Die Dezentralisierung ist ein wichtiges Anliegen der spanischen Linksregierung. Nicht alles soll