Die Plaça Gomila, Herzstück des Viertels El Terreno im Westen von Palma, war schon fast alles: Kinderspielplatz, Einkaufsmeile, Treffpunkt des internationalen Jetsets. Als Mitte der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts der Niedergang der Gegend begann, blieben nur ein paar Diskotheken zurück, in denen sich vor allem junge Leute mit viel Alkohol ins Wochenendvergnügen stürzten. Aber auch diese Zeiten könnten bald vorbei sein. Alteingesessene palmesanos erkennen den Platz bereits jetzt kaum noch wieder.

Die Familie Fluxà, der unter anderem die Schuhmarke Camper gehört, investiert in den Umbau der Gegend und sicherte sich dafür die Zusammenarbeit mit dem mallorquinischen Architekturstudio GRAS von Guillermo Reynés, das wiederum für das Projekt mit dem weltbekannten niederländischen Architekten des Büros MVRDV kooperiert. Die Holländer haben zahlreiche moderne Bauten in Metropolen wie Shanghai, Amsterdam, Hongkong, Seoul oder New York geplant.

Die Avinguda Joan Miró auf Höhe des blauen Wohnkomplexes Fabri-Casas. GRAS + MVRDV

Das sind die Pläne

Lange Zeit war den Initiatoren viel daran gelegen, dass die konkreten Pläne nicht nach außen dringen. Inzwischen ist die Metamorphose des Stadtteils allerdings so sichtbar, dass das Architekturbüro GRAS Ende vergangener Woche an die Öffentlichkeit ging. Um es vorwegzunehmen: Das, was da gerade entsteht, hat das Zeug zu einer Revolution im Viertel. Seit Monaten wird eifrig gewerkelt, fünf der insgesamt sieben Gebäude, die entstehen sollen, befinden sich bereits im Bau oder werden saniert.

Drei komplette Neubauten und vier komplett sanierte Bestandsimmobilien mit insgesamt 60 Wohneinheiten – von Ein-Zimmer-Apartments bis zu Drei-Zimmer-Wohnungen werden in Zukunft das neue Gomila bilden. Und es gibt ein Alleinstellungsmerkmal. Jedes Gebäude bekommt eine charakteristische Farbe: Grün, Blau, Rot, Gelb, Weiß, Orange. Auch die Materialien unterscheiden sich von Bau zu Bau, ebenso wie die Form, die sich am Straßenverlauf orientiert. Neben Wohnungen sind weitere Nutzungen vorgesehen, wie etwa Räumlichkeiten für Büros, Restaurants, Einzelhandel, Schwimmbäder oder auch ein Fitnessstudio, das den Bewohnern der neuen Gebäude offenstehen wird.

Die alte Plaça Gomila war ein wichtiges Geschäftszentrum in Palma. GRAS + MVRDV

In der ersten Bauphase, in der sich das Projekt gerade befindet, wird das sogenannte Gomila Center (weiß) renoviert – ein Bau, der aus dem Jahr 1979 stammt und laut Aussagen des Architekten Guillermo Reynés im August fertiggestellt sein wird. Gleichzeitig entsteht das Haus „Fabri-Casas“, ein Konstrukt aus Wohnungen an der Ecke Avinguda Joan Miró/Carrer Robert Graves, das eine Fassade aus blauen Fliesen bekommen hat, die aus der Produktion der mallorquinischen Firma Huguet stammen. Das Dach hat die Form einer Säge.

Ebenfalls in Bau befindet sich bereits ein Wohnkomplex mit dem Namen „Las Casitas“, dessen Fassade bereits jetzt in einem auffälligen Rot strahlt. „Fabri-Casas“ und „Las Casitas“ sollen bereits im Mai komplett fertig sein, das grüne Gebäude „La Plaza“ im Juli. Hier sollen überwiegend Büroräume untergebracht werden. Ein weiteres Wohngebäude mit besonders nachhaltigen Technologien wird ebenfalls derzeit errichtet. In einer zweiten Bauphase werden noch zwei Gebäude, die bereits existieren, renoviert: ein kleines ans Gomila Center anschließendes Haus sowie der Wohnkomplex „Virginia“ (gelb), der einen großen Garten mit Pool im Innenhof bekommen wird. Noch keine Informationen gibt es von Seiten der Initiatoren, ob die Wohnungen vermietet oder verkauft werden.

