Während aktuell die Klöster immer leerer werden und kaum noch Nonnen nachkommen, gab es im Mittelalter und in der frühen Neuzeit einen regelrechten Wettbewerb zwischen Adelsfamilien darum, wer die meisten Frauen in einem Kloster unterbrachte.

Magdalena Quiroga hat in ihrer Doktorarbeit an der Balearen-Universität (UIB) die Strategien der Adelshäuser untersucht, mit der sie sich die Macht im Kloster sichern wollten.

Warum wollten Adelsfamilien überhaupt ihre Frauen in einem Kloster unterbringen?

Wenn sie zu viele Töchter hatten, kamen einige davon ins Kloster, damit die Familie ihren Reichtum nicht zu stark aufteilen musste. Die Mitgift, die Familien an das Kloster zahlten, war geringer als die bei einer Hochzeit. Ähnlich war es übrigens auch, wenn es einen Überschuss an Söhnen gab. Die meisten davon kamen dann ins Militär, manche wurden auch Pfarrer oder Mönche.

Und wie sorgten die Familien nun dafür, ihre Frauen im Kloster unterzubringen?

Das Wichtigste war, in einem Kloster die Übermacht zu haben. Die Nonnen stimmten über Neuzugänge ab. Wenn eine Familie also bereits viele Frauen in einem Kloster hatte, konnte sie sich sicher sein, dass dort auch weiterhin jede Tochter aufgenommen wurde. Noch einfacher ging es natürlich, wenn die Äbtissin aus der eigenen Familie kam, denn sie war die mächtigste Person im Kloster.

Also waren in dem Kloster viele Frauen miteinander verwandt?

Ja, aus jeder Generation einer Familie gingen normalerweise mehrere Frauen in ein und dasselbe Kloster. Daher trafen die Novizinnen, die neu dazukamen, dort auf Schwestern, Cousinen, Tanten und Großtanten. Es gab im Kloster einen eigenen Familienkern, parallel zur weltlichen Familie. Dadurch war es für die Novizinnen auch nicht so schwer, sich an das Leben dort zu gewöhnen. Die Mädchen blieben ja in der Familie.

Gingen die Mädchen ungern ins Kloster?

Das dann auch wieder nicht. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir über eine ganz andere Zeit sprechen. Die meisten gingen nicht nur freiwillig in das Kloster, sondern waren sehr glücklich darüber. Aus Glauben, vielleicht auch weil man ihnen von klein auf diese Zukunft in Aussicht gestellt hatte. Ein Leben im Kloster galt damals nicht als etwas Schlimmes. Und zumindest anfangs waren sie nicht allzu abgeschottet, sondern konnten das Kloster auch verlassen. Das änderte sich mit der Klosterreform, bei der die Klausur der Nonnen verstärkt wurde.

Von was für einer Reform sprechen wir?

Die Klosterreform setzte in der frühen Neuzeit viele Regeln fest, die vorher je nach Kloster unterschiedlich gehandhabt wurden. Ein Beispiel ist, dass die Äbtissin zuvor auf Lebzeit ernannt wurde, danach nur noch für drei Jahre. Die einschneidendste Änderung war aber die der Klausur. Im Endeffekt bedeutete die Reform, dass eine Frau, sobald sie zur Nonne wurde, ihr Kloster nie wieder verlassen durfte.

Wann trat diese Reform in Kraft?

Schon Mitte des 15. Jahrhunderts gibt es erste Klöster, die sich reformieren, und es gibt den Wunsch der Kirche, dass die strenge Klausur in allen Abteien gilt. Aber erst mit dem Konzil von Trient 1563 setzt sich die Reform durch.

Wie sah das Leben für die Nonnen zuvor aus? Konnten sie zum Beispiel zum Einkaufen rausgehen?

