Was auf Mallorca gegen die extrem hohe Waldbrandgefahr unternommen wird

Nach dem Sturmtief Juliette ist das Risiko dieses Jahr besonders hoch.

Feuerwehrleute der Forstbehörde Ibanat bei einem Einsatz im April 2023 nahe Deià.

Feuerwehrleute der Forstbehörde Ibanat bei einem Einsatz im April 2023 nahe Deià. / IBANAT

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Die Waldbrandsaison auf Mallorca hatte noch nicht offiziell begonnen, und doch musste die Feuerwehr mehrfach ausrücken – Ende April bereits vier Mal innerhalb von wenigen Tagen, sogar 29 Mal seit Jahresbeginn. Durch die Bank blieb es bei kleineren Feuern, die schnell gelöscht werden konnten. Seit vergangenem Montag (1.5.) ist die Waldbrandsaison auf der Insel nun offiziell eingeläutet.

Das bedeutet für Feuerwehr, die balearische Forstbehörde Ibanat und alle, die mit dem Wald auf Mallorca zu tun haben: ständige Bereitschaft und schnelles Eingreifen bei der ersten Flamme.

Die Lage nach dem Sturm

Ganz besonders in diesem Jahr. Das Sturmtief Juliette am 27. und 28. Februar ließ vor allem in der Serra de Tramuntana Tausende Bäume umstürzen. Das balearische Umweltministerium geht gar von rund 1,4 Millionen geschädigten Bäumen aus. An vielen Stellen im Wald blieben Unmengen von Ästen und Grünzeug liegen und drohen nun, im Fall eines Feueralarms zum Brandbeschleuniger zu werden.

Nicht gerade zur Entspannung der Situation beigetragen hat ein wieder einmal zu warmer und deutlich zu trockener April. „Wir schauen sehr angespannt und mit großen Sorge auf die kommenden Monate“, sagt Artur Barceló, Sachbearbeiter im balearischen Umweltministerium und zuständig für die Wälder. Das sei zwar im vergangenen Jahr ähnlich gewesen, als der gesamte Winter viel zu warm und trocken gewesen sei. Aber Juliette habe die Lage 2023 noch einmal deutlich verschärft. Barceló muss es wissen: Er koordiniert in Zusammenarbeit mit anderen Behörden die Einsätze, mit denen die Waldbrandgefahr auf ein Mindestmaß reduziert werden soll.

Flächenbrand verhindern

Seit den ersten Märztagen sind die Einsatzkräfte von Barceló, die das Ibanat und das Umweltministerium stellen, täglich im Einsatz, um das Schlimmste zu verhindern – einen Flächenbrand, der vor allem in den schwer zugänglichen Gebieten der Serra de Tramuntana nicht mehr zu kontrollieren sein könnte.

Das Problem sei aber nicht nur das Gebirge, auch andernorts auf der Insel herrsche große Gefahr. „Rund um Sant Salvador und das Santueri in der Gegend von Felanitx gibt es große Waldflächen, die ebenfalls von Juliette schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden“, erklärt Barceló. Und wo viele umgestürzte Bäume und Äste auf dem Boden liegen, schlagen Flammen höher. Darüber hinaus sind viele Brandschneisen durch die Schäden in der Vegetation unbrauchbar geworden und mussten oder müssen noch in einem Wettlauf gegen die Zeit wiederhergestellt werden.

Esel werden eingesetzt, um Brandschneisen in schwer zugänglichen Gebieten zu fressen. | FOTO: DM

Esel werden eingesetzt, um Brandschneisen in schwer zugänglichen Gebieten zu fressen. | FOTO: DM / johannes krayer

Das Notfallprogramm

Trotz aller Eile heißt es, kühlen Kopf bewahren und die Protokolle umsetzen. „Wir haben zunächst die strategischen Stellen identifiziert, an denen ein Feuer verheerende Folgen haben würde“, so Barceló. „Dort beginnen wir mit der Arbeit.“ Zumindest startet man nicht bei null. Das Landesumweltministerium verfügt über Karten mit den kritischen Stellen, an denen sich ein Waldbrand besonders schnell ausbreiten würde. Diese werden alle zehn Jahre überprüft. Auf diese Weise konnten Barceló und seine Kollegen die Karten mit den Informationen über die Schäden abgleichen, die Juliette verursacht hat – und hier Prioritäten setzen.

Das waren zunächst Verkehrswege, die durch umgestürzte Bäume blockiert waren, sowie etwa die Panoramastrecke Ma-10 oder die Landstraße zwischen Caimari und Lluc. Diese Strecken dienen gleichzeitig als zentrale Brandschneisen. „Jetzt sind wir dabei, kleinere Wege und Waldstücke von Ästen und umgestürzten Bäumen zu befreien und Brandschneisen zu schlagen.“

Die Mitarbeiter des Umweltministeriums gehen dabei vor allem mit Motorsägen und Häckslern zu Werke. Auch schwer beschädigte Bäume werden gestutzt, damit sie weniger anfällig für Schädlingsbefall sind. Speziell die Gebiete in der Nähe von Picknickplätzen werden von herumliegenden Baumresten gereinigt. Mit Traktoren und anderem schwerem Gerät werden die Äste und Stämme abgefahren.