Die Plaça Gomila und die angrenzenden Straßen vor den Bauarbeiten von oben. GRAS + MVRDV

So reagiert man bei der Stadt

Im Rathaus von Palma ist man erfreut darüber, dass ein Schandfleck an einem strategisch wichtigen Punkt der Stadt endlich beseitigt wird. Baudezernent Joan Riera begrüßt den „mutigen Eingriff“. „Es ist schon eine sehr moderne Architektur, aber das kann der Gegend dabei helfen, wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken“, sagt Riera der MZ. Der Baudezernent erwartet sich von der Umgestaltung des Platzes eine deutliche Aufwertung.

Dazu trägt auch die Stadtverwaltung mit ihren zu einem beträchtlichen Teil mit EU-Geldern finanzierten Vorhaben bei. So wurde beispielsweise die ehemalige Diskothek Zhivago bereits abgerissen. An deren Stelle soll ein öffentliches Gebäude entstehen, dessen Nutzung noch nicht näher festgelegt ist. Zusätzlich schreiten die Bauarbeiten für das neue Schwimmbad auf dem Grundstück des altehrwürdigen Bades S’Aigua Dolça voran. „Wir hoffen, dass die Arbeiten in gut einem Jahr abgeschlossen sein werden“, sagt Riera.

Und auch die vier geplanten direkten Verbindungen zwischen dem Paseo Marítimo und der Avinguda Joan Miró nehmen Gestalt an. Anfang März ließ die Hotelkette Meliá ein Gebäude neben der ehemaligen Diskothek Tito’s abreißen. Hier soll eine breite Verbindung zwischen den beiden Straßen für Fußgänger entstehen. Auch Aufzüge sind geplant. Auf Kritik der Anwohner, die der Stadtverwaltung vorwerfen, sich in El Terreno zu wenig einzubringen, entgegnet Riera: „Wir würden ja gern noch mehr machen, aber die bürokratischen Mühlen mahlen langsam. Auch Fragen wie die Finanzierung müssen zuerst geklärt werden.“ Ein wenig Sorgen macht Riera die Bewohnerstruktur. „Ich hoffe, dass viele der Wohnungen zur Miete angeboten werden, die dann auch Einheimische anziehen oder Ausländer, die auf Mallorca arbeiten, sei es in Präsenz oder per Remote im Homeoffice.“

Der Wohnkomplex "Las Casitas". GRAS + MVRDV

Das sagen die Anwohner

Die Umgestaltung von Gomila wird im Viertel rege diskutiert. In der Facebook-Gruppe der Nachbarschaftsvereinigung schreibt ein Anwohner zu den farbigen Neubauten: „Es ist eine Schande, und dann heißt es noch, die Gegend soll aufgewertet werden. Wir brauchen kleine Geschäfte für das Viertel, kein Port Adriano ohne Yachten. Die Farben tun in den Augen weh.“ Und eine andere Anwohnerin bemerkt: „Jammerschade, dass man so etwas Fürchterliches durchgehen lässt, etwas, das alles andere macht, als den Stil unseres Viertels zu erhalten.“

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Die Nachbarschaftsvereinigung El Terreno steht dennoch prinzipiell hinter dem Projekt. Bereits der frühere Präsident Xavier Abraham sagte in Anspielung auf eine drohende Gentrifizierung: „Wir können nicht gegen den Strom schwimmen. Die Sanierung war unvermeidlich.“ Viele Anwohner seien aufgrund der immer weiter verfallenden Gebäude bereits weggezogen. Die neue Präsidentin der Anwohnervereinigung Teresa Alonso äußert sich da zwar schon zurückhaltender: „Zunächst einmal werden ein Haufen neue Wohnungen auf den Markt gebracht, und es scheint mir, die Nutzung ist nicht primär für Leute aus dem Viertel vorgesehen, sondern eher touristisch oder als Zweitwohnsitz.“ Generell aber begrüßt auch sie Investitionen in den Stadtteil. „Vor allem, wenn sie dazu dienen, die unhaltbaren Zustände nachts und am Wochenende für die Anwohner zu lindern, die teilweise kaum ein Auge zumachen konnten aufgrund der Partygänger.“