Mallorca Zeitung

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Deutschlands bekannteste Notärztin Lisa Federle über ihr Leben auf Mallorca

Corona machte aus ihr ein Medienphänomen, das sie eigentlich nie sein wollte, sagt sie. Auf Mallorca kann Lisa Federle entschleunigen und mit ihrem Nachbarn Jan Josef Liefers neue Projekte planen

Ist dankbar, dass sie auf Mallorca ihre Montur auch mal ablegen darf: Deutschlands bekannteste Notärztin Lisa Federle. | FOTO: CHRISTIAN KAUFMANN

Als Pandemie-Beauftragte ihrer Heimatstadt Tübingen machte Lisa Federle deutschlandweit Schlagzeilen. Was bisher kaum jemand wusste: Die 60-jährige Ärztin ist auch eine große Mallorca-Freundin. Das geht aus ihrer kürzlich erschienen Autobiografie „Auf krummen Wegen geradeaus“ hervor (Knaur, 20 Euro).

Bevor wir auf Mallorca zu sprechen kommen, beginnen wir mit der Aktualität, dem Omikron-Subtyp BA.5. Was wissen wir darüber? Wie viel Sorgen bereitet er Ihnen?

Im Moment würde ich mir keine Sorgen machen. Dem Herbst muss man achtsam entgegenschauen, aber dennoch sollten wir die Ruhe bewahren und nicht im Voraus schon von einem Killervirus reden. Diese Wortwahl finde ich nicht nur schwierig, man versetzt Leute damit auch permanent in Angst. Wir müssen uns gut vorbereiten, brauchen gute Strategien, Tests und Impfstoff.

Wir wissen noch nicht, ob sich die Pandemie noch einmal zuspitzt. Ist es da nicht gewagt, bereits jetzt ein Buch vorzulegen?

Die Biografie ist wahrlich nicht wegen meiner Rolle in der Corona-Krise erschienen. Die Pandemie ist im Buch nur ein Kapitel in einer Rückschau auf die vergangenen Jahrzehnte.

Seit acht Jahren kommen Sie regelmäßig auf die Insel. Was bedeutet Mallorca für Sie?

Zur Ruhe zu kommen, lesen zu können, die Natur zu genießen, bei mir zu sein. Ich habe in einem einheimischen Vorort von Palma ein Haus gefunden und konnte fernab der deutschen Hochburgen Freundschaften schließen und bestehende Bekanntschaften pflegen. Meine Nachbarn sind Jan Josef Liefers und Til Schweiger. Da sind bei manchen Grillabenden schon gute Ideen für gemeinsame Projekte entstanden, wie beispielsweise „BewegtEuch“. Ein Verein, dessen Ursprung auf der Insel liegt. Gemeinsam mit Jan Josef Liefers und Michael Antwerpes fördern und unterstützen wir mit dieser Initiative die sportliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen, die gerade durch die Pandemie gelitten hat.

Sie schreiben, die Insel sei ein Ort, „an dem ich einfach nur ich sein kann“. Warum geht das in Deutschland nicht?

Wissen Sie, mein Problem ist, dass ich nur schwer Nein sagen kann. In Tübingen gibt es ständig irgendwelche Notfälle, ich werde dauernd in Anspruch genommen, es geht da eben häufig nicht um mich, sondern um die vielen Menschen, die ich kenne und die gerne, wenn sie Probleme haben, einen Rat von mir hätten. Natürlich fühle ich mich in Tübingen nahe meiner Freunde und der Familie sehr wohl, würde auch nicht auswandern. Aber auch mal an einem Ort zu sein, an dem einen niemand kennt, das ist schon sehr schön.

Reisen kostet Sie Überwindung, Sie leiden unter Flugangst. Wie gehen Sie damit um?

Die Flugangst trat bereits vor 20, 30 Jahren das erste Mal auf. In meinem Handgepäck ist immer eine Beruhigungstablette dabei, für den Notfall. Das gibt bereits viel Sicherheit, auch wenn ich sie nicht nehme. Bis auf einmal, vor sechs Jahren, das beschreibe ich auch zu Beginn des Buches, als es auf einem gewöhnlichen Flug von Palma nach Stuttgart zu einer Notlandung am Flughafen Marseille kam. Die Tabletten zeigten ihre Wirkung, ich hatte keine Angst mehr. Und die Landung des Piloten war glücklicherweise wie aus dem Bilderbuch.

37 Mal taucht das Wort „Corona“ in Ihrem Buch auf. Wie hat dieses kleine Wörtchen Ihr Leben verändert?

Die letzten zweieinhalb Jahre waren kräftezehrend. Ich hätte nicht gedacht, dass die akute Phase der Pandemie so lange anhält. Ich habe aber während dieser Zeit immer versucht, Lösungen zu entwickeln, und das vielleicht schneller als andere. Beispielsweise habe ich früh die Testung in Altersheimen gefordert. Als von politischer Seite zunächst keine Reaktion kam, habe ich in Tübingen auf eigene Faust die älteren Menschen getestet, auch mit dem Risiko, auf den Kosten sitzen zu bleiben. Dafür bedanken sich die Leute noch heute bei mir, sagen, ich war ein Hoffnungsschimmer.

Stichwort Hoffnungsschimmer: Den gab es in Tübingen im Frühjahr 2021, als sich das Land einigelte und man bei Ihnen per Schnelltest wieder in die Kneipen konnte.

Das war nun wirklich nicht in meinem Sinne, dass daraufhin alle Welt nach Tübingen strömte. Ich habe dann auch mal im Rathaus darauf hingewiesen, dass ich jetzt keine Eventmanagerin werden möchte. Durch gezieltes Testen wollte ich überprüfen, ob sich die pandemische Lage innerhalb Tübingens kontrollieren lässt und man den Menschen wieder gewisse Freiheiten zugestehen kann. Ich glaube, hier gab es auch wichtige Erkenntnisse. Aber wenn ich daran denke, woher die Leute damals in unser Städtchen strömten, da muss ich manchmal noch mit dem Kopf schütteln.

Neben Ihrer tagtäglichen Arbeit saßen Sie dann noch zwei bis drei Mal pro Woche in Talksendungen, standen auch Zeitungen stets Rede und Antwort. Haben Sie einfach ein feines Gespür für Themensetzung oder wie erklären Sie sich dieses Medieninteresse an Ihrer Person?

Die Medien waren für mich eher eine Anlauf-stelle, wenn ich bei der Politik nicht durchkam. Sehr früh musste ich die Trägheit unseres politischen Apparats kennenlernen. Das ist in der Krise das Falscheste, was man haben kann. Noch einmal zurück auf die Testungen in den Altersheimen: Der Gesundheitsminister von Baden-Württemberg sagte mir damals, dass dies nicht nötig wäre. Ich könne ja vor das Sozialgericht ziehen, wenn ich auf den Kosten sitzen bleiben sollte. Erst dann bin ich an die Medien, und erst als sie dabei waren, kam der politische Apparat ins Laufen. Die Regierung hat die Testung in Altersheimen später auch flächendeckend umgesetzt. Auf diese Art für Ideen zu kämpfen, das hat natürlich auch Kraft gekostet. Der Antrieb war aber nie, über die Medien bekannt zu werden.

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