Ein Literaturfestival in Magaluf klingt so exotisch wie eine Operngala am Ballermann. Doch der Erfolg gibt der Idee recht: Mehr als 3.000 Menschen besuchten 2021 die erste Ausgabe des „Festival Literatura Expandida a Magaluf“ (FLEM) in der britischen Paryhochburg im Südwesten von Mallorca.

Die Initiative kam von der Buchhandlung Rata Corner in Palma, die das Event gemeinsam mit dem Hotel Innside by Meliá organisiert und vom Rathaus in Calvià unterstützt wird. „Wir fanden es wichtig, aus den Buchhandlungen und anderen gängigen Orten für solche Events herauszutreten“, sagt Festivalleiter Miquel Ferrer. Die zwei Hauptziele des Festivals von Rata Corner: Literatur einem neuen Publikum näherzubringen und das Potenzial der Kultur auszuloten, unsere Wahrnehmung und etwas in der Gesellschaft zu verändern. „Magaluf war für beides die ideale Bühne: ein Ort voller Widersprüche.

Internationale Autoren

In direkter Nähe zum Meer bekommt die Beschäftigung mit Büchern durchaus etwas Lässiges und Kurzweiliges. „Im ersten Jahr kamen Leute, die sonst eher nicht in Bibliotheken oder Theater gehen würden, und sie hatten Spaß“, sagt Ferrer. Ein Großteil der Besucher waren Mallorquiner. Für die diesjährige Ausgabe vom 30. September bis 2. Oktober erwartet Ferrer auch Zuhörer vom spanischen Festland, die extra wegen des Festivals nach Magaluf kommen wollen.

Stargast 2021 war der schottische Schriftsteller Irvine Welsh. Diesmal sind unter den rund 30 Gästen drei internationale Schriftsteller mit an Bord: Chuck Palahniuk, Bestsellerautor von „Fight Club“ (mit seinem neuen Buch „Consider This: Moments in My Writing Life after Which Everything Was Different“), die Pulitzer-Preis-Finalistin Elif Batuman („Either/Or“) und die beliebte britische Kolumnistin Caitlin Moran („How To Be a Woman“ / „More Than a Woman“). Aber auch viele lokale Talente kommen nach Magaluf, etwa der mallorquinische Autor Sebastià Portell. Oder die Musiker Joan Miquel Oliver von Antònia Font und Miquel Serra, die beide auch schriftstellerisch aktiv sind und Einblicke in ihren Kreativprozess geben werden.

Nicht nur etwas für Hipster

Das Programm ist insgesamt sehr heterogen. „Die Idee ist zu zeigen, dass Literatur über Romane und Bücher generell hinausreicht, deshalb haben wir auch Musiker, Journalisten und Künstler dabei“, so Ferrer. Das angestrebte Flair ist dabei jenes eines Musikfestivals, das viele Möglichkeiten bietet: Man kann auf ein Konzert von Luis Albert Segura, Renaldo & Clara, Maria Jaume oder Paco Moreno vorbeischauen, einen Happen essen oder den Schmöker von seinem Lieblingsautor signieren lassen. Den Kunst-Part decken Nívola Uyá, Casa Planas und Carles GOD ab. Statt auf der Dachterrasse des Hotels finden die Events nun auf der Plaza Momentum unterhalb des Pools statt, denn dort haben mehr Zuhörer Platz.

„Wir wollen nicht snobistisch sein und nur Bücher für Hochgebildete und sehr Belesene präsentieren“, sagt der Festivalleiter. Doch obwohl das FLEM frisch, cool und innovativ daherkommen will, richtet es sich bei Weitem nicht nur an junge Hipster: Eingeladen sind sowohl neue Talente als auch Autoren mit großem Renommee, die viele Fans höherer Semester haben – so soll sich bei den Inhalten jeder angesprochen fühlen. Anna Freixas, Psychologin und pensionierte Hochschullehrerin, spricht etwa über Themen wie Gesundheit und Feminismus bei älteren Menschen.

Der Clou: Beim Festival treffen beide Seiten direkt aufeinander. Die vielfach preisgekrönte Schriftstellerin und Literaturkritikerin Marta Sanz (Madrid, 1967) hält nicht nur eine Lesung, sondern begegnet dazu in einer Gesprächsrunde der Autorin Meryem El Mehdati (Rabat, 1991), die gerade ihren ersten Roman veröffentlicht hat. „Wer wegen Marta Sanz kommt, wird von Meryem El Mehdati überrascht werden. Und junge Leute, die El Mehdati aus den sozialen Netzwerken kennen, entdecken bei der Gelegenheit Marta Sanz“, erklärt Ferrer. Verschiedene Zielgruppen werden in einem Event zusammengeführt und erweitern beide ihren Horizont, so der Plan.

Sich treiben lassen und ganz offen neue literarische Stimmen entdecken sollen aber nicht nur die Besucher, sondern auch die Künstler. Viele Autoren haben kein neues Buch dabei, das sie vorstellen werden, sondern sollen sich untereinander kennenlernen und gemeinsam neue Blickwinkel eröffnen. Statt normalen Lesungs-Terminen im Tournee-Kalender entstünden beim FLEM besondere Momente, die sich in dieser Form nicht wiederholen werden, so Ferrer.

Führung durch den Sündenpfuhl

Als wäre das literarische Allerlei noch nicht bunt genug, ist dazu noch ein unterhaltsames Rahmenprogramm geboten: Wer gern zu Fuß unterwegs ist und den Ort jenseits der Punta Ballena entdecken will, kann sich einer geführten spanisch-englischen Besichtigung mit den Historikern und Magaluf-Experten Tomeu Canyelles und Biel Vives anschließen – oder ihrem „Guía sonora de Magaluf“ lauschen, einer Zusammenstellung von Songs, die das Bild des Ortes seit Beginn des Tourismusbooms prägen sollten.

Nil Marqués wird indes ein Hotelzimmer in ein Tattoostudio verwandeln: Wer will, kann sich dort zum Beispiel ein Romanzitat oder ein Liebesbekenntnis an Oscar Wilde stechen lassen. Außerdem gibt es eine Katamaran-Tour entlang der Küste mit „Cançons de la Mar“ von der Musikerin Mar Grimalt. „Magaluf ist eben der typische Ort, wo man sich tätowieren lässt oder eine Bootstour macht“, sagt Ferrer. Magaluf-Klassiker bekommen beim FLEM einen ganz neuen Twist.

Weiter Infos und Anmeldung zu den kostenlosen Events unter literaturaexpandida.com.