Pedro Sánchez zitierte den großen portugiesischen Schriftsteller José Saramago, als er die herbe Niederlage seiner Sozialisten und den überzeugenden Sieg der Konservativen bei den Regionalwahlen in Andalusien am Sonntag (19.6.) interpretierte. „Niederlagen haben etwas Positives, denn sie sind nicht endgültig, und Siege haben etwas Negatives, denn sie sind ebenfalls nicht endgültig“, sagte Spaniens Premier am Mittwoch im Unterhaus. Das nennt man gute Miene zum bösen Spiel machen. Denn den Wahlausgang in Andalusien kann man als Erdrutsch bezeichnen. Die konservative Volkspartei (PP) holte in der früheren Hochburg der Sozialisten mit 43 Prozent der Stimmen 58 von 109 Sitzen im Parlament von Sevilla. Das sind Dimensionen, wie sie im Süden Spaniens früher nur die Sozialisten kannten. Die PSOE sank dagegen auf 24 Prozent und 30 Abgeordnete ab, ihr schlechtestes Ergebnis in Andalusien seit Einführung der Regionalverwaltung vor vier Jahrzehnten.

Nach der – nicht ganz überraschenden – Schlappe läuten in der Linksregierung in Madrid die Alarmglocken. Denn im Mai 2023 stehen nicht nur Wahlen in weiteren Regionen wie auch den Balearen an. Auch das spanische Parlament wird neu gewählt. Sánchez reagierte umgehend und berief für Samstag (25.6.) eine außergewöhnliche Sitzung des Kabinetts ein, auf der ein neues Hilfspaket beschlossen werden soll, um die Folgen des Ukraine-Krieges und der Preissteigerung zu mildern.

Euphorie bei der Volkspartei

Bei der konservativen Opposition und den Medien wird nach dem Sieg in Andalusien mehr denn je eine Trendwende im ganzen Land beschworen. Zuletzt hatte die PP auch in Madrid und Kastilien-León gewonnen, doch sind beide Regionen ohnehin konservative Hochburgen. Der Triumph der PP in Andalusien, dem mit acht Millionen Einwohnern größten Landesteil, ist dagegen eine tektonische Verschiebung der politischen Verhältnisse. Die Konservativen sind jetzt in allen acht Provinzen stärkste Kraft, sogar in Sevilla, wo die PSOE noch nie zuvor verloren hatte.

Vor vier Jahren hatten die Sozialisten in Andalusien mit 28 Prozent noch die meisten Stimmen. Doch Juan Manuel Moreno von der PP schmiedete eine Koalitionsregierung mit der nationalliberalen Ciudadanos, die zudem noch die Unterstützung der rechtsextremen Vox im Parlament bekam. Der Amtsbonus zahlte sich für Moreno nun aus. Seine unaufgeregte Art nahm offenbar auch vielen Wählern der Sozialisten die Angst vor den Konservativen. Das Motto der Linken „Achtung, die Rechten kommen“ zieht nicht mehr.

Der Wahlsieg Morenos ist auch ein Triumph für Alberto Núñez Feijóo, der erst im April den Vorsitz der PP übernommen hat. Wie der Andalusier steht auch der neue Parteichef und Oppositionsführer in Spanien für einen eher gemäßigten Kurs, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Pablo Casado. Nun schlagen zwei Herzen in der Partei. Die einflussreiche Ministerpräsidentin Madrids, Isabel Díaz Ayuso, will mit rechtspopulistischen Botschaften und einer ungenierten Nähe zu Vox die Rechtsextremen in Schach halten. Moreno dagegen hat nun in Andalusien bewiesen, dass auch eine Politik der Mitte funktioniert.

Denn Vox blieb in Andalusien weit hinter den eigenen Erwartungen zurück und auf den Ambitionen auf den Eintritt in eine Koalition mit der PP sitzen. Die Rechten steigerten sich zwar um zwei auf 14 Mandate. Doch ihr Stimmanteil fiel gegenüber 2018 von 13,5 auf elf Prozent. Es ist ein Dämpfer für die Partei nach dem Aufschwung der vergangenen Jahre.

Sorgen bei den Sozialisten

Die PSOE und ihr Kandidat Juan Espadas beklagen derweil die geringe Motivation ihrer Wählerschaft, von der so einige zu Hause blieben. Eine schlechte Nachricht für die Wahlaussichten von Sánchez 2023 ist auch das Debakel seiner linken Koalitionspartner im Süden. Unidas Podemos hatte sich mit anderen linken Parteien zum Bündnis Por Andalucía zusammengeschlossen. Nicht dabei war der antikapitalistische Flügel von Podemos, der diesmal allein unter dem Namen Adelante Andalucía antrat. Hatte das linke Lager vor vier Jahren gemeinsam noch 17 Mandate errungen, so kamen beide Listen diesmal zusammen nur noch auf sieben Abgeordnete.

Noch viel schlimmer erging es den Ciudadanos. Der bisherige Koalitionspartner der PP in Sevilla mit Vize-Premier Juan Marín verpasste den Wiedereinzug ins Regionalparlament, nachdem die Liberalen 2018 noch 21 Sitze erobert hatten. Der Niedergang der früheren Regionalpartei aus Katalonien, die seit 2015 die nationale Politik aufmischte, scheint sich zu beschleunigen. Mit Blick auf die Wahlen 2023 kündigte Ciudadanos-Vorsitzende Inés Arrimadas eine Neugründung der Partei an.

Gegensteuern in Madrid

Auch Premier Sánchez nimmt den Warnschuss aus Sevilla sehr ernst. Trotz der guten Entwicklung etwa am Arbeitsmarkt, wo die Erwerbslosenquote auf den niedrigsten Stand seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 gesunken ist, überwiegt in der Gesellschaft der Verdruss über die hohen Preise infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der Lieferengpässe. Am Samstag soll der Ministerrat ein neues Hilfspaket verabschieden, da Maßnahmen wie der Benzinzuschuss auslaufen.

Bei der wöchentlichen Fragestunde im Unterhaus am Mittwoch nahm Sánchez einen Schritt bereits vorweg: Die Mehrwertsteuer auf Strom wird von zehn auf fünf Prozent reduziert. Im vergangenen Jahr hatte die Regierung angesichts der steigenden Energiepreise den Satz bereits von 21 auf zehn Prozent gesenkt. Die Energiekonzerne sollen mit einer Sonderbesteuerung für ihre zusätzlichen Gewinne durch den Preisanstieg zur Kasse gebeten werden. Sánchez hofft nun, dass diese Maßnahmen vor dem Wahljahr 2023 Wirkung zeigen.