Nein, schon davor galt allgemein in jedem Kloster Klausur. Sie wurde nur nicht so streng durchgesetzt. Wenn beispielsweise ein Verwandter krank war, baten die Nonnen darum, zu ihm fahren zu können, und durften es immer. Es gab auch Fälle, in denen sie für eine gewisse Zeit das Kloster verließen, um beispielsweise ihre Eltern zu pflegen. All das ging durch die Reform nicht mehr.

Damit änderte sich das Leben im Kloster …

Ja, und viele Nonnen weigerten sich, die strengere Klausur zu akzeptieren. Sie sagten, dass sie zwar Klausur geschworen hatten, aber nicht eine solch radikale Form davon. Am Anfang wehrten sie sich noch dagegen.

War es ein organisierter Widerstand?

Nein, sie haben sich nicht wirklich organisiert. Aber viele Nonnen waren gegen die neuen Regeln, und sie äußerten ihren Widerstand auch gemeinsam. Man kann diese Bewegung, wenn man so will, als ersten gemeinsamen Kampf einer Frauengemeinschaft sehen.

Aber am Ende blieben sie erfolglos.

Ja. Anfangs war der Widerstand wirklich groß, irgendwann gab es dann unter den Nonnen selbst Grabenkämpfe. Es gab Befürworterinnen und Gegnerinnen der Reform. In manchen Klöstern wie im Santa Elisabet in Palma gab es einige Zeit sogar zwei Äbtissinnen. Eine, die für die Reform eintrat, und eine, die dagegen war. Und beide hatten Frauen, die sie unterstützten. Gerade die älteren Nonnen, die lange mit lockeren Regeln gelebt hatten, wollten ihre Freiheiten nicht aufgeben. Die Jüngeren waren dagegen schon auf die Reform eingestellt und unterstützten sie daher auch.

Setzte sich überall die Reform durch?

Einige Abteien stellten zunächst auf Durchzug. Daher flohen manche Frauen von einem Kloster ins nächste, um der strengen Klausur zu entgehen, aber am Ende holten die neuen Regelungen alle ein. Manche Nonnen entschlossen sich damals deswegen, aus dem Kloster auszutreten.

Und konnten sie dann einfach wieder zu ihren Familien zurückkehren?

Manche Nonnen hatten größere Probleme, weil ihre Familien sie im Endeffekt finanziell nicht mehr mit eingerechnet hatten. Es gab einige Gerichtsverfahren, weil die Familien die Mitgift und die Gegenstände, die die Frauen ins Kloster gebracht hatten, zurückforderten. Aber gerade in den Anfängen der Reform konnten die Frauen eigentlich meist problemlos zurück. Ihre Familien nahmen sie meist verständnisvoll wieder auf.

Später dann nicht mehr?

Je fortgeschrittener die Reform war, als die Frauen ins Kloster eintraten, desto mehr wussten sie ja, was auf sie zukommt. Wer dann noch austreten wollte, hatte es schwerer.

Wurden aufgrund der Reform weniger Frauen ins Kloster gebracht?

Ganz im Gegenteil. Es wurden immer mehr immer jüngere Mädchen zu Nonnen, teilweise waren sie erst acht Jahre alt. Damit die Mädchen das mitmachten und sich nicht gegen die lebenslange Klausur wehrten, mussten viele Schwestern, Cousinen und Tanten im Kloster sein. Außerdem wollte man die Macht in der Abtei behalten. Dadurch, dass die anderen Familien auch immer mehr Mädchen ins Kloster schickten, geriet man in Zugzwang. Im Endeffekt war es ein Teufelskreis, der dadurch verstärkt wurde, dass ab dem 16. Jahrhundert die Familien immer mehr Kinder hatten. Somit kamen auch mehr Mädchen auf die Welt, die sie unterbringen mussten.

Wann enden diese Kämpfe ums Kloster?

Mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert wollen die Adelsfrauen nicht mehr in so großer Zahl in ein Kloster eintreten. Von da an waren es mehr ärmere Frauen, die zu Nonnen wurden, weil sie im Kloster das fanden, was ihnen zu Hause fehlte.