Beide liegen sie meist still da, beide sind sie von den Gipfeln der Tramuntana umgeben, deren Silhouette sich auf der Wasseroberfläche spiegelt. Und auch, wenn sich das Fassungsvermögen der zwei Stauseen im Gemeindegebiet Escorca deutlich unterscheidet, erscheint ihre Oberfläche gleich groß. Cúber und Gorg Blau werden fast immer in einem Atemzug genannt, auf Fotos sind sie zumindest auf den ersten Blick nur schwer auseinanderzuhalten. Und irgendwie machen sie die Bergidylle perfekt.

So sehr die beiden Stauseen zum heutigen Panorama von Mallorcas Tramuntana gehören, sind sie doch vergleichsweise jung. Vor inzwischen genau 50 Jahren wurden die embalses fertiggestellt, im April 1972 dann offiziell eingeweiht. Seitdem gelangt das Wasser vom Gorg Blau über den Cúber bis hinunter nach Palma und leistet seinen Beitrag zur Versorgung der Balearen-Hauptstadt. Dabei ging es bei der Planung der Stauseen zunächst weniger um Trinkwasser als um die Erzeugung von elektrischem Strom. Und wären die ursprünglichen Entwürfe allesamt umgesetzt worden, gäbe es heute sogar fünf mächtige Stauseen in der Tramuntana. Nicht umsonst trug das Projekt, das der Konzern Gas i Electricidad S.A in den 50er-Jahren vorlegte, den sperrigen Namen „Integrale wasserwirtschaftliche Nutzung der Gebirgskette im Norden Mallorcas“.

Wen interessieren Proteste?

Die damaligen Entwürfe hat der Geologe Josep Puig eingesehen und die Erkenntnisse zusammen mit der Historikerin Elionor Pérez in einer Studie veröffentlicht. „Die Pläne waren ein Wahnsinn, sie umfassten große Teile der Tramuntana“, so Puig. Aber das Projekt passte auch in die damalige Zeit: In der jungen Franco-Diktatur entstanden überall in Spanien Stauseen. Das Regime war ein großer Anhänger von Talsperren, die trockene Landesteile mit Wasser sowie auch Strom versorgen sollten. Ohnehin musste sich die Diktatur nicht viel um Bürgerproteste oder bürokratische Hürden scheren.

Der Bau der Staumauer am Cúber verschlang große Mengen an Zement. Im Einsatz waren an den beiden Baustellen rund tausend Arbeiter. | FOTO: TORRELLÓ

Zumindest der Gorg Blau nordöstlich des Cúber hat eine Vorgeschichte. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde hier Wasser aus Quellen und Sturzbächen über Kanalleitungen in einem natürlichen Becken gesammelt und über eine Turbine für die lokale Stromerzeugung genutzt. Eine größere Turbine versorgte schließlich auch Bewohner von Inca, Selva, Mancor und Caimari mit Energie – zumindest im Winterhalbjahr, wenn es ausreichend regnete.

Sehr viel weiter gingen dann die Pläne, die der Ingenieur Pasqual Mariano Fortuny Mitte der 50er-Jahre ausarbeitete. Das Mammut-Projekt sah eine elektrische Gesamtleistung von 18 Megawatt vor. So sollte das System Gorg-Blau-Cúber ein dritter, mehr als 400 Meter tiefer Stausee ergänzen, der „Almadrà“, benannt nach der Gegend südlich des Puig des Tossals sowie einem Sturzbach, der weiter nach Lloseta fließt.

Baugerüste aus Holz: Die Arbeiten an den Felswänden waren nicht ungefährlich. | FOTO: ARCHIV DM

Ein weiterer embalse war oberhalb der Schlucht von Biniaraix geplant. Der „l’Ofre“ sollte im Gebiet zwischen dem gleichnamigen Gipfel und dem Gran Cornador knapp 188 Hektar umfassen. Zum Vergleich: Cúber und Gorg Blau sind heute jeweils rund 60 Hektar groß. Und noch größer sollte der „Orient“ werden: Ein gar 950 Hektar großer Stausee hätte demnach die Ländereien an dem gleichnamigen Ort zwischen Bunyola und Alaró bedeckt.

Es mag damals keine schlagkräftige Umweltorganisation wie den GOB gegeben haben, aber es wurden durchaus Bedenken laut. In Biniaraix fürchtete man, im Fall eines Staudammbruchs überflutet zu werden. Intellektuelle und Wissenschaftler sprachen sich für den Landschaftsschutz aus. Dass das Projekt letztendlich abgespeckt wurde, liegt aber vorrangig an geologischen und finanziellen Gründen, wie Puig betont: Nur im Gebiet von Cúber und Gorg Blau erwies sich der Untergrund aus Kalk- und Sedimentgestein als ausreichend undurchlässig. Zusammen mit den großen Regenmengen in der Tramuntana ergaben diese beiden Projekte somit aus geografischer Sicht Sinn. Von den weiteren Stausee-Plänen dagegen wurde nach der Analyse von Gesteinsproben und Kostenkalkulationen Abstand genommen. Der spanische Ministerrat autorisierte das modifizierte Projekt schließlich im Sommer 1969.