Raus mit den toten Bäumen

Viele von ihnen bekommen ein zweites Leben. Ein Teil der umgestürzten Bäume wird nach und nach klein gehäckselt und zu Biomasse verarbeitet. Davon wiederum landet ein Teil in den Heizkesseln der Wanderhütten Binifaldó und Menut. Ein wesentlich größerer Teil aber wird dazu benutzt, um die Waldböden aufzubessern – auch das ist Brandschutz. Bereits nach einer Windhose im August 2020, die Tausende Kiefern im Gebiet von Banyalbufar wie Streichhölzer brechen ließ, wurde die gehäckselte Biomasse verstreut, um den Boden im Bellver-Park in Palma zu verbessern. „Das verhindert die Erosion, erleichtert die Speicherung von Feuchtigkeit und erhöht den Nährstoffgehalt im Boden“, erklärte vor Kurzem der balearische Umweltminister Miquel Mir.

In einem weiteren Projekt mit Amarar stellen derzeit Menschen mit Behinderung im Behindertenzentrum Esment Möbel mit einfachen Handgriffen her. Die Initiative entstand im Jahr 2020 nach dem Unwetter rund um Banyalbufar. Die dicken Stämme der umgestürzten Bäume, die zur Brandvorsorge aus dem Wald heraus müssen, werden geschnitten in die Werkstatt nach Vilafranca geliefert.

Trotz aller Anstrengungen geht es nicht ohne Mut zur Lücke. „Wir können nicht an jedem Fleck in der Serra de Tramuntana nach dem Rechten sehen“, so Barceló. Deshalb dürfe man sich nicht der Illusion hingeben, das Waldbrandrisiko gen null senken zu können.

Schulkinder beim Besuch von Ibanat mit dem Netzwerk Xarxa Forestal. | FOTO: XARXA FORESTAL

Schulkinder beim Besuch von Ibanat mit dem Netzwerk Xarxa Forestal. | FOTO: XARXA FORESTAL / johannes krayer

Big Brother in der Tramuntana

„Dazu liegt einfach viel zu viel Biomasse im Wald“, bestätigt auch Juan Rita, Botaniker an der Balearen-Universität (UIB). Die Gefahr von Waldbränden sei in diesem Jahr nun einmal um ein Vielfaches höher als in einem gewöhnlichen Sommer. Der Wissenschaftler verweist zudem auf den Klimawandel, der sein Übriges zu einer ständigen Verschärfung der Lage beitrage. „Die Bäume sind wegen der immer höheren Temperaturen einem großen Stress ausgesetzt“, sagt Rita. Das führe schneller zu Schädlingsbefall, Bäume sterben leichter ab. Und totes Holz im Wald wiederum brennt deutlich leichter als ein gesunder Baum.

Neben der Prävention spielt die Reaktionsfähigkeit eine zentrale Rolle. Die Einsatzkräfte müssen immer schneller werden. Das funktioniere bereits sehr gut auf Mallorca, sagt Wissenschaftler Rita. „Die Feuerwehr greift sehr rasch und sehr entschlossen ein, wenn es zu einem Brand kommt.“

Darüber hinaus muss der Wald umfassend überwacht werden, um ausbrechende Feuer schnell zu entdecken. Zu diesem Zweck sind seit dem 1. Mai wieder die Flugzeuge von Ibanat auf Aufklärungsflügen unterwegs. Außerdem gibt es über die Insel verteilt mehr als 30 Beobachtungsposten. Diese werden nach und nach mit Kameras ausgerüstet. Insgesamt 350 Personen auf Mallorca sind in den Sommermonaten für die Brandbekämpfung abgestellt.

Ausflügler als Brandmelder

Ein entscheidender Vorteil im Vergleich zum spanischen Festland, wo es immer wieder zu Großbränden kommt: Die Distanzen auf der Insel sind geringer. „Wir können schneller am Brandort sein“, so Rita. „Außerdem gibt es wenige komplett unbewohnte Gebiete, sodass Feuer schneller bemerkt werden.“

Dazu kommt: Das Bewusstsein für die Gefahr ist bei der Bevölkerung auf Mallorca inzwischen ausgeprägt. „Hier auf der Insel sind sehr viele Menschen beständig in den Bergen unterwegs. Bei der kleinsten Rauchentwicklung wählen sie sofort die Notrufnummer“, berichtet Barceló.

Aufklärung auch in den Schulen

Die Behörden tun ihrerseits einiges, um das Risikobewusstsein zu schärfen. Die Balearen-Regierung fährt jeweils zu Beginn der Saison Anfang Mai Kampagnen, die sich meist bis in den Sommer fortsetzen. In diesem Jahr richtet sich das Umweltministerium auch mit einer ins Deutsche und Englische übersetzten Website an Urlauber oder Residenten, die kein oder nur wenig Spanisch oder Katalanisch verstehen: Unter feuer.caib.es werden Prävention sowie Verhaltensweisen für den Notfall erklärt.

In Sachen Prävention ist auch die Xarxa Forestal aktiv, ein seit 20 Jahren bestehendes Netzwerk für den Wald, das sich als eine Brücke zwischen den Forstbehörden und der Bevölkerung versteht. Verwaltet wird es vom balearischen Umweltministerium.

Koordinatorin Antònia Llabrés organisiert Führungen und Workshops rund um den Insel-Wald. „Momentan arbeiten wir vor allem mit Schulklassen, um den Kindern die Situation nach dem Sturm zu zeigen“, berichtet Llabrés der MZ. Die Kinder sensibilisieren dann hoffentlich auch die Eltern für die heikle Situation im Wald – auch wenn es manchmal nicht ganz so einfach ist.„Wenn die Kinder eine tote Eidechse oder Schnecke sehen, haben sie sofort Mitleid. Bei einem abgebrochenen Baum ist das anders.“

Auch diese Vorbeugung ist ein Teil der Strategie, mit der die Brandgefahr auf Mallorca gemindert werden soll. „Ganz ausschalten kann man sie natürlich nicht“, meint Artur Barceló. Am Ende hilft wohl doch nur beten, vor allem in diesem Jahr.

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