Mutmaßliche Gruppenvergewaltigung: Eine junge Frau, eine Freundesgruppe und eine Partynacht, die außer Kontrolle geriet

Vier deutsche Urlauber sind beschuldigt, gemeinsam eine deutsche Urlauberin vergewaltigt zu haben. Doch diese Nacht wirft viele Fragen auf

Drei der einer Gruppenvergewaltigung beschuldigten Deutschen bei ihrer Vorladung vor Gericht am 15.7.

Drei der einer Gruppenvergewaltigung beschuldigten Deutschen bei ihrer Vorladung vor Gericht am 15.7. / Miquel À. Borràs/PIM

Ciro Krauthausen

Ciro Krauthausen

Eine Partynacht am Ballermann, die fürchterlich außer Kontrolle geriet und in der die Grenzen zwischen einvernehmlichem Sex und sexueller Nötigung verschwammen. Die MZ rekonstruiert mit Informationen aus Justiz- und Ermittlerkreisen, was in der Nacht von Mittwoch und Donnerstag (13.7.) an der Playa de Palma zwischen einer Freundesgruppe aus Deutschland und einer praktisch gleichaltrigen Urlauberin aus Hannover geschah. Ein Ermittlungsrichter in Palma nahm fünf der Männer am 15. Juli in Untersuchungshaft, ein sechster kam ohne Auflagen frei. Mitte September entließ dann das Landgericht Palma einen der fünf Männer gegen Hinterlegung einer Kaution von 10.000 Euro aus der U-Haft.

Vor Gericht sagten die Männer laut MZ-Informationen, sie kämen aus Dortmund. Aufgewachsen sind sie laut Recherchen deutscher Medien in Lüdenscheid im Märkischen Kreis.

Das Unglück, das sechs Menschen voraussichtlich für ihr Leben zeichnen wird, nahm in einem der Vergnügungslokale am Ballermann seinen Lauf. Eine junge Frau aus Hannover, die mit Freundinnen unterwegs ist, lernt dort in der Nacht auf Donnerstag einen jungen Mann kennen, der mit seiner Freundesgruppe seit wenigen Tagen auf Mallorca Urlaub macht. Der Mann und die Frau feiern mit viel Alkohol, bandeln miteinander an, haben schließlich einvernehmlich Sex am Strand. Sie ist 18, die Männer sind zwischen 21 und 23 Jahre alt.

Danach zieht das Paar weiter in das Hotel des jungen Mannes, wo die Frau jedoch nicht auf das Zimmer des Mannes gelassen wird. Die beiden wechseln in das nahe gelegene Hotel, in dem die Freunde untergebracht sind, haben dort noch einmal Sex.

Die Partynacht gerät außer Kontrolle

Ab diesem Moment beginnt die Partynacht außer Kontrolle zu geraten. Was von nun an genau geschieht, ist nur schwer zu rekonstruieren und wird die Gerichte sicherlich noch jahrelang beschäftigen.

Auf dem Zimmer tauchen die Freunde des jungen Mannes auf. Einer legt sich auf ein Sofa und schläft ein, die anderen wollen auch Sex. Die Frau willigt zunächst in den Gruppensex ein.

Doch dann besinnt sie sich eines Besseren. Sie sagt es nicht, wie sie später bei ihrer Vernehmung vor dem Ermittlungrichter berichten wird, doch sie will es nicht. Womöglich ergreift sie auch eine Art Schockstarre, in der sie sich nicht wehrt, wie in anderen Fällen, bei denen Frauen sich von mehreren Männern umringt sehen.

Einer der Männer filmt etwas mit seinem Handy.

Ein Balkon in dem Hotel an der Playa de Palma, in dem die Gruppenverwaltigung stattgefunden haben soll.

