Der knallgrüne Sichtschutz ist beinahe lückenlos. Und dort, wo doch kleine Schlitze zwischen den Kunststoff-Fasern zu entdecken sind, versperrt dichtes Gebüsch den Blick. Fast überkommt einen das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, wenn man die Absperrungen gar zu genau inspiziert. So, als würde man militärisches Gebiet fotografieren. Dabei handelt es sich nur um eine Baustelle. Wenn auch um eine, über die auf Mallorca scharf diskutiert wird. Ein Mann mit Einkaufstüten nähert sich. Ertappt. Doch er lächelt. „Die haben da drin fast alles abgerissen, so wollen sie das Gebäude nicht der Öffentlichkeit präsentieren“, sagt er. Er wohne in der Nachbarschaft. „Von dem alten Hotel ist nicht mehr viel übrig“, fährt der Mann fort und steigt dann in sein Auto.

Aus der Ferne kann man nahe des Wachturms Talaia d'Albercutx auf die Baustelle blicken Sophie Mono

Seit knapp zwei Jahren ist Mallorcas wohl berühmteste Gästeherberge, das Hotel Formentor, geschlossen. Und seit 15 Monaten ist der neue Eigentümer – der Investmentfonds Emin Capital, der das Anwesen im Dezember 2020 für 165 Millionen Euro kaufte – dabei, das Gebäude zu renovieren. Oder, wie Kritiker sagen: es dem Erdboden gleichzumachen und neu aufzubauen. Ein blauer Lastwagen, beladen mit Kies, fährt auf die Baustelle. Hinter ihm wird die Einfahrt direkt wieder geschlossen. Wieder kein Blick auf das, was geschieht. Nur der Baulärm verrät: Hier wird gearbeitet.

Um doch etwas zu sehen vom ehemaligen Hotel Formentor, in dem schon eine lange Reihe weltbekannter Persönlichkeiten nächtigte, muss man die Serpentinenstraße von der Baustelle nahe der Playa Formentor zurückfahren, bis zum Aussichtspunkt Es Colomer, und von dort in eine weniger befahrene Straße einbiegen, die zur Talaia d’Albercutx führt. Kurz vor dem alten Wachturm erstreckt sich ein atemberaubender Ausblick über große Teile der Formentor-Halbinsel – und ganz weit in der Ferne ist auch die Baustelle des Hotels Formentor zu sehen. Drei große, gelborangefarbene Kräne, die an jenem Freitagvormittag (23.9.) still stehen. Eine Brachfläche. Und ein Gebäude, von dem nur noch das steinerne Grundgerüst zu stehen scheint.

Beweisfotos von oben

Genau an diese Stelle kommen auch Mitglieder der Ortspartei Junts Avançam regelmäßig, wenn sie nachsehen wollen, wie es mit den Bauarbeiten vorangeht. Manchmal schießen die Oppositionspolitiker aus dem Rathaus von Pollença um den ehemaligen Bürgermeister Miguel Angel March von hier oben mit einem Teleobjektiv Fotos. Vermeintliche Beweise dafür, dass der Bauträger gegen geltendes Gesetz verstößt. „Der Bauträger hat zwei Genehmigungen eingeholt. Die eine besagt, dass das Innere des Hotels instand gesetzt werden darf, die zweite, dass das Gebäude um 15 Prozent erweitert werden darf. Tatsächlich aber reißen sie alles ab, das verstößt gegen beide Genehmigungen“, schimpft March.

Das allein, findet er, wäre ja schon schlimm genug – ebenso wie die Tatsache, dass die Regierenden im Rathaus einfach wegschauten. „Vor allem aber handelt es sich hier nicht um irgendein Hotel, sondern um das bekannteste Mallorcas, das seinen ganz eigenen Charme hatte. Vor allem für Tausende von pollencins, die im Laufe der Jahrzehnte dort gearbeitet haben, ist es von emotionalem Wert.“

Entsprechend hohe Wellen schlugen daher auch die Baustellen-Fotos, die Junts Avançam in den vergangenen Monaten im Internet veröffentlichte. Das von dem zunächst bis auf die Grundstruktur entkernten und bereits von seinen Flügeln befreiten Gebäude. Und das von Bauschutt, der scheinbar achtlos in geschütztes Gebiet geworfen wird. „Das trifft viele Menschen hier. Umso schwerwiegender ist dieses illegale Vorgehen“, findet March.

