Mallorca Zeitung

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Reiseleiter Sigurd I. auf Kreuzfahrt: Was der Norweger-König seinen Landsleuten im Meer vor Mallorca bot

Eine gute Piraten-Show sollte die Passagiere bei Laune halten. Teil 5 der humorvollen Serie „Seltsame Touris“

Heutige Kreuzfahrten können der Route der Norweger kaum das Wasser reichen. DM

Große Mittelmeer-Kreuzfahrt“. So wirbt ein Reisebüro für eine achttägige Route, die in Barcelona beginnt, über Palma führt, weiter geht nach Neapel, Rom und Marseille, und zurück. Kostenpunkt: rund 600 Euro.

Wenn das schon eine „große Kreuzfahrt“ sein soll, bräuchte ein Werbefachmann viel Fantasie, um die Fahrt zu beschreiben, die König Sigurd I. von Norwegen (1090–1130) unternahm. Seine Route: Oslo, England, Normandie, Galicien, Lissabon, Formentera, Ibiza, Menorca (Mallorca wurde übersprungen), Sizilien, Jerusalem, Zypern, Griechenland und Konstantinopel. Dann ging es auf dem Landweg weiter über Bulgarien, Ungarn, die Schweiz, Dänemark und Oslo. Wie lange das gedauert hat? Drei Jahre. Abfahrt: 1 108, Rückkehr: 1 1 1 1. Der Preis? Ein Schnäppchen. Offenbar war die Kreuzfahrt kostenlos. Außerdem nahmen einige der Reisenden beträchtliche Prämien mit nach Hause. Andere kehrten hingegen nie zurück.

Ruderbänke stählten sie härter als Schwarzenegger

Was die Kreuzfahrt betrifft, nun ja – der Veranstalter nannte sie einen Kreuzzug. Die phonetische Ähnlichkeit der beiden Namen deutet jedoch darauf hin, dass es sich um dasselbe handelt, wenn auch um eine tausend Jahre ältere Variante. Um fortzufahren: Die Reise war angenehm und etwas fade, bis die Norweger Galicien erreichten. Wahrscheinliche Programmpunkte dort: sich ausschweifend an Meeresfrüchten gütlich tun und sich Santiago de Compostela anschauen. Weiter im Süden war dann mehr Action angesagt. Insbesondere, weil die Muslime dort die Häfen kontrollierten und es den Christen, die nach Jerusalem wollten, um gegen andere Mohammedaner zu kämpfen, nicht leicht machen wollten.

Die sechzig Schiffe hatten jeweils etwa hundert Kreuzfahrtpassagiere an Bord – nichts im Vergleich zu den heutigen Megaschiffen mit fünftausend Reisenden. Aus Platzgründen verfügten die Norweger weder über einen Swimmingpool noch über einen Partyraum. Aber sie hatten so etwas wie eine Turnhalle. Nämlich Ruderbänke, die sie härter stählten als Arnold Schwarzenegger. Sie kamen nicht in den Genuss von Wassergymnastik, aber fanden vielerorts beim Kampf gegen die Einheimischen Zerstreuung. Risiko- oder Abenteuersport würden wir das wohl heute nennen.

Piraten-Spektakel auf Formentera

So kam der Frühling des Jahres 1109. Bei der Ankunft auf Formentera erwartete die Kreuzfahrer – pardon, der Werbejargon hat abgefärbt – eines ihrer aufregendsten Reiseerlebnisse. Sigurd, der Reiseleiter, hat seine Sache gut gemacht. Auf der kleinsten Insel der Pityusen verschanzte sich eine Piratenbande, die einen Schatz hütete. Er lag sicher in einer Höhle 75 Meter über dem Meeresspiegel in den Klippen von Sa Mola.

Der König beschloss, ein großes Spektakel zu organisieren, um die Gäste zu unterhalten. Er nutzte einen Strand, wahrscheinlich einen FKK-Strand, um mit einem seiner Boote anzulegen. Dann befahl er, Bäume zu fällen, die er als rollende Elemente verwendete. Auf diese Weise schob er das Boot bis zum höchsten Punkt der Insel. Mithilfe von Seilen ließ er das Schiff dann auf die Höhle der muslimischen Filibuster herab. Dort zündete er es an. Durch die Hitze und den Rauch waren die Freibeuter gezwungen, den Unterschlupf zu verlassen. Draußen wurden sie, wie es zu jener Zeit Brauch war, zum Vergnügen der Reisenden massakriert. Seitdem ist der Ort unter dem Namen Cova des Fum („Rauchhöhle“) bekannt.

Die Legende vom Schatz

Die Kreuzfahrer machten dabei zudem noch fette Beute. Von Generation zu Generation wurde auf den Pityusen die Legende weitergegeben, dass der Schatz noch immer auf Ibiza oder Formentera versteckt ist. Experten gehen jedoch vernünftigerweise davon aus, dass Gold und Silber bis nach Norwegen gelangten. Schließlich würde auch kein heutiger Touri seinen mexikanischen Sombrero oder die Figur einer Flamencotänzerin, die er als Souvenir von Mallorca gekauft hat, im Hotelzimmer liegen lassen.

Das Piratenspektakel ist eine der Episoden, die in den von Snorri Sturluson im 13. Jahrhundert gesammelten Sagen der nordischen Könige am detailliertesten geschildert wird. Die seltsamen Touris, blond und blauäugig, wie es sich für ein nordisches Volk gehört, besuchten auch Ibiza und Menorca. Auf beiden Inseln sorgten sie für Angst und Schrecken, aber der Animateur musste allmählich mit neuen Ideen aufwarten, die Geschichte wurde langsam langweilig. An Mallorca sind sie vorbeigefahren. Offensichtlich hatte sich bei den Einheimischen bereits eine Tourismusphobie breitgemacht. Gründe hatten sie wahrlich genug.

Ganz ehrlich: All die Reisebüros, die für „fantastische Seereisen“ auf „Traumschiffen“ mit „wunderbaren Shows an Bord“ werben, können der von Sigurd I. organisierten Kreuzfahrt wohl kaum das Wasser reichen.

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