Wasser für die Urlauber

Umgewidmet wurde das Projekt auch vor dem Hintergrund des Tourismusbooms – dringend gebraucht wurde nun Wasser statt Strom. An der Playa de Palma entstanden zahlreiche Hotels, die Einwohnerzahl der Balearen-Hauptstadt stieg deutlich, neben Calvià wurde Wasser seit dem Jahr 1961 auch in die Gemeinde Llucmajor geleitet. „Die Brunnen im Gebiet von Palma waren am Limit“, heißt es in der Studie von Puig und Pérez: Die Font de la Vila führte immer weniger Wasser, und neue Brunnen setzten den Vorkommen weiter zu.

Bevor es mit den Bauarbeiten losgehen konnte, fehlte aber noch die nötige Infrastruktur. Die heutige Tramuntana-Straße Ma-10 existierte bis zu Beginn der 1960er-Jahre praktisch nur in Form der Teilstrecken Andratx–Sóller sowie Lluc–Pollença. Weitere 17 Kilometer wurden zwischen 1956 und 1959 gebaut, von mehr als tausend Arbeitern zumeist aus dem Sóller-Tal. Mindestens genauso viele Arbeiter wurden in den folgenden Jahren für den Bau der Staudämme benötigt. Den Bedarf deckten nun auch Gastarbeiter vom Festland, die an der Straße neben dem Puig Major ihr Lager aufschlugen.

Pumpen und viel Zement

Mit die größte Herausforderung des Projekts war der Bau der Leitung, die das Wasser vom Gorg Blau zum rund drei Kilometer entfernten Cúber leitet. Die Pumpen, die das Wasser des Gorg Blau heute durch eine 522 Meter lange Röhre pressen, müssen zwischen den beiden Stauseen einen Höhenunterschied von 156 Metern überwinden. Vom Cúber aus befördert dann allein die Schwerkraft das Wasser hinunter bis in das 600 Meter tiefer gelegene Lloseta.

Die Arbeit im felsigen, steilen Gelände war nicht ungefährlich. Überliefert ist, dass Arbeiter ein Gerüst, das sie am Tag zuvor aus Holz und Eisenstangen errichtet hatten, von herabgestürzten Felsbrocken zerstört vorfanden. Und wie auch bei anderen Großprojekten der Franco-Zeit wurde wenig Rücksicht auf das Kulturerbe genommen. So bedeckt das Wasser des Gorg Blau heute zum großen Teil die Talaiot-Siedlung Almallutx. Archäologen hatten das rund 2.000 Quadratmeter große Gebiet 1969 und 1970 – kurz vor der Flutung – noch so gut es ging dokumentiert und Fundstücke gesichert.

Größere bauliche Eingriffe waren vor allem im Fall des Cúber nötig, zum einen für die Errichtung der 23 Meter hohen Staumauer, die große Mengen Zement verschlang, zum anderen aber auch zur Abdichtung des Stausees an seinen Rändern – bauliche Eingriffe, die heute einen Spaziergang auf einem Rundweg um den Cúber ermöglichen. Hier gaben sich dann auch die Vertreter der politischen Institutionen zur Einweihung am 17. April 1972 ein Stelldichein. Darunter war entgegen der Legende zwar nicht Diktator Franco, aber immerhin Infrastrukturminister Gonzalo Fernández de la Mora.

Und die Pläne zur Stromerzeugung? Sie gibt es noch immer, jetzt bei Palmas Stadtwerken Emaya, in deren Zuständigkeit die Stauseen fallen: 2014 wurde das Vorhaben bekannt, eine Wasserturbine an der Talsperre des Cúber zu errichten. Landschaftsschützer meldeten umgehend Bedenken an, auch wenn der Eingriff in die Umgebung – zumindest im Gegensatz zum Bau der Staudämme – wohl vergleichsweise gering ausfiele. Ganz vom Tisch ist das Projekt auch heute nicht. Es sei zwar nie konkretisiert oder offiziell vorgestellt worden, so eine Emaya-Sprecherin gegenüber der MZ. Letztendlich hänge ein solches Projekt aber von der Verfügbarkeit von EU-Geldern ab.

Cúber und Gorg Blau: ein Viertel von Palmas Wasserbedarf 

Auch wenn die Stauseen Cúber und Gorg Blau heutzutage als sichtbarer Gradmesser für die Ressource Wasser auf Mallorca gelten, steuern sie im Durchschnitt weniger als ein Viertel des Trinkwassers bei, das Palmas Stadtwerke Emaya bereitstellen. Ihre Bedeutung ist aber auch nicht zu unterschätzen. „Ohne die Stauseen müssten wir entsalzenes Wasser zukaufen oder die Grundwasservorkommen noch stärker ausbeuten“, so die Sprecherin von Emaya.

Derzeit sind Cúber und Gorg Blau zu knapp 78 Prozent gefüllt. Beide Stauseen sind jeweils knapp 60 Hektar groß. Der deutlich tiefere Gorg Blau – maximal 35 Meter – kann aber mit einem Fassungsvermögen von sieben Millionen Kubikmetern rund 50 Prozent mehr Wasser speichern. Schwimmen ist in den Stauseen übrigens verboten.

Balearenweit liegen die Wasserressourcen nach einem recht trockenen Januar bei 62 Prozent. In einigen Regionen gilt weiter eine Vorwarnstufe wegen Trockenheit. 

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