Was wir über die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung an der Playa de Palma wissen - und was nicht

Fünf deutsche Urlauber sind beschuldigt, Mitte Juli an der Playa de Palma eine junge Frau vergewaltigt zu haben. Was wir derzeit über den Fall wissen - und was nicht (Stand 16.9.)

Einer Gruppenvergewaltigung beschuldigt: Die deutschen Urlauber bei ihrer Haftvorführung .

Einer Gruppenvergewaltigung beschuldigt: Die deutschen Urlauber bei ihrer Haftvorführung . / Enrique Calvo

Ciro Krauthausen

Ciro Krauthausen

Auf Mallorca befinden sich seit dem 15. Juli vier junge Männer aus Deutschland in Untersuchungshaft, weil sie in der Nacht auf den 13. Juli in einem Hotel an der Playa de Palma eine 18-jährige Deutsche vergewaltigt haben sollen. Sie bestreiten das und sprechen von einvernehmlichem Sex. Ein fünfter Beschuldigter kam am Freitag gegen Hinterlegung einer Kaution von 10.000 Euro frei. Ein sechster, zunächst festgenommener Mann war schon zuvor auf freien Fuß gesetzt worden. Wir fassen die gesicherten Erkenntnisse zu dem Fall zusammen und erklären, was noch unklar ist (Stand 1.8.).

Wer sind die fünf Beschuldigten und die Frau?

Die fünf Beschuldigten sind zwischen 21 und 23 Jahre alt und stammen aus Lüdenscheid in Nordrhein-Westfalen. Bei der Vernehmung vor dem spanischen Ermittlungsrichter war wohl zur geografischen Einordnung zunächst von Dortmund die Rede. Die Freundesgruppe befand sich seit vier Tagen an der Playa de Palma und war in zwei unterschiedlichen Hotels untergebracht. Die Beschuldigten hatten schon vor der mutmaßlichen Vergewaltigung ausgiebig gefeiert, wie eine Frau berichtet, die in dem Hotel in einem benachbarten Apartment untergebracht war und die Männer gegenüber der MZ als "laut und verhaltensauffällig", aber auch als "supernett und höflich" beschreibt.

Laut Berichten deutscher Lokalmedien leben die fünf Beschuldigten in geregelten Verhältnissen, teils noch bei ihren Eltern, sind in der Ausbildung oder haben schon einen Job. Sie sind nicht vorbestraft. Fünf von ihnen haben die deutsche Staatsangehörigkeit, ein weiterer die türkische, ist aber in Deutschland aufgewachsen. In einem Bericht der spanischen Nationalpolizei war zunächst von sechs deutschen Staatsbürgern die Rede.

Bei dem mutmaßlichen Vergewaltigungsopfer handelt es sich um eine 18-Jährige aus Hannover, die gemeinsam mit Freundinnen an der Playa de Palma Urlaub machte. In vorherigen Meldungen war das Alter der Frau mit 20 angegeben. Richtig ist 18.

Was geschah in der Nacht vom 12. auf den 13. Juli?

Am Abend des 12. Juli, einem Mittwoch, ging die junge Frau mit ihren Freundinnen an der Playa de Palma aus. Dort lernte sie einen der später festgenommenen Männer kennen. Der Mann und die Frau kamen sich näher. Nach MZ-Informationen aus Ermittlerkreisen hatten sie einvernehmlichen Sex am Strand. Später lud der Mann die Frau in sein Hotel ein. Da sie aber dort nicht als Gast registriert war, ließ man sie nicht rein.

Daraufhin schlug der Mann vor, in das benachbarte Hotel zu gehen, wo seine Freunde ein Zimmer sowie ein Apartment gemietet hatten. Bei dem Hotel handelte es sich um ein Hotel in dritter Meereslinie zwischen Bierkönig und Megapark.

Ein Ermittler der Nationalpolizei am Freitag (14.7.) vor dem Hotel Occidental an der Playa de Palma

Ein Ermittler der Nationalpolizei am Freitag (14.7.) vor dem Hotel Occidental an der Playa de Palma / B. Ramon

Auf dem Zimmer 323 sollen das Paar gemeinsam mit zwei weiteren Beschuldigten erneut einvernehmlichen Sex gehabt haben. Später sollen auch noch die anderen beiden Männer hinzugekommen sein. Im Folgenden sei sie gegen ihren Willen zu weiterem Geschlechtsverkehr gezwungen worden, wie die Frau später gegenüber der Polizei und dem Ermittlungsrichter aussagen wird. Sie habe das zwar in dem Moment nicht gesagt, aber keinen Sex mehr gewollt, soll sie bei ihrer Vernehmung vor Gericht gesagt haben.

Einer der Männer filmte das Geschehen mit seinem Handy. Das Video liegt der Polizei vor, was genau darauf zu sehen ist, ist unklar. Ob und wann es zu einem Übergang zwischen einvernehmlichen und erzwungenen Geschlechtsverkehr kam, dürfte eines Tages Gegenstand eines Gerichtsverfahrens sein - ebenso wie die Frage, wie sich die Männer im Einzelnen verhielten. Auch wer dem Opfer bei einer Vergewaltigung nicht zur Hilfe eilt, macht sich strafbar.

