Beispiel für gelungene Integration: Wie Kaktusfeigen zur Mallorca-Frucht wurden – und wie man sie aufschneidet

Die „higuera chumbo“ ist aus den ländlichen Gegenden auf der Insel nicht mehr wegzudenken. Dabei gehört der Kaktus eigentlich nicht hierhin

Die Kaktusfeigen sind reif.

Die Kaktusfeigen sind reif. / dpa

Der Feigenkaktus ist ein beliebtes Fotomotiv des authentischen, ländlichen Mallorcas. Weniger bekannt dagegen ist, aus welchem Grund er eigentlich gepflanzt wurde. Die Antwort: Die Früchte der Kaktusfeige (Opuntie ficus-indica bot., higuera chumbo span., figuera de moro kat.) waren in Zeiten, in denen Mangos, Kiwis und Papayas die Insel noch nicht erreicht hatten, begehrte Vitaminlieferanten, die auf Märkten verkauft wurden, bevor die Orangensaison begann.

Zu jedem Bauernhaus gehörte einer der stachligen Gesellen, zuweilen wuchsen sie in den Hühner- und Schweineställen, als Futter zur Selbstbedienung also. „Als ich Kind war, ernährte mein Vater sein Schwein damit“, sagt Toni Moreno, erfahrener Kakteenzüchter aus Ses Salines. Schweinegaumen vertragen die borstigen Feigen. Moreno erinnert sich auch daran, dass Anhänger voller Kaktusblätter durchs Dorf fuhren, denn in Jahren mit wenig Niederschlägen wäre die Sukkulente eine Art Garantie für das Überleben gewesen. Auch Kühe hätten sie in Notzeiten gefuttert. Mit dieser Mangelnahrung produzierten sie zwar weniger Milch, überlebten aber die trockenen Jahre. Durch regelmäßiges Stutzen hielt man den Feigenkaktus im Zaum. Heute ist er häufig ausgewildert und neuen Grundstücksbesitzern lästig. Für die Entsorgung des Schnittguts ist ein Unternehmen zu beauftragen.

Aus Südamerika eingeschleppt

Die Opuntie ficus-indica war eine der ersten Pflanzen, die rückkehrende Eroberer des amerikanischen Kontinents aus dem Gebiet zwischen Mexiko und Kolumbien mit in die Neue Welt gebracht hatten. In vielen Regionen der Welt, wie auch an den mediterranen Küsten, breitete sich die Pflanze rasant aus. Sie fand vielerorts ideale Bedingungen. „Je trockener das Klima, desto besser gedeiht die figuera de moro“, sagt Moreno. Die dickhäutigen Blätter speichern Feuchtigkeit und machen den Wüstenkaktus zu einem Spezialisten für große Dürre. So kamen zu den gepflanzten Exemplaren viele, die sich wild vermehrten.

Auf Mallorca bildet die Opuntie im Frühjahr gelbe Blüten, Honig- und Wildbienen sind die wichtigsten Bestäuber. Die reifen Früchten enthalten viele Samen, die Vögel, Säuge- und andere Tiere in ihren Mägen auf das Keimen vorbereiten und dann bei der Ausscheidung verbreiten.

Nützliche Heilpflanze oder Delikatesse

In der Naturmedizin der Insel galt die figuera de moro als Heilpflanze mit entzündungshemmender Wirkung. Zusammen mit Zitrone und Aprikose wurde aus den Feigen Marmelade gekocht oder Eis mit Zucker und Süßwein zubereitet. Die frischen Triebe, nopales genannt, gelten in Mexiko als Delikatesse, heutige Foodblogger empfehlen Früchte und Blätter als Nahrungsergänzungsmittel.

Zur trendigen Delikatesse haben es die Kaktusfeigen dennoch bisher nicht gebracht, vielleicht, weil sie nur kurz haltbar und nicht ganz unkompliziert zu ernten und zu essen sind. Und doch lohnt es sich, die reifen Früchte zu kosten. Zum Pflücken sind (Grill-) Zangen mit langen Griffen ebenso ratsam wie Eimer zum Transport.

Mallorquiner brausen die gröbsten Dornen mit Wasser ab. Danach halten sie die Frucht mit der Gabel auf einem Teller fest, schneiden die beiden Enden ab, ritzen die ungenießbare Haut längs ein und ziehen sie dann mit Gabel und Messer ab. Das süß-säuerliche Fruchtfleisch darf die borstige Haut danach nicht mehr berühren. „Am besten schmecken die Feigen dann direkt aus dem Kühlschrank“, sagt Toni Moreno.

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