"Zum Fremdschämen": Auch Mallorca-Weltmeisterinnen wettern gegen Fußball-Chef Luis Rubiales

Der Chef des spanischen Fußballverbandes lehnt nach dem Kuss-Skandal den Rücktritt ab und sieht sich als den Leidtragenden. Die Kritik ist scharf

Rubiales steht nach Kuss-Skandal unter heftiger Kritik und verweigert Rücktritt

Rubiales steht nach Kuss-Skandal unter heftiger Kritik und verweigert Rücktritt / Oscar J. Barroso

dpa

Luis Rubiales legte seine flache Hand aufs Herz, sein Vater verdrückte im Publikum Tränen. 2Hier geht es nicht um Gerechtigkeit, sondern um eine soziale Hinrichtung", klagte der Präsident des spanischen Fußballverbandes RFEF. Im viel diskutierten Kuss-Skandal inszenierte Rubiales sich als Opfer einer Hetzjagd, rhetorisch geschickt leitete er 30 Minuten lang den Gegenangriff ein - den erwarteten Rücktritt lehnte er ab. Als Rubiales am Freitag vor der außerordentlichen Generalversammlung des Verbands schließlich vom Pult wegtrat, bekam er stehende Ovationen und warmen Applaus. "Ich werde nicht zurücktreten", betonte der 46-Jährige mehrmals energisch. "Soll mich ein Küsschen in beiderseitigem Einvernehmen hier rausbringen? Ich werde kämpfen bis zum Ende."

Die Ursachen des Skandals

Unter Druck war Spaniens Fußball-Boss am vergangenen Sonntag geraten, als er bei der Siegerehrung der spanischen Fußball-Weltmeisterinnen in Australien die Spielerin Jennifer Hermoso ungefragt auf den Mund geküsst hatte. Hermoso hatte kurz danach in einem Video gesagt, dass ihr das Verhalten von Rubiales unangenehm gewesen sei. "Aber was sollte ich machen", fügte sie hinzu. Ein Sturm der Entrüstung brach los und viele forderten den Rücktritt von Rubiales. Mehrere Medien hatten am Donnerstag übereinstimmend berichtet, der Funktionär werde von seinem Amt zurücktreten.

Kritik von allen Seiten

Doch das tat Rubiales wider Erwarten nicht - und erntete dafür scharfe Kritik. "Zum Fremdschämen" sei das Verhalten des Verbandschefs, schrieb Ex-Nationaltorhüter Iker Casillas beim Portal X, vormals Twitter. Auch spanische Politiker gingen hart mit Rubiales ins Gericht. "Herr Rubiales weiß immer noch nicht, wo er ist und was er getan hat. Es ist nicht auf der Höhe der Zeit. Er muss jetzt sofort zurücktreten und uns weitere Peinlichkeiten ersparen", forderte die geschäftsführende Vize-Regierungschefin Yolanda Díaz. Es gehe nun darum, die Spielerin zu schützen, "um Nein zum Machismo zu sagen und um das Recht auf sexuelle Freiheit zu gewährleisten", schrieb Gleichstellungsministerin Irene Montero auf X.

Auch die Spielergewerkschaft Fifpro forderte "sofortige disziplinarische Maßnahmen" gegen Rubiales. "Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen bisher nicht verstanden haben, was die Mitglieder der Fußballverbände im Umgang mit ihm als Präsident des RFEF erlebt haben", teilte Liga-Chef Javier Tebas mit, der Rubiales unter anderem frauenfeindliche Gesten, Beleidigungen und Erpressung vorwarf. "Wir leiden unter vielem und haben vieles angeprangert. Die Liste der Frauen und Männer, die in diesen Jahren von Luis Rubiales geschädigt wurden, ist zu lang und das muss aufhören", führte Tebas aus.

Der Leiter der obersten spanischen Sportbehörde CSD, Víctor Francos, kündigte an, seine Institution werden nun gegen Rubiales vorgehen. "Wir werden handeln, wir haben alle Mechanismen aktiviert, um die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen", schrieb er ebenfalls auf X. Für den späten Freitagnachmittag kündigte Francos eine Pressekonferenz zum weiteren Vorgehen an. Der amtierende Regierungschef Pedro Sánchez hatte das Verhalten von Rubiales schon vor Tagen zwar als "inakzeptabel" bezeichnet, zugleich aber eingeräumt, dass die Regierung keinen direkten Einfluss auf die RFEF habe.

Auch die Weltmeisterinnen, die dieser Tage eigentlich im Fokus stehen sollten, haben sich nun zu Wort gemeldet. Ein wenig in Anlehnung an die Me too-Kampagne haben sie den Hashtag "Se acabó" (Es ist Aus) erschaffen, mit dem sie sich gegen Rubiales positionieren und ihre Teamkollegin unterstützen. An der Kampagne beteiligen sich auch die Mallorca-Fußballerinnen.

Rubiales beschuldigt "falschen Feminismus"

In dieser Woche war der öffentliche Druck auf Rubiales stark gestiegen. "Ich entschuldige mich von Herzen. Ich hatte die Kontrolle verloren. Der Kuss war wie für eines meiner Kinder", sagte Rubiales am Freitag. Wirklich einsichtig zeigte er sich aber nicht. "Der falsche Feminismus sucht nicht nach der Wahrheit, er versucht, sich eine Medaille umzuhängen und zu glauben, dass wir vorankommen. Sie kümmern sich nicht um die Menschen", sagte er und beklagte eine Hetzjagd. "Wer mich kennt, weiß, dass ich bis zum Schluss kämpfen werde."

Luis Rubiales beklagte eine Hetzjagd gegen sich

Luis Rubiales beklagte eine Hetzjagd gegen sich / Oscar J. Barroso

Der Weltverband FIFA hatte am Donnerstag ein Disziplinarverfahren gegen den Spanier eingeleitet. Die Disziplinarkommission prüfe einen Verstoß gegen Artikel 13 des Reglements, der mit "Beleidigendes Verhalten und Verstöße gegen die Grundsätze des Fairplay" überschrieben ist. Rubiales ist auch Vizepräsident der Europäischen Fußball-Union UEFA.

Unmittelbar nach dem Vorfall hatte der Funktionär die Kritik an seinem Verhalten als "Blödsinn» bezeichnet. Später äußerte Rubiales eine halbherzige Entschuldigung und drängte Hermoso Medienberichten zufolge, sich für ihn einzusetzen. Er habe die 33-Jährige "spontan" und "ohne jede böse Absicht oder bösen Willen" auf den Mund geküsst, sagte er. Die RFEF veröffentlichte eine Erklärung, in der Hermoso zitiert wurde. Der Kuss sei in beiderseitigem Einvernehmen erfolgt, hieß es darin.