Vor zehn Jahren brannte es auch auf Mallorca - so sieht es heute in Andratx aus

Nach dem verheerenden Feuer im Juli 2013 in der südlichen Serra de Tramuntana erinnert heute nicht mehr viel an die Flammen

Zahlreiche Freiwillige halfen bei den Aufforstungsarbeiten.

Zahlreiche Freiwillige halfen bei den Aufforstungsarbeiten. / DM

Johannes Krayer

Johannes Krayer

An jenen Tag erinnert sich Artur Barceló auch zehn Jahre später noch haargenau. Ähnlich wie bei vielen Menschen im Fall des 11. September 2001, dem Tag der Attacke auf das World Trade Center, hat sich bei Barceló der 26. Juli 2013 in die Erinnerung eingebrannt. An jenem Freitag stand plötzlich der Wald oberhalb von Andratx lichterloh in Flammen. Nun jährt sich zum zehnten Mal einer der schlimmsten Waldbrände, den die Balearen je erlebt haben.

Barceló, der Sachbearbeiter im Landwirtschaftsministerium mit Zuständigkeit für den Wald, hatte damals gerade erst seinen Posten angetreten. Es war sein erster Waldbrand. „Gegen halb eins kam ein Anruf, und meine Kollegen und ich wurden zur Einsatzzentrale gerufen“, erzählt er der MZ. Einer der Mitarbeiter seiner Abteilung sei von dort zehn Minuten lang mit einem Hubschrauber über den Ort geflogen, an dem der Brand ausgebrochen war. „Er landete kurz und gab quasi Entwarnung. Als er dann nach drei, vier Minuten wieder in die Luft ging, hatte sich das Feuer rasend schnell den Hang hinaufgefressen und drohte außer Kontrolle zu geraten.“

Anwohner bei den ersten Aufräumarbeiten auf ihren Fincas.  | FOTO: SEBASTIÁN TERRASSA

Anwohner bei den ersten Aufräumarbeiten auf ihren Fincas. | FOTO: SEBASTIÁN TERRASSA / johannes krayer

Der Brand war in der Siedlung Son Curt nahe Andratx ausgebrochen. Der heftige Wind und die ausgetrocknete Vegetation trugen dazu bei, dass sich die Flammen wie eine Feuerwalze nach Sa Coma Freda, Sa Coma Calenta über den Puig Cornador in Richtung s’Arracó und Sant Elm ausbreiteten. Die Einsatzkräfte waren zwar schnell vor Ort, der Brand geriet tags darauf aber vollkommen außer Kontrolle. Einem V ähnelnd breitete sich das Feuer an zwei Fronten gleichzeitig aus. Im Westen erreichten die Flammen die von der Umweltschutzorganisation GOB bewirtschaftete Finca La Trapa, im Norden näherten sie sich dem Ort Estellencs. Mehrere Häuser mussten daraufhin evakuiert, zehn Personen ärztlich versorgt werden.

Große Hilfsbereitschaft

Zwei Tage nach Ausbruch des Feuers wurden insgesamt rund 700 Menschen in Estellencs in Sicherheit gebracht, weil die Front dem Dorf gefährlich nahegekommen ist. Geräumt wurde auch die Finca Galatzó. 70 Prozent der Fläche von La Trapa verbrannten. Am Montag (29.7.) durften die Menschen in Estellencs wieder in ihre Häuser, am Dienstag war der Brand zu 100 Prozent stabilisiert. Gegen die Flammen kämpfte ein Großaufgebot an Einsatzkräften. Mehr als 400 Feuerwehrleute waren pausenlos mit den Löscharbeiten beschäftigt, bis zu 30 Hubschrauber und Flugzeuge halfen aus der Luft mit.

Gleichzeitig zu der Katastrophe erfasste eine Welle der Hilfsbereitschaft die Insel. Freiwillige halfen bei der Versorgung der Feuerwehrleute, nahmen durch den Brand obdachlos gewordene Bewohner bei sich auf oder riefen zu Sachspenden auf. Auch Wochen später fanden sich noch Hunderte Menschen ein, um bei den Aufforstungsarbeiten mitzuhelfen, was die Verantwortlichen mitunter vor logistische Probleme stellte. Viele der Freiwilligen hatten keinerlei Erfahrung und drohten mehr zu zerstören, als sie beitragen konnten.

Die Wand aus Rauch und Feuer stand zeitweise dicht hinter Andratx.

