Mallorca Zeitung

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Auswanderer auf Mallorca: Immer mehr deutsche Senioren benötigen dringend Hilfe

Die Stiftung Herztat setzt sich auf Mallorca ehrenamtlich für einsame deutschsprachige Senioren ein. Immer mehr Hilferufe stellen sich als Härtefälle heraus. Was die Paten von Herztat dann unternehmen und wie auch Sie helfen können

Engagieren sich bei Herztat: Patin Bettina Hömberg, Insel-Pfarrerin Martje Mechels und Moderatorin Birgit Schrowange (v.l.). Nele Bendgens

„Drei Engel für Herztat“ – der Titel könnte Betrachtern der drei Damen in den Sinn kommen, hier im Pfarrhaus der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde an der Playa de Palma. Alle drei sehen sich optisch ähnlich, sie reden hier bei Kaffee und Lebkuchen, als würden sie sich schon jahrelang kennen.

Und alle drei engagieren sich für die Stiftung Herztat. Pfarrerin Martje Mechels ist mit dabei, seit sie 2020 gemeinsam mit ihrem Mann Holmfried Braun auf der Insel im Dienst ist und hat die Aufgabe von ihrer Vorgängerin Heike Stijohann übernommen. Die Patin Bettina Hömberg ist seit Gründung von Herztat 2017 mit an Bord. Und Birgit Schrowange als prominente Unterstützung hat als Schirmherrin vor einem Jahr zur Stiftung gefunden. Jede hilft auf ihre Art und Weise.

Patin mit Leib und Seele

Bettina Hömberg investiert viel Zeit und Energie, um einsamen Senioren einen Ausweg aus oft verfahrenen Situationen zu ermöglichen. Dabei lebt die 57-Jährige nicht einmal Vollzeit auf der Insel, vermietet eigentlich Ferienwohnungen an der Ostsee. Während ihrer Zeit auf Mallorca wollte sie sich dennoch ehrenamtlich engagieren und fragte bei der evangelischen Gemeinde an. In Deutschland habe sie schon ähnliche Arbeit bei der Wohltätigkeitsorganisation Caritas und bei einer katholischen Frauengemeinschaft geleistet. Wöchentlich investiert Hömberg auf Mallorca ein bis zwei Stunden in die Betreuung, bei Härtefällen können es auch mal mehrere Tage sein. Zusätzlich hat sie sich rund um die Uhr des Herztat-Telefons angenommen.

Ursprünglich sollte Herztat, ein Projekt von Unternehmer Roland Werner und der evangelischen Gemeinde Mallorcas, einsamen Senioren soziale Kontakte ermöglichen. Der Fokus verschiebt sich mittlerweile. „Wir stellen immer mehr fest, dass sich einfache Anfragen zu einem Härtefall ausweiten“, sagt Martje Mechels. Im schlimmsten Fall stehen die Leute auf der Straße. „Wohnungsnot ist ein besonders drängendes Problem. Alleine vor Weihnachten hatten wir drei Fälle davon.“ Da reiche es schon, wie unlängst bei einer Seniorin, dass die Miete plötzlich von 600 auf 800 Euro erhöht wurde, weil der Eigentümer der Wohnung starb und dessen Sohn die Miete anpasste. „Dabei haben viele der Residenten, wenn sie älter werden, wenig Geld“, sagt Mechels. Hinzu käme, dass die Betroffenen oft mit Haustieren leben. Das sei dann ein häufiger Ablehnungsgrund bei der Suche nach einer neuen Unterkunft.

Probleme stauen sich an

Die Paten warnen davor, zu lange mit der Hilfesuche zu warten. „In den meisten Fällen melden sich die Betroffenen nicht selbst bei uns, sondern ihre Nachbarn oder Verwandte aus Deutschland, die sich Sorgen machen“, erzählt die 54-jährige Mechels. Viele Menschen würden blauäugig nach Mallorca kommen und die Probleme des Alters nicht immer einplanen: wenn die Gebrechen kommen, der Partner verstirbt, die Freunde wegziehen und man sich sozial selbst isoliert. Dann sei es schwer, ohne finanzielle Absicherung weiter ein eigenständiges Leben zu führen. Knappe Renten seien ein Problem genau wie eine fehlende Krankenversicherung. Die Unterstützung auf Mallorca ist im Vergleich zu Deutschland an andere Bedingungen geknüpft. Ohne die erforderlichen Sprachkenntnisse ist auch die Beantragung von Hilfe bei Behörden schwer möglich und finanziell sehr begrenzt.

Die Hilfe von Herztat richte sich weiterhin an Senioren im Ruhestandsalter. Auch in den Altersheimen der Insel seien etliche deutsche Senioren untergebracht, die einsam sind und sich wegen fehlender Sprachkenntnisse nicht mit anderen Bewohnern austauschen können. „Das muss furchtbar sein“, sagt Schrowange. „Ich selbst habe Verwandte und Bekannte in Deutschland im Pflegeheim. Mein Vater, meine Tante, meine ehemalige Chefin … da weiß ich aber, dass täglich jemand vorbeischaut.“

Paten werden geschult

Kennengelernt hat die Moderatorin die Stiftung bei Dreharbeiten für Sat.1 auf Mallorca. Sie sei sofort begeistert gewesen von der Idee, sagt sie. Schrowange war bisher vor allem in der Kinderhilfe aktiv, die im Vergleich zu den Senioren mehr Aufmerksamkeit bekommt. Für ihren Einsatz gegen Kinderarmut wurde Schrowange 2008 sogar die Verdienstmedaille des Verdienstordens der BRD verliehen. Bei Herztat nimmt sie als Schirmherrin auch an Patentreffen teil und hilft mit ihrer Prominenz dabei, Spenden zu akquirieren.

Momentan arbeiten 40 Paten ehrenamtlich bei Herztat mit. Sie werden in Kurzgesprächen geschult und nicht alleine gelassen in der Betreuung. Auf Absprache werden Auslagen erstattet. So entsteht eine Hilfsgemeinschaft, die Bedürftige auch untereinander vernetzen kann. Dass die investierte Zeit nicht immer nur auf Verständnis trifft, weiß Bettina Hömberg: „Man kämpft an zwei Fronten.“ Ihre Familie gebe ihr zwar Rückhalt für ihr Tun, mahne aber, sich nicht ausnutzen zu lassen.

Wichtig sei, dass sich die Betreuten nicht zu sehr auf fremde Hilfe verlassen würden, dann finde eine Verdrängung der Probleme statt. Offene Rechnungen, Mahnungen bis zu Entmietung, die Lösung werde rausgeschoben. „Bis zum Schluss werden die Augen ganz fest zugemacht, denn wenn ich nicht hinschaue, ist es nicht da“, spricht die Patin aus Erfahrung. Gibt es gar keine Perspektive mehr auf der Insel, organisiert Herztat eine Rückwanderung nach Deutschland. So geschehen bei einer Seniorin, die ihre Krankenversicherung in Deutschland gekündigt hatte, auf der Insel keine neue abschloss und dann erkrankte.

Wegen der umfangreichen Hilfe ist die Stiftung dringend auf Spenden angewiesen. Die Paten sind sich einig: Einsamkeit muss nicht sein, gemeinsam lassen sich die Vorzüge der Insel viel besser genießen. Telefonische Hilfe oder als Pate melden: +34 634-04 16 68, E-Mail: mallorca@herztat.de und Infos auf der Website herztat.de.

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