Ein Balkon in dem Hotel an der Playa de Palma, in dem die Gruppenvergewaltigung stattgefunden haben soll. / B. Ramon

Einer der Beschuldigten begleitet die Frau zurück in ihr Hotel

Die Frau flüchtet sich danach ins Badezimmer. Offenbar kommt jetzt auch einer der jungen Männer zur Besinnung. Er versucht die Frau zu beruhigen und begleitet sie in etwa zehn Minuten zu dem Hotel, in dem sie und ihre Freundinnen untergebracht ist.

Mitarbeiter der Rezeption dieses Hotels alarmieren die Nationalpolizei. Die Beamten nehmen die Anzeige der Frau noch in derselben Nacht auf, eine Freundin übersetzt für sie. Von hier an greift das für Vergewaltigungsfälle vorgesehene Protokoll: Die Frau wird im Krankenhaus auf Spuren von sexueller Nötigung untersucht.

Am Donnerstag nimmt die Nationalpolizei zunächst fünf, dann einen sechsten der jungen Männer fest. Nach zwei Nächten auf dem Polizeirevier kommen sie am Samstag (15.7.) vor den Ermittlungsrichter. Es ist derselbe, der sich vor gut einem Jahr schon einmal mit einer anderen deutschen Urlaubergruppe befasst hatte, den sogenannten Kegelbrüdern, denen schwere Brandstiftung vorgeworfen wurde.

Das sagten die Frau und die Beschuldigten vor dem Ermittlungsrichter aus

Zunächst sagt die junge Frau aus. Sie räumt ein, dass der Sex anfangs einvernehmlich war. Welcher Mann welche Rolle beim anschließenden Gruppensex spielte, kann sie nicht eindeutig sagen. Danach sagen die jungen Männer aus, sie bestreiten eine Vergewaltigung, sprechen von einvernehmlichem Sex. Auch auf dem von der Nationalpolizei sichergestellten Video ist offenbar nicht deutlich zu erkennen, was genau vorgefallen ist.

Der Ermittlungsrichter lässt einen Mann frei, der offenbar gar nicht am Geschehen beteiligt war. Der junge Mann, mit dem die Frau am Strand und im Hotel einvernehmlichen Sex hatte, und vier seinen Freunde verbleiben in Untersuchungshaft. Einer von ihnen kommt Mitte September frei, nachdem er vor dem Landgericht glaubhaft machen konnte, dass er nicht am Sex beteiligt war.

Die Untersuchungshaft kann in Spanien Monate, sogar Jahren aufrechterhalten werden. Sollten die beschuldigten Männer eines Tages für eine Gruppenvergewaltigung verurteilt werden, drohen ihnen über zehn Jahre Haft.

Deutsche Urlauber wegen Gruppenvergewaltigung festgenommen - das Polizeivideo

Policia Nacional

Warum in Spanien von einem "deutschen Rudel" die Rede ist

In spanischen Medien ist in den Schlagzeilen über den Fall von "la manada alemana" von einem "deutschen Rudel" die Rede. Der Fall weist Parallelen zu einer Gruppenvergewaltigung im Jahr 2016 auf, bei der eine Gruppe von Männern, die sich selbst "La Manada" (Das Rudel) nannte, im spanischen Pamplona die gemeinsame sexuelle Nötigung einer 18-Jährigen filmte. Die juristische Aufarbeitung der Vergewaltigung in Pamplona, die erstinstanzlich nur milde geahndet wurde, mündete schließlich in einem umstrittenen, mittlerweile revidierten neuen Sexualstrafrecht.

In deutschen Medien ist bei der Beschreibung der in Palma der Gruppenvergewaltigung Beschuldigten verschiedentlich von Deutschen "mit Migrationshintergrund" die Rede. Der vermutete, und nach MZ-Informationen ohnehin nur bedingt zutreffende Migrationshintergrund ist jedoch für die Einordnung einer mutmaßlichen Straftat irrelevant.

Dieser Artikel ist mehrfach mit aktuellen Informationen vervollständigt worden. In vorherigen Meldungen war bei dem mutmaßlichen Vergewaltigungsopfer von einer 20-Jährigen die Rede. Richtig ist: Es handelt sich um eine 18-Jährige.