Illegal oder nicht, das ist die entscheidende Frage momentan auf der Halbinsel Formentor – und im Gemeinderat von Pollença. Die Ansichten gehen da weit auseinander. Während die Opposition aufgebracht ist und wöchentlich neue Anschuldigungen gegen die Regierenden im Rathaus vorbringt, sind Bürgermeister Andrés Nevado und vor allem der zuständige Baudezernent Tomeu Cifre darum bemüht, die Vorwürfe aus dem Weg zu räumen.

Abriss „einzig mögliche Lösung“

Cifre sagt der MZ am Telefon: „Der Komplettabriss war zunächst nicht vorgesehen, aber als die Grundmauern freigelegt wurden, war klar, dass alles neu gemacht werden muss.“ Die Struktur aus Zement sei von der Witterung und der Feuchtigkeit aufgrund der Lage direkt am Meer regelrecht zerfressen gewesen. Teile der Mauern waren aus dem ohnehin recht porösen Marès-Stein. Emin Capital erklärte in einer Mitteilung an die Angestellten des Hotels vor Kurzem, dass unter anderem auch Rückstände von Asbest in den stark in Mitleidenschaft gezogenen Grundmauern festgestellt worden seien.

Auch der zuständige Architekt Carlos Lamela vom gleichnamigen Studio in Madrid teilt der MZ in einer Stellungnahme mit: „Die Originalstruktur, die kürzlich abgerissen wurde, befand sich in einem sehr schlechten Zustand, viel schlechter, als das zunächst den Anschein hatte.“ Man habe Untersuchungen angestellt und sei zum Schluss gekommen, dass die Struktur „sehr schwierig“ zu reparieren sei. Bei einer Reparatur hätte man außerdem nicht die aktuellen Anforderungen an die Gebäudesicherheit erfüllen können, so Lamela. Der komplette Abriss sei deshalb die technisch einzig mögliche Lösung gewesen, um das Gebäude unter Beibehaltung der Symmetrie wieder aufzubauen.

Natürlich geschehe all das unter Beibehaltung der Legalität. Carlos Lamela drückt es etwas umständlich aus: „Alle technischen Arbeiten, die im Rahmen dieses Projekts durchgeführt werden, erfolgen, wie es nicht anders sein kann, in Übereinstimmung mit den gesetzlich vorgeschriebenen Baugenehmigungen und Lizenzen und in perfekter Synchronisation und ständigem Dialog mit den zuständigen Behörden.“

Auch Baudezernent Cifre legt Wert darauf, dass die Bauarbeiten im Rahmen des Erlaubten stattfinden. „Das ist doch wie bei jedem Bau oder jeder Sanierung: Es gibt einen ursprünglichen Plan, und dann tauchen Schwierigkeiten auf, und man muss den Plan modifizieren“, sagt Cifre der MZ. Die ursprüngliche Genehmigung, so Cifre, beinhalte den Passus, dass die Eigentümer „alles rechtfertigen müssen, was nicht mit dem Projekt der Erweiterung“ übereinstimme. In ähnlichen Worten hatte es auch der Bürgermeister von Pollença, Andrés Nevado, der MZ erklärt. Man habe das Projekt eben anpassen müssen.

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Vom Hotel Formentor auf Mallorca bleibt bei der Sanierung nur noch die Fassade übrig Manu Mielniezuk

"Kein architektonisches Wunderwerk"

Dennoch: Es bleibt ein Gschmäckle, es bleibt das Gefühl, dass die neuen Eigentümer des Hotels womöglich eine Vorzugsbehandlung erhalten. Schließlich wurde der komplette Abriss des Hotels nie öffentlich kommuniziert, sondern nur bekannt, weil die Mitglieder der Oppositionspartei Junts Avançam immer wieder mit Fotos den Stand der Bauarbeiten dokumentierten. Offenbar um die Kritiker zu beruhigen, forderte die Gemeinderegierung von Pollença Ende vergangener Woche Emin Capital auf, die Baugenehmigung so anzupassen, dass der komplette Abriss dadurch gedeckt ist. Der Fonds Emin Capital soll nun alle Unterlagen vorlegen, aus denen hervorgeht, was im Verlauf der Arbeiten geschehen ist.

