Eine kurzweilige Lektion in Sachen Kunstgeschichte gibt es bis zum 9. Juli im Museu Fundación Juan March im Zentrum von Palma de Mallorca. Die Ausstellung „Una historia del arte reciente (1960–2020) II“ zeigt hochkarätige Werke der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus den Beständen der Stiftung – darunter welche von Dalí, Miró oder Chillida – Seite an Seite mit Arbeiten jüngerer Künstler. Deren Werke stammen aus der Sammlung der Versicherungsgesellschaft DKV.

Das Großprojekt, an dem mehrere Kuratoren beider Institutionen arbeiteten, erstreckt sich über 21 thematisch angelegte Räume. Damit die Besucher nicht den (roten) Faden verlieren und der Reizüberflutung erliegen, wurde viel Wert auf museumspädagogische Angebote gelegt, die den Rundgang sinnvoll ergänzen. So gibt es dienstags und donnerstags um 17 Uhr kostenlose Führungen auf Spanisch oder Katalanisch und auf der Website march.es eine virtuelle Version der Ausstellung mit vielen Erklärungstexten und Kommentaren zum Anhören.

Eine Broschüre dient als Wegweiser durch die Schau

Digital weniger versierte Kunstliebhaber finden vor Ort eine kleine Broschüre vor, die mit sechs verschiedenen Touren und Leitfragen als Wegweiser dient: Anhand konkreter Werke sollen sie den Blick auf Themen wie „Natur“, „Berechnung und Zufall“, „Das Flüchtige“, „Variationen“, „Erinnerung“ oder „Illusionen“ lenken. Aufgeweckte Gemüter stellen sich freilich der Herausforderung, all diese Anregungen beim Besuch parallel zu nutzen.

Interessant ist zum Beispiel zu beobachten, wie Künstler Motive aus der Natur interpretierten und transformierten: Eduardo Chillidas Skulptur „Mendi huts II“ (1990, im Hof) entstand im Kontext seines utopischen, umstrittenen Kunstprojekts zur Aushöhlung des Berges Tindaya auf Fuerteventura. Der Kontrast zwischen der soliden, organischen Form des Steins und den orthogonalen Schnitten, die einen leeren Raum entstehen lassen, spiegeln das Ringen menschlicher Vernunft um die Ordnung der Natur.

Im Raum 13 taucht man in die Welt von Miquel Barceló ab, der mit „Gran fons submarí“ 1996 ein monumentales Werk schuf, das die Vegetationsmasse des Meeresgrundes greifbar macht. Daneben zeitgenössische Visionen: die Videoarbeit „Your Fossil Existence“ von Amanda Moreno (2020) und zwei (Video-)Installationen von Mar Guerrero zum Thema Wasser (2016).

„Minéralogie Visionnaire III“ (Lluis Hortalà) und „Vanitas“ (Pablo Capitán del Río) im Museu Fundación Juan March.

„Minéralogie Visionnaire III“ (Lluis Hortalà) und „Vanitas“ (Pablo Capitán del Río) im Museu Fundación Juan March. B.RAMON

Vergänglichkeit und Erinnerung

Ein weiteres Thema, das die Künstler umtrieb und die Besucher fokussieren können, ist die Vergänglichkeit und der damit verbundene Wandel jedweden Materials. „Welches Werk reflektiert deiner Meinung nach am besten, wie die Zeit verstreicht?“, fragt der Leitfaden. Heiße Kandidaten sind etwa „Impresión (Maderas)“ (2015) von Patricia Dauder in Raum 6 – verbrannte Holzspuren auf Leinwand, die räumliche Fixierung eines vorübergehenden Prozesses – oder „Vanitas“ (2018) von Pablo Capitán del Río in Raum 7, das Assoziationen an eine mehrfach zerschnittene und wieder zusammengeflickte Nabelschnur weckt und suggestiv auf die räumlich-zeitliche Transformation der Dinge verweist.

Wer bewusst danach schaut, findet auch viele Beispiele dafür, wie Kriege, soziale Ungerechtigkeit oder aktuelles Tagesgeschehen als Ausgangspunkte für Kunstwerke dienen, welche die Erinnerung an diese Ereignisse lebendig halten. So macht Xisco Mensua in „Londres, 1940“ (gemalt 2011, Saal 3) die Fotografie einer durch einen Bombenangriff zerstörten Bibliothek zum Motiv eines großformatigen Gemäldes.

Nicht minder eindrücklich ist die Arbeit „Aktionismus“ (2012) von Alain Urrutia (Raum 6): ein Ensemble aus 18 Zeichnungen mit Tinte auf Papier nach dokumentarischen Fotos von provokanten Performances der Wiener Aktionisten in den 60er- und 70er Jahren. Die Werke verweisen auf die Spannung des zeitlich fortgesetzten Augenblicks, in dem sich die Handlung des Zeichnens materialisiert. Der Denkanstoß „An welche Geschehnisse aus der jüngeren Zeit sollten wir uns in Zukunft erinnern?“ regt dazu an, über die Rolle von Kunst für die Gesellschaft und das kollektive Gedächtnis zu sinnieren.

Das könnte Sie interessieren:

„Aktionismus“ (Alain Urrutia) und im Vordergrund „Hombre del Sur“ (Julio López Hernández) im Museu Fundación Juan March. B.RAMON