Wie Mallorca gegen zu hohe Nitratwerte im Grundwasser vorgeht

Die Balearen-Regierung weist gefährdete Gebiete neu aus. Während die Bauern strenge Restriktionen fürchten, fordert die EU mehr Entschlossenheit

Jetzige (li.) und künftige Ausweisung: Die nitratgefährdeten Gebiete auf Mallorca sollen auf der Basis neuer Daten ausgeweitet werden.

Jetzige (li.) und künftige Ausweisung: Die nitratgefährdeten Gebiete auf Mallorca sollen auf der Basis neuer Daten ausgeweitet werden. / Govern

Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Halb Mallorca ist auf der Karte rot eingefärbt. Es sind die Gebiete, in denen die Nitratkonzentration im Grundwasser über den gesetzlichen Höchstwerten liegt. Dabei wurden für diesen neuesten Entwurf des balearischen Umweltministeriums sogar noch einige Zonen herabgestuft. Dennoch: Der Großraum Palma, die Inselmitte sowie große Teile der Nordost- und der Südküste sind laut der Karte „nitratgefährdete Gebiete“ (zonas vulnerables a la contaminación por nitratos). Betroffen sind 26 der balearenweit 87 Grundwasserreservoirs. Neben den Werten in den landwirtschaftlichen Hochburgen Sa Pobla und Muro bereiten insbesondere die in der Gemeinde Manacor, im Pla de SantJordi sowie in Ariany, Petra und Son Servera Sorgen.

Ausschlaggebend für die Einstufung ist vor allem ein von der Europäischen Union vorgegebener und in den Wasserreservoirs gemessener Grenzwert von 37,5 Milligramm pro Liter. Weniger eindeutig ist dagegen die Frage des Verursachers, wie Joana Maria Garau, Generaldirektorin im balearischen Wasserwirtschaftsamt, im Gespräch mit der MZ erklärt. Stammen die Nitrate maßgeblich vom Dünger in der Landwirtschaft? Sind sie schon länger im Erdreich oder eine kurzfristige Folge des Einsatzes? Welche Rolle spielen Sickergruben auf dem Land, marode Kanalrohre und die zum Teil überlasteten Kläranlagen?

Woher kommt das Nitrat

Ich kann verstehen, dass sich die Bauern an den Pranger gestellt fühlen“, so Garau. „Es geht hier aber um eine Zustandsanalyse, die von der EU vorgeschrieben ist.“ Klar sei, dass der Düngereinsatz die Hauptursache für zu hohe Nitratwerte sei. Klar sei aber auch, dass sich die Lage deutlich gebessert habe. Die Werte in den landwirtschaftlich geprägten Gebieten zeigten, dass der Dünger heute besser dosiert und umweltschonender eingesetzt werde. Betrug die Nitratkonzentration in den Grundwasservorkommen in den Gemeinden Sa Pobla, Muro und Campos vor einigen Jahren noch zwischen 500 und 700 Milligramm pro Liter, liegen sie nun in Sa Pobla und Muro bei 160 Gramm, in Campos bei 70 Milligramm. „Wir alle sind in der Verantwortung“, stellt Garau klar – auch bei der Wasseraufbereitung, der Kanalisation und den Sickergruben gebe es Handlungsbedarf. 

Im Umweltministerium geht man davon aus, dass das neue Gesetz in Laufe des Jahres in Kraft treten wird. Dann müssen in den ausgewiesenen Gebieten neue Regeln beachtet werden, so wie es die Nitratrichtlinie der EU vorsieht. Wie diese Vorschriften konkret aussehen und was deren Nichtbeachtung zur Folge hat, darüber hat dann aber nicht das Umwelt-, sondern das balearische Landwirtschaftsministerium zu entscheiden. Denkbar ist unter anderem, Zeiträume für die Ausbringung von Düngemitteln zu begrenzen oder eine Höchstmenge festzulegen.

Blauer Brief aus Brüssel

Durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verunreinigte Gebiete sind auch bislang schon auf den Balearen ausgewiesen. Allerdings stammt diese Einstufung aus dem Jahr 2010 und wurde seitdem nicht erneuert – obwohl eigentlich eine Aktualisierung im Abstand von vier Jahren vorgesehen ist. Man arbeite bereits seit Jahren daran, meint Garau, aber die Ausweisung sei hochkomplex, der Widerstand der Agrarbranche enorm. Obwohl die Nitratwerte gesunken sind, werden jetzt deutlich mehr Gebiete als gefährdet eingestuft. Man habe früher weniger Messwerte zur Verfügung gehabt, auch die Einteilung der Wasserreservoirs war anders. 

Die Inseln stehen nicht allein da mit derlei Problemen: Ende 2021 erhielt die spanische Regierung einen blauen Brief aus Brüssel, in dem eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof angekündigt wurde. Das Land habe keine ausreichenden Maßnahmen getroffen. Für sieben Regionen, darunter auch die Balearen, müssten nitratgefährdete Gebiete überprüft und weitere ausgewiesen werden. Als Antwort auf die Klage wurde inzwischen die spanische Gesetzgebung nachgebessert. 

Die Neuausweisung auf den Balearen ist ein zähes Ringen zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsministerium. Nach Gesprächen mit den Kollegen habe man kleinere Gebiete wieder aus der Liste herausgenommen, so Garau, auf anderen habe man dagegen bestanden. Es gibt Interpretationsspielraum, da auch der Umstand eine Rolle spielt, wie viel Nitrat als verträglich angesehen wird und wie viel tatsächlich im jeweiligen Gebiet gedüngt wird. 

Das sagen die Bauern

Hier setzt die Kritik der Agrarverbände an. Sie monieren, dass auch Gebiete mit in die Liste aufgenommen worden seien, in denen die Landwirtschaft keine wichtige Rolle mehr spiele, so etwa Algaida oder Inca. Düngemittel als Ursache für hohe Nitratwerte seien nicht ausreichend belegt. Zudem ist der im Entwurf verwendete Grenzwert von 37,5 Milligramm nicht unumstritten. Die EU-Trinkwasserrichtlinie wie auch die EU-Grundwasserrichtlinie legen eine Qualitätsnorm von 50 Milligramm pro Liter fest – letztere sagt aber gleichzeitig, dass ab einem Wert von 37,5 Milligramm Gegenmaßnahmen einzuleiten seien. 

Dazu muss man wissen: Ein hoher Nitratgehalt kann Süßwasser und Meer durch die sogenannte Eutrophierung schädigen. Dabei wird ein übermäßiges Algenwachstum begünstigt, wodurch andere Leben erstickt und Fische getötet werden. Darüber hinaus ist die Entfernung von Nitrat aus Trinkwasser sehr kostspielig. Die Einhaltung der Grenzwerte bei der Aufbereitung ist speziell für Säuglinge wichtig. Wegen ihres weniger sauren Magenmilieus sind sie besonders empfindlich. 

Im balearischen Wasserwirtschaftsamt sind die Nitratwerte nur eine von mehreren Sorgen – und nicht unbedingt die größte, zumal praktisch alle EU-Regionen mit dem Problem zu kämpfen haben, so Garau. Auf Mallorca sei speziell die Versalzung von Grundwasser an der Küste in Verbindung mit der immer öfter drohenden Trockenheit ein Phänomen, das zusammen mit dem Klimawandel Kopfschmerzen bereite.