Unterdessen hat die Denkmalschutzorganisation ARCA, die üblicherweise bei Sanierungen von bedeutsamen Gebäuden auf der Insel sehr genau hinschaut, klargestellt, dass es sich beim Hotel Formentor zwar um einen historisch wertvollen Bau gehandelt habe, aber nicht um ein „architektonisches Wunderwerk“. „Wir, die wir immer die Bewahrung und Wiederherstellung des architektonischen Erbes fordern, begrüßen, dass man sich angesichts der Berichte der Sachverständigen, dass das Gebäude nicht erhalten werden konnte, für einen Wiederaufbau entschied.“

Dass das Hotel tatsächlich „originalgetreu“ wieder aufgebaut wird, das betonen seit Tagen sowohl der Fonds Emin Capital, der das in einer Mail an die MZ noch einmal bestätigte, als auch die Gemeinderegierung von Pollença. Und auch Carlos Lamela teilt der MZ mit: „Die DNA des Hotels Formentor bleibt während des gesamten Umbauprozesses erhalten, und der Geist des ursprünglichen Entwurfs wird in seiner Gesamtheit beibehalten.“

„Nicht nur Luxus, auch Wärme“

Auch dem 77-jährigen Toni Mercer ist das Hotel Formentor alles andere als gleichgültig. 1970 nahm er – damals 24 Jahre jung – seinen Dienst als Concierge auf. Und blieb dort bis zu seiner Verrentung im September 2006. „Fast ein ganzes Leben“, sagt er. Zumal er schon mit elf Jahren immer wieder auf dem Hotelgelände anzutreffen war, damals noch als Balljunge an den Tennisplätzen oberhalb des Gebäudes.

Er kenne viele Hotels, sei viel gereist. „Aber keins ist so, wie das Hotel Formentor einmal war.“ Damals, unter der Führung der Familie Buadas. „Es war nicht nur Luxus, der dort geboten wurde. Es war eine Wärme, die dort herrschte. Die Buadas verstanden es, dass sich die Menschen dort wohl- und verstanden fühlten. Die Gäste wie die Mitarbeiter.“

"Außer dem Papst waren sie alle da"

Und wo anders hätte er je so viele bekannte Persönlichkeiten kennenlernen können, wie hier? Gary Cooper, Charlie Chaplin, Audrey Hepburn, zahlreiche Staatsoberhäupter. „Außer dem Papst waren sie alle da, sogar der Dalai Lama“, erinnert sich Toni Mercer. Besonders der damalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt, der unter anderem 1979 kurz vor Weihnachten ein paar Tage dort verbrachte, ist ihm noch immer gut im Gedächtnis. „Auch er hat mit mir geredet. Er kam mit nur einem Bodyguard und seiner Frau und Tochter, um durch die Tramuntana zu wandern. Er war ein guter Wanderer und kannte sich vorzüglich aus auf Mallorca.“

Natürlich habe sich in all den Jahren auch das Hotel verändert. „Aber das Besondere vermochten die Buadas immer beizubehalten. Nur wurde das Gebäude mit der Zeit natürlich älter.“ Als die damaligen Inhaber ihre Stammgäste schriftlich dazu befragten, was sie sich von einer geplanten Renovierung wünschten, hätten 90 Prozent geantwortet, dass alles möglichst so bleiben solle, wie es war, und nur das Nötigste erneuert werden solle.

"Schrecklicher Sommer"

Der Einschnitt sei dann im Frühsommer 2006 gekommen, als die Hotelgruppe Barceló die Unterkunft aufkaufte. „Es war ein schrecklicher Sommer, für uns Angestellte, aber auch für die Gäste“, resümiert Toni Mercer. Die Bedienung der Kunden am Tisch, die exzellente Küche mit dem frischen Fisch und den eigenen Bäckern, der persönliche und doch diskrete Umgang – all dies habe die mallorquinische Kette bei der Übernahme hinter sich gelassen. „Es war nichts mehr übrig von dem, was das Hotel ausmachte. Also entschied ich mich nach diesem Sommer, früher als geplant in den Ruhestand zu gehen“, so Toni Mercer.

Dass aktuell nur noch Bruchstücke des alten Gebäudes stehen, stimmt ihn nicht wehmütig. „Es heißt, der neue Investor wolle ein Luxushotel daraus machen und anders als Barceló viel Geld in die Hand nehmen. Das ist gut. Es wird wohl nie mehr so sein wie früher, aber das war es ohnehin schon nicht mehr. Vielleicht wird es anders gut. Das hoffe ich.“