Unterhalb der Kathedrale von Palma de Mallorca können Sie jetzt junge Künstler in Aktion erleben

Ein Besuch im Centre d’Art i Creació CAC Palma, das provisorisch in Ses Voltes Einzug gehalten hat

Performance und Party: Das Künstlerkollektiv Col∙lectiu Güilis hat Ses Voltes mit „Güelcome“ in Beschlag genommen.

Performance und Party: Das Künstlerkollektiv Col∙lectiu Güilis hat Ses Voltes mit „Güelcome“ in Beschlag genommen. / Marina Martín Gómez

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Wer am Vormittag des letzten Novembersamstags unterhalb der Kathedrale von Palma vorbeispazierte, geriet unversehens in ein schrilles Kunst-Happening hinein: In gelben Regenjacken, mit lila Strumpfhosen, Sandalen und Socken hüpften die Mitglieder des jungen Künstlerkollektivs Col•lectiu Güilis zu Musik durch die Gegend. Tatsächlich hatte die Party einen ernsten Hintergrund, nämlich Tourismuskritik – in knallbuntem Bonbonpapier verpackt, dabei aber nicht ausgelutscht.

Die Künstler hatten dazu unter anderem eine Expedition zum Torrent de Sa Riera unternommen und breiteten nun ihre Fundstücke auf dem Boden aus. Passanten durften aus diesem Müll ihr eigenes „Süvenir“ basteln – so wie ein Pärchen, das konzentiert Tennisbälle an die Sohle eines alten Schuhs klebte. Dazu gab es Fläschchen mit „Fluss-Elixir“, inklusive darin schwimmender Papierstücke und einen Photocall mit Sonnenschirmen, Schwimmnudeln und Luftmatratzen. Dass die Gruppe ihr performatives Projekt namens „Güelcome“ hier präsentieren konnte, hat sie dem Centre d’Art i Creació (CAC) zu verdanken, das am 7. Oktober in Ses Voltes wiedereröffnet wurde.

Beim CAC wollen alle mitentscheiden

Diese Institution, die einen Raum für künstlerische Forschung und Produktion bieten soll, ist nicht neu, aber sie leidet unter chronischer Instabilität: Von 2009 bis 2011 existierte sie unter dem Namen „Centre de Recursos de Creació Contemporànea“. Dann gab es von 2013 bis 2016 schon einmal ein „CAC“ in Ses Voltes, das sich damals über den Bereich erstreckte, wo heute das Museu Marítim seinen Sitz in Palma hat. Seit 2017 besaß das Zentrum gar keinen eigenen Raum mehr. Jetzt hat die Stadt Palma den noch freien Bereich im Inneren des Schutzwalls für einen Neustart zur Verfügung gestellt – zunächst als eine Art Pilotversuch bis Ende Dezember.

Das CAC Palma bei seiner Wiedereröffnung im Oktober.

Das CAC Palma bei seiner Wiedereröffnung im Oktober. / B.RAMON

Wer dabei die Fäden in der Hand hat, ist gar nicht so einfach zu beantworten, denn das Kontrukt gleicht eher einem Wollknäuel: Das CAC ist eng mit dem Casal Solleric verzahnt, dessen geförderte Kunstprojekte nun dort einen Raum bekommen – die Aktion des Kollektivs am vergangenen Samstag ist eines davon. Die Finanzierung des Zentrums übernimmt die Kulturabteilung der Stadt, die Verwaltung hingegen der Verband „Asociació de Artistes Visuals de Balears“ (AAVIB). Dieser wiederum hat dem Künstler Marcos Vidal die Leitung übertragen. „Aber der AAVIB wollte auch mitmischen. Das stellte sich erst nach der Eröffnung heraus“, so Vidal.

Bei der Performance von Güilis ging dem nicht gerade als Frohnatur bekannten Künstler sichtlich das Herz auf: Er hätte sich mehr Projekte dieser Art gewünscht, erzählte er. Interaktiv und dynamisch, mit Gelegenheit für Vernetzung und Diskussion. Zwar gibt es neben den Aktivitäten in Ses Voltes nun auch einige Workshops, die in den „Casals de Barri“ verschiedener Stadtviertel stattfinden, um näher an den Bürgern dran zu sein. Der AAVIB lege aber den größten Fokus auf Künstlerresidenzen in Ses Voltes, obwohl der Raum – ein Tonnengewölbe, das derzeit mit Regalen und Spinden notdürftig in zwei Ateliers unterteilt ist – dafür eigentlich nicht ideal sei und ein paar Renovierungsarbeiten vertragen könne.

Residentinnen bei der Arbeit

Die ersten zwei jungen Künstlerinnen, die sich hier einen Monat lang ausbreiten dürfen, scheint das allerdings nicht zu stören. Leire Pérez Dezcallar, die aus Palma stammt und in Castilla La Mancha studierte, ist dankbar für die Möglichkeit, an einem geschichtsträchtigen Ort wie diesem arbeiten zu können: „Er unterstützt meine Kreativität und hilft mir, mich wieder mit Mallorca zu verbinden“, erklärte die Künstlerin, die sich vom Performance-Trubel nicht aus der Ruhe bringen ließ.

Ihre schwebenden Installationen mit durchscheinenden Kunststoff-Platten spielen mit dem Raum, mit Licht und Schatten. Pérez‘ Ideen wurzeln im Garten ihres Elternhaus in Mondragó, der gezähmten im Gegensatz zur wilden Natur. Die Kommunikation zwischen Pflanzen und das Auflösen überflüssiger Grenzen interessiert sie ebenso wie neue philosophische Überlegungen zu Platons Höhlengleichnis, die in ihr Konzept mit einfließen: Der Gedanke, dass die wahre Erkenntnis nicht im Licht außerhalb der Höhle, sondern in den Schatten und Träumen schlummert.

Leire Pérez Dezcallar ist eine der aktuellen Residentinnen.

Leire Pérez Dezcallar ist eine der aktuellen Residentinnen. / Marina Martín Gómez

Fruchtbarer Austausch zwischen Künstlerinnen

In Ses Voltes könne sie ganz in ihrer Arbeit versinken, aber auch den äußerst fruchtbaren Austausch mit der zweiten Residentin suchen: Die in Barcelona ausgebildete Künstlerin Huma Rise (bürgerlich: Roser Vallmajor i Lluch) arbeitet im hinteren Teil des Raumes, wo ihre großformatigen, bemalten Stoffe teils hängen und teils auf dem Boden ausgebreitet sind. Sie schärft die Sinne für ihre Umgebung und untersucht mit ihrer Kunst die Spuren und Texturen von Dingen, denen wir täglich begegnen, ohne sie bewusst wahrzunehmen. Beide Künstlerinnen werden am 2. Dezember um 19.30 Uhr ihre Projekte vorstellen.

Als Dritte im Bunde hat nun Marina Martín Gómez mithilfe des CAC eine Residenz begonnen, allerdings nicht in Ses Voltes, sondern an einem noch besondereren Ort: Sie darf bis Jahresende ein Foto-Projekt in der Werkstatt der Schiffszimmerer auf dem Gelände des Flugplatzes Son Bonet umsetzen.

Centre d’Art i Creació CAC Ses Voltes, Infos zu Events unter: facebook.com/cacpalma und unter: facebook.com/aavib

Nächster Tag der offenen Tür mit Präsentation der beiden Residentinnen: 2. Dezember, 19.30 Uhr 

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