Laut dem Polizeibericht flüchtete sich die Frau nach dem Sex in das Badezimmer. Mindestens einer der Männer soll das Geschehen daraufhin bereut und die Frau in ihr Hotel begleitet haben. Die Rezeption dort rief die Polizei an. Die Beamten aktivierten das Notfallprotokoll und brachten die Frau ins Krankenhaus Son Llàtzer, wo eine Ärztin sie auf Spuren von sexueller Nötigung untersuchte.

Die Polizei nahm fünf Männer noch in derselben Nacht fest. Die Festnahme einer weiteren Person, vermutlich des jungen Mannes, der in einem anderen Hotel untergebracht war, wurde erst am Tag darauf bekannt.

Deutsche Urlauber wegen Gruppenvergewaltigung festgenommen - das Polizeivideo

Policia Nacional

Wie sind die Ermittlungen angelaufen?

Nach der Festnahme und der Spurensicherung versiegelte die Polizei die Zimmer, in denen die Männer in dem Hotel untergebracht waren. Die Beamten führten zudem am 14. Juli mindestens zwei der mutmaßlichen Vergewaltiger zu einer Tatortbegehung in das Hotel.

Nach zwei Nächten in den Zellen im Hauptrevier der Nationalpolizei am Paseo Mallorca wurden die sechs Festgenommenen am 15. Juli, einem Samstag, im Gerichtsgebäude an der Via Alemanya in Palma dem zu diesem Zeitpunkt diensthabenden Haftrichter des Ermittlungsgerichts Nr. 8 vorgeführt. Er vernahm sowohl die Männer als auch die Frau und beschloss fünf der Männer in Untersuchungshaft einzuweisen, ohne die Möglichkeit, gegen Hinterlegung einer Kaution freizukommen. Ein weiterer junger Mann kam ohne Auflagen frei: Er soll zum Zeitpunkt des Geschehens bereits geschlafen haben.

Einer Gruppenvergewaltigung beschuldigt: Die deutschen Urlauber bei der Haftvorführung am Samstag (15.7.)

Einer Gruppenvergewaltigung beschuldigt: Die deutschen Urlauber bei der Haftvorführung am Samstag (15.7.) / Enrique Calvo

Der Ermittlungsrichter Antoni Rotger war derselbe, der vor gut einem Jahr auch über die Untersuchungshaft der sogenannten Kegelbrüder entscheiden musste, jener 13 deutschen Urlauber, die ebenfalls an der Playa de Palma der schweren Brandstiftung beschuldigt worden waren. Die Anwältin von dreien der Beschuldigten, Maria Barbancho - auch sie aus dem Fall der Kegelbrüder bekannt - erwirkte jedoch am Montag (17.7.) einen Wechsel des Ermittlungsgerichts. Möglich war dies, weil nicht Antoni Rotger, sondern die Richterin des Ermittlungsgerichts Nr. 5 zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Vergewaltigung diensthabend war.

Mittlerweile hat in Deutschland auch die für Lüdenscheid zuständige Staatsanwaltschaft Hagen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Zumindest theoretisch könnte das spanische Ermittlungsgericht im Laufe des Verfahrens beschließen, auf die Verfolgung der mutmaßlichen Strattat zugunsten der deutschen Staatsanwaltschaft zu verzichten und die Beschuldigten an die deutschen Behörden übergeben.

Die Anwälte der Beschuldigten beantragten Ende Juli bei der Ermittlungsrichterin die Aufhebung der Untersuchungshaft. Wie im Fall der Kegelbrüder argumentieren sie, dass weder Flucht- noch Verdunkelungsgefahr noch die Gefahr der Verübung weiterer Straftaten besteht. Etwaige Meldepflichten könnten auch in Deutschland erfüllt werden. Die Ermittlungsrichterin lehnte diesen Antrag ab, woraufhin die Anwälte das Landgericht Palma anrief. Dieses entschied am Donnerstag (14.9.), einen der Beschuldigten gegen Hinterlegung einer Kaution von 10.000 Euro auf freien Fuß zu setzen. Er soll glaubhaft gemacht haben, dass er nicht am Sex beteiligt war.

Bis es zu einem Prozess kommt, können zumindest in Spanien noch Jahre vergehen. Bei einer Verurteilung wegen schwerer Vergewaltigung drohen Gefängnisstrafen von über zehn Jahren.

Warum ist in Spanien von einem "deutschen Rudel" die Rede?

Der Fall ruft in Spanien Erinnerungen an eine Gruppenvergewaltigung im Jahr 2016 wach, bei der eine Gruppe von Männern, die sich selbst "La Manada" (Das Rudel) nannte, im spanischen Pamplona die gemeinsame sexuelle Nötigung einer 18-Jährigen filmte. In spanischen Medien ist daher von "la manada alemana", dem "deutschen Rudel" die Rede.

Die juristische Aufarbeitung der Vergewaltigung in Pamplona, die erstinstanzlich nur milde geahndet wurde, weil sich die Frau angeblich nicht eindeutig gewehrt hatte, mündete schließlich in einem neuen Sexualstrafrecht, in dem die ausdrückliche Einwilligung in den Geschlechtsverkehr eine wichtige Rolle spielt. Das Gesetz musste in der Folge noch einmal überarbeitet werden, weil handwerkliche Fehler in der Ausformulierung des Gesetzestextes unbeabsichtigt dazu führten, dass etliche Sexualstraftäter noch vor Ablauf ihrer Haftstrafe freikamen.