Die Wand aus Rauch und Feuer stand zeitweise dicht hinter Andratx. / Lorenzo Gutiérrez

Erst am 13. August komplett gelöscht

Bis der Brand komplett gelöscht war, vergingen mehrere Wochen. Erst am 13. August konnte Entwarnung gegeben werden. Die Zerstörungen in der Region waren enorm. 2.335 Hektar Wald, Busch und Hang waren nach dem Feuer verbrannt, davon mehr als 90 Prozent im Gemeindegebiet von Andratx (2.140 Hektar). Estellencs mit 187 Hektar und Calvià mit acht Hektar kamen zumindest flächenmäßig glimpflicher davon.

Schnell war der Verursacher des Feuers gefunden. Es handelte sich um einen damals 44-Jährigen, der am Abend vor dem Brand mit Freunden auf seinem Anwesen in Son Curt gegrillt hatte. Er hatte die glühende Kohle zunächst in einer Schubkarre gelagert und am Tag darauf in die Landschaft gekippt.

Zweieinhalb Jahre Gefängnis

Erst im Februar 2020 verurteilte ein Gericht in Palma den Mann zu zweieinhalb Jahren Gefängnis. Zusätzlich musste er eine Strafe für sein Verhalten zahlen sowie eine Entschädigung von sieben Millionen Euro für die aufwendigen und teuren Löscharbeiten. Darüber hinaus darf er nie wieder grillen oder an einem Grillfest teilnehmen.

Der Verurteilte ist an Schizophrenie erkrankt, seine kognitiven Fähigkeiten sind stark eingeschränkt. Trotzdem befanden ihn die Richter für zumindest teilweise schuldfähig.

Gegend habe sich "gut erholt"

Heute, zehn Jahre später, ist Artur Barceló während des Telefonats mit der MZ gerade wieder auf dem Weg nach Andratx, um sich vor Ort ein Bild vom Zustand der Landschaft zu machen. Generell, so seine Einschätzung, habe sich die Gegend inzwischen gut erholt. Zumindest dort, wo es Bäume gab, denn: „Von den knapp 2.400 Hektar betroffener Fläche waren lediglich 800 Hektar bewaldet. Von diesen 800 Hektar haben wir wiederum etwas mehr als 300 Hektar als prioritär für die Aufforstung eingestuft“, so Barceló. Entweder, weil dort sehr viele Bäume abgestorben waren oder weil die Erosion besonders stark war.

Schwere Schäden bei Kiefern

Am schwersten betroffen waren Kiefern, Steineichen und Oleaster. Die Steineichen seien bestens an das mediterrane Klima und Waldbrände angepasst und schafften es, obwohl scheinbar tot, bereits nach wenigen Monaten wieder Triebe zu entwickeln. Auch die Oleaster und das Buschwerk erholten sich gut von selbst. „Am schwierigsten waren die Kiefern aufzuforsten“, erklärt Barceló.

Obwohl auch diese Bäume einen natürlichen Brandschutz besitzen. Ein kleiner Prozentsatz der Kiefernzapfen ist laut dem Sachbearbeiter so programmiert, dass sie sich erst bei sehr hohen Temperaturen, etwa bei einem Brand, öffnen und dann die Samen auf dem Boden verstreuen. „Der Baum kann dann zwar sterben, hat aber quasi mithilfe einer Samenbank noch für Nachwuchs gesorgt“, sagt Barceló.

Kiefernwald inzwischen wieder sehr dicht

Nur auf sechs bis sieben Hektar wurden überhaupt neue Bäume gepflanzt. „Und das auch eher deshalb, weil so viele Freiwillige aus der Bevölkerung kamen und helfen wollten.“ An manchen Stellen sei der Kiefernwald heute gar dichter als vor dem Feuer – wenn auch auf deutlich niedrigerer Höhe. Etwas, was in Zeiten des Klimawandels gar nicht unbedingt wünschenswert sei, denn dann bleibe für jeden Baum weniger vom ohnehin schon spärlich vorhandenen Wasser.

Der Klimawandel ist auch dafür verantwortlich, dass ein Brand wie 2013 in der Serra de Tramuntana jederzeit wieder möglich ist. „Sogar mit größeren Ausmaßen, denn die Vegetation steht wegen der Trockenheit und der Hitze unter größerem Stress.“ Dazu komme, dass nach dem Sturmtief Juliette im Februar noch immer an vielen Orten abgestorbene Bäume und Äste am Boden liegen. Sie können bei der großen Hitze derzeit wie ein Brandbeschleuniger wirken.

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