Aufwachsen auf Mallorca: Hamburger Fotograf setzt Jugendliche von Campos in Szene

Jens Boldt zeigt die Arbeiten mit seinen "isolierten Helden" von Mallorca bis Jahresende in einer Ausstellung

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Vor der Kamera des Fotografen Jens Boldt standen schon Prominente wie Iggy Pop, Tom Jones oder Barbara Schöneberger. Jetzt kommen normale Teenager von Mallorca bei ihm ganz groß heraus: Mit einer Förderung der Stiftung Kulturwerk der VG Bild-Kunst und der Kulturstiftung des Bundes im Rücken fotografierte er in Campos über das Jahr hinweg mehr als 30 Jugendliche.

Das Dorf wählte er zum einen deshalb aus, weil er selbst dort wohnt, und zum anderen, weil das Rathaus überaus hilfsbereit gewesen sei: Boldt bekam dort Unterstützung bei seiner Suche nach den Protagonisten, und das Projekt fand so großen Anklang, dass das Ergebnis bis Jahresende in einer Ausstellung im Casal de Can Pere Ignasi zu bewundern ist – obwohl das zunächst gar nicht geplant war.

Isolierte Helden

„Herois Aïllats“, also „Isolierte Helden“ lautet der Titel. Denn der Fotograf interessierte sich dafür, wie es ist, auf einer Insel aufzuwachsen, bei der man ständig mit Urlaubern konfrontiert ist, aber die Eltern einem gleichzeitig beibringen, die eigene Kultur zu bewahren. So entschied sich zum Beispiel die Teilnehmerin Selena, ihre traditionelle Tracht für den Volkstanz Ball de Bot zu tragen, der ihr persönlich viel bedeutet.

Trotz dieser Besonderheiten spürt Boldt aber auch dem Universellen nach, das Heranwachsende verbindet: „Als ich vor drei Jahren auf der Insel angekommen bin, ist mir aufgefallen ist, dass die Jugendlichen hier teilweise genauso sind wie ich früher mit 15, 16 Jahren. Und ich fand das total spannend“, erzählt er im Telefongespräch. Boldt wuchs in einem Vorort von Hamburg auf, begeisterte sich für Mofas, Motokicks und Fußball. Die Abendgestaltung war die der Dorfjugend der Insel nicht unähnlich.

Zwischen Kindheit und Erwachsensein

„Isolierte Helden bezieht sich aber nicht nur auf die Insel, sondern auch auf den in sich isolierten Status in der Pubertät, zwischen Kindheit und Erwachsensein“, erklärt Boldt. Dabei habe er viel Selbstvertrauen beobachtet, denn Nicht-Zugehörigkeit sei nicht gleich Unsicherheit: „Man versucht ja in dem Alter, sein eigenes Ego und seine Persönlichkeit zu entwickeln – vielleicht auch mehr zu sein, als man ist.“

In diesem Sinne passen die heroischen Posen, mit denen die Jugendlichen sich präsentieren, hervorragend zu dieser Lebensphase. Zudem wollte der Fotograf dem Phänomen gerecht werden, dass die Kinder in mallorquinischen Familien das Allerwichtigste seien: „Sie so zu fotografieren, war auch der Versuch, damit sensibel umzugehen“, sagt Boldt. Die Porträts, die ästhetisch teils an Modestrecken in Hochglanz-Magazinen denken lassen, machen die Angehörigen in jedem Fall stolz.

Langsam, aber stetig – poc a poc – hatte das Projekt im Ort die Runde gemacht, und er fand immer mehr Teenager und Eltern, die dazu bereit waren. Für ihn als Bewohner eines Stadthauses mit ausschließlich einheimischen Nachbarn ist es auch ein persönlicher Erfolg: „Durch die Arbeit mit den Jugendlichen und die Ausstellung habe ich ein unglaubliches Vertrauen von den Eltern entgegengebracht bekommen, sodass ich mich fast schon ein bisschen integriert gefühlt habe“, erzählt Boldt.

Persönliche Gegenstände und Kurzfilm

Die Aufgeschlossenheit aller habe ihn positiv überrascht. Eine Teilnehmerin stimmte sogar zu, sich in ihrem eigenen Zimmer ablichten zu lassen. „Das ist ja das Persönlichste, das man in dem Alter machen kann, dort jemand Fremden hereinzulassen – und dann auch noch einen Deutschen!“

Als Accessoires wählten viele Protagonisten repräsentative Dinge für das, was ihnen im Leben wichtig ist und womit sie sich gerne beschäftigen – vom Turnanzug bis zur Postkarte von Pink Floyd. In der Ausstellung ergänzen diese Gegenstände auf Sockeln oder in Vitrinen die Fotografien und verleihen der Schau noch eine haptische Ebene. Auch gibt es einen Kurzfilm mit Material, das an der Wand keinen Platz mehr hatte, sowie mit Architektur- und Landschaftsaufnahmen: Schauplätze des natürlichen Lebensraums dieser jungen Helden.

Jens Boldt, „Herois aïllats – creixer dins una illa“. Bis 31.12., samstags 11–13 Uhr und 16–20 Uhr Casal de Can Pere Ignasi, Plaça Ca’n Pere Ignasi, 10, Campos Infos zum Fotografen unter jens-boldt.com

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