück war es kein Bandscheibenvorfall, sondern nur eine Gelenkstörung. Das Problem habe ich immer noch, zuletzt vor der WM im Februar. Aber nach so vielen Jahren linksherum Runden drehen muss ich irgendwelche Zipperlein haben.

Sie haben zuletzt immer wieder gesagt, dass Ihnen die Medaillen bei Rennen nicht mehr wichtig sind. Was motiviert Sie dann?

Ich will Geschichte schreiben und die einzige Frau sein, die an acht Olympischen Winterspielen teilgenommen hat. Das treibt mich an.

Sehen Sie sich noch konkurrenzfähig?

Nur weil ich fünffache Olympiasiegerin bin, bin ich nicht automatisch dabei. Ich muss mich qualifizieren wie alle anderen auch. In den vergangenen Jahren bin ich immer in den Top zehn gelandet. Für die Quali muss ich bei den Weltcups im November und Dezember entweder einmal unter den besten acht oder zweimal unter den besten 15 landen.

Ihre Gegnerinnen sind halb so alt. Wie ist da das Verhältnis zu ihnen?

Ich spüre da einen wahnsinnigen Respekt, auch von den internationalen Trainern, die teilweise jünger als ich sind. Manche machen sich ein Späßchen, aber ich habe mich selbst auch schon als Eis-Oma bezeichnet. Das meine ich nicht negativ. Meine Oma ist 94 und fährt noch Fahrrad. Sie ist mein Vorbild. Da habe ich gute Gene abbekommen.

Kribbelt es nach so langer Zeit im Geschäft noch, wenn Sie an die Startlinie treten?

Es wird eher schlimmer. Die gesammelten Erfahrungen sorgen dafür, dass ich mehr nachdenke. Manchmal wünsche ich mir, dass ich wie die Jugend unbefangen an ein Rennen herangehen könnte. Aber ich weiß, was mich erwarten kann.

Das heißt konkret?

Zum Beispiel, dass man nicht zu schnell anfängt und sich die Kraft einteilt. Viele junge Eisschnellläufer sprinten am Anfang los und sterben dann kurz vor der Ziellinie. Durch das Anfangstempo sind die Zeiten dann aber immer noch super.

Peking wären nicht nur Ihre achten Olympischen Spiele, sondern auch Ihr 30-jähriges Jubiläum. Haben sich die Spiele in den Jahrzehnten verändert?

Komplett! Olympia ist nicht mehr das, was es mal war. Die Spiele sind voller Funktionäre, die Journalisten nehmen mehr Platz ein als die Sportler. Es geht viel mehr ums Geschäft. Die eigenen Sponsoren, die einen auf dem Weg zu den Spielen helfen, darf man beim Wettkampf nicht vertreten. Ich finde auch schade, dass die Winterspiele in Peking ausgetragen wird. Für mich ist das nicht greifbar. Winterspiele sollten dort sein, wo man den Winter zumindest vermutet.

Was ist Ihr Olympia-Highlight?

Auf jeden Fall Salt Lake City 2002. Zwei Goldmedaillen und zwei Weltrekorde. Das waren besondere Spiele, da es relativ kurz nach den Terror-Anschlägen am 9. September war. Alle hatten eine totale Überwachung befürchtet. Die Sicherheitskräfte machten aber einen fantastischen Job. Bei anderen Olympischen Spielen sind die Sportler in drei oder vier olympischen Dörfern untergebracht. In Salt Lake City waren fast alle zusammen. Ich habe Leute getroffen, die ich nur aus dem Fernsehen kannte. Ich hatte keine Scheu, sie anzuquatschen, und stellte fest, dass es normale Menschen wie du und ich sind.

Der negative Höhepunkt dürfte Ihre Sperre im Jahr 2009 wegen auffälliger Blutwerte gewesen sein. Im MZ-Interview 2013 haben Sie gesagt, dass Sie ohne diese Vorwürfe längst aufgehört hätten, den Leuten nun aber noch etwas beweisen wollen. Haben Sie das geschafft?

Der normaldenkenden Bevölkerung habe ich es längst bewiesen. Nun will ich vor Gericht Recht bekommen. Es ist ein Politikum. Ich kann nur noch gewinnen, denn verloren habe ich schon alles. Ich kann jeden Morgen in den Spiegel schauen. Das zählt für mich. Ich werde bis zum Schluss kämpfen. Siegen oder Sterben, das ist mein Motto. Der Fall liegt nach wie vor beim Bundesverfassungsgericht. Zur Not ziehe ich vor den europäischen Gerichtshof.

Konnten Sie persönlich mit dem Thema abschließen?

Mit so etwas kann man nie abschließen. Ich bin zu Unrecht verurteilt wurden und durfte zwei Jahre meinen Job nicht ausführen.

Sie haben zuletzt auch hart gegen Deutschland geschossen und gesagt, dass Ihnen die Wertschätzung für die Olympioniken fehlt. Was meinen Sie damit?

Wenn ich in einem anderen Land fünffache Olympiasiegerin wäre, hätte ich schon längst ausgesorgt. In Korea gibt es eine lebenslange Rente. In Deutschland lediglich 20.000 Euro, von denen noch Steuern und eine Verbandsbeteiligung abgezogen werden. Wenn du in Deutschland Erster wirst, ist alles super. Doch schon beim zweiten Platz fragen die Leute, warum es nicht zu Gold gereicht hat. Das habe ich alles erlebt. Manche Menschen fordern mich sogar auf, meine Karriere zu beenden, weil ich eben nicht mehr um die Medaillen kämpfe. Diese Entscheidung treffe aber alleine ich.

Sie haben Ihr Karriereende für das Jahr 2022 nach den Spielen in Peking angekündigt. Ist diese Entscheidung endgültig oder werden Sie sich noch einmal ein Hintertürchen offenlassen?

Vielleicht erlebe ich Peking gar nicht, weil morgen mein letzter Tag ist. So etwas kann man nie zu hundert Prozent sagen. Mein Plan sieht vor, dass ich nach Olympia aufhören werde. Jetzt in dem Moment - acht Monate vor dem Event - kann ich es mir aber noch nicht so richtig vorstellen.

Blicken Sie mit Wehmut oder Vorfreude auf das Karriereende?

Ich sage mir nach jedem Rennen und Training: Zum Glück ist es vorbei. Keine Ahnung, wie es mir nach dem Karriereende gehen wird. Wehmütig bin ich gerade nicht.

Sie wollen von der Eispiste in den Bundestag wechseln.

Was heißt will? Ich wurde mit 94 Prozent auf Listenplatz 6 für die CDU in Treptow-Köpenick gewählt. Ich habe nie gedacht, dass ich in der Politik lande. Ich sage immer meine Meinung, das ist eigentlich nicht gewollt. Wenn ich in den Bundestag gewählt werden sollte, will ich mich auf den sportlichen Bereich konzentrieren. Ich werde mich nicht um Sachen kümmern, von denen ich keine Ahnung habe.

In Ihrer Wahlkampagne haben Sie gesagt, dass Sie endlich wieder die richtigen Prioritäten setzen wollen. Welche wären das?

Der Sport muss in Deutschland mehr Wertigkeit haben. Wir waren mal eine Sportnation, sind das aber schon echt lange nicht mehr.