Aussage gegen Aussage: Was bei der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung im Juli 2023 geschehen sein soll

"Bild-Zeitung" veröffentlicht Details der Anschuldigungen der deutsche Urlauberin, Angehörige der Beschuldigten widersprechen. Klärung kann wohl erst ein Gerichtsprozess bringen - der aber lässt auf sich warten

Polizisten begleiten im Juli 2023 einen der beschuldigten deutschen Urlauber.

DM

Ciro Krauthausen

Ciro Krauthausen

Gruppenvergewaltigung oder einvernehmlicher Gruppensex? In dem Fall der vier deutschen Urlauber, die im Juli 2023 eine 18-Jährige aus Hannover gemeinsam sexuell genötigt haben sollen, wird eines Tages ein Gericht auf Schuld oder Unschuld entscheiden müssen. Über einen Bericht in der "Bild-Zeitung" sind jetzt erstmals Details der Darstellung der Frau bekannt geworden. Angehörige der Beschuldigten haben sich deswegen zu einer schriftlichen Stellungnahme entschlossen, die der MZ vorliegt. Es steht Aussage gegen Aussage.

Die vier Männer aus Lüdenscheid sitzen seit dem 15. Juli vergangenen Jahres in Palma in Untersuchungshaft. Sie bestreiten die Vorwürfe. Das Ermittlungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Deutsche Urlauber wegen Gruppenvergewaltigung festgenommen - das Polizeivideo

Policia Nacional

Die Version des mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers

Die von der "Bild-Zeitung" in einem "Protokoll" wiedergegebene Schilderung der außer Kontrolle geratenen Partynacht, setzt am Abend des 12. Juli an. Die damals 18-Jährige und eine Freundin lernten die Lüdenscheider, alle Anfang 20, im Megapark an der Playa de Palma kennen. Die junge Frau und einer der Männer kamen sich näher und hatten, wie bereits bekannt, noch vor Mitternacht einvernehmlichen Sex am Strand.

Danach suchten beide das Hotel des Mannes auf, wurden aber an der Rezeption abgewiesen, weil die Frau dort kein Gast war. Die beiden zogen daraufhin weiter in das Hotel, in dem die Freunde des Mannes untergebracht waren. Dort hatten die beiden erneut Sex. Dann jedoch seien die Freunde aufgewacht und hätten sie ein erstes Mal vergewaltigt, heißt es in der "Bild-Zeitung". "Aus Angst hätte sie sich nicht gewehrt", kolportiert das Blatt.

Die von den deutschen Urlaubern, die einer Vergewaltigung beschuldigt werden, bewohnten Zimmer.

Die von den deutschen Urlaubern, die einer Vergewaltigung beschuldigt werden, bewohnten Zimmer. / Privat

Danach sollen alle Beteiligte auf dem Balkon des Hotelzimmers eine Zigarette geraucht haben. Die Frau habe gehen wollen, "doch ihre Peiniger ließen das nicht zu", so die "Bild-Zeitung". In der Folge sei die 18-Jährige erneut, unter anderem auf der Toilette, von den Männern missbraucht und dabei mit einem Handy gefilmt worden.

Einer der Beschuldigten habe sie dann gegen 3.15 Uhr zurück in ihr Hotel begleitet und sie auf dem Weg erneut zu Sex gedrängt. Im Hotel erzählte die Frau ihrer Freundin, was geschehen sei. Die Polizei nahm die Männer noch in der Nacht in Gewahrsam. Zwei Tage später kamen sie in Untersuchungshaft. Der zuständige Ermittlungsrichter hielt die Aussage der Frau zwar für widersprüchlich, aber glaubhaft.

Beamte der Nationalpolizei betreten am Freitag (14.7.) das Hotel Occidental an der Playa de Palma zur Spurensicherung.

Beamte der Nationalpolizei betreten am 14.7.2023 das Hotel an der Playa de Palma zur Spurensicherung. / B. Ramon

Die Version der mutmaßliche Vergewaltiger

Die Beschuldigten bestreiten diese Darstellung. "Die sexuellen Beziehungen fanden im Hotel und mit der vollen Zustimmung und Beteiligung der Frau in einer entspannten Atmosphäre unter den im Zimmer befindlichen Personen statt", heißt es in der schriftlichen Stellungnahme. Die Frau habe mit den jungen Männern auf dem Balkon eine Zigarette geraucht, mit ihnen über den Urlaub gesprochen und danach wieder "mit einigen von ihnen" einvernehmlichen Sex gehabt. Sie habe den Beschuldigten in keinem Moment gesagt, dass sie nicht auf dem Zimmer bleiben wolle.

Verwiesen wird in der Gegendarstellung zudem darauf, dass die Frau über ein Mobiltelefon mit ihren Freundinnen in Verbindung stand. Nach dem Geschlechtsverkehr hätten sich alle angezogen und gemeinsam das Zimmer verlassen. "Noch während die Jungen mit der Rezeptionistin des Hotels sprachen, wartete die Frau auf sie, sie verabschiedeten sich und einer der Jungen bot ihr an, sie zu ihrem Hotel zu begleiten."

Auch Handyvideo schafft keine Klarheit

"In meinen Augen ist die Schuld der vier Männer nicht bewiesen", sagte auch Christian Isselhorst, ein deutscher Anwalt der Beschuldigten, gegenüber der "Westfalenpost". "Es ist auch nicht so, dass man aufgrund des Handyvideos Klarheit hätte". Wahrscheinlich werde sich die Angelegenheit erst im Rahmen einer gerichtlichen Aufarbeitung klären. "Wir sind der Meinung, dass es Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Verteidigung gibt, die Lage ist nicht aussichtslos.“

Von den ursprünglich fünf Beschuldigten, die nun von einem deutsch-spanischen Anwaltsteam verteidigt werden, war einer am 15.9. unter Auflagen entlassen worden. Er konnte glaubhaft machen, dass er nicht am Sex mit der jungen Frau beteiligt war, ist aber weiterhin beschuldigt.

Einer Gruppenvergewaltigung beschuldigt: Die deutschen Urlauber bei der Haftvorführung am Samstag (15.7.)

Einer Gruppenvergewaltigung beschuldigt: Die deutschen Urlauber bei der Haftvorführung am Samstag (15.7.) / Enrique Calvo

Seither sind bereits mehrere Anträge auf Freilassung aus der Untersuchungshaft der verbliebenen vier Beschuldigten abgelehnt worden. Auch die Überstellung des Verfahrens nach Deutschland, wo die Staatsanwaltschaft Hagen Ermittlungen aufgenommen hat, hat die spanische Justiz verweigert.

Noch kein Prozess in Sicht

Wann es zu einem Prozess kommt, in dem die sich widersprechenden Aussagen der Frau und der Beschuldigten gegenübergestellt werden, ist ungewiss. Die Ermittlungsphase kann in Spaniens Prozessordnung ein Jahr dauern, dann aber auf Antrag unbegrenzt um jeweils sechs Monate verlängert werden.

Die Untersuchungshaft kann bei schweren Straftaten bis zu zwei Jahren, manchmal sogar bis zu vier Jahre aufrechterhalten werden. Bei einer Verurteilung drohen den Beschuldigten Haftstrafen von über zehn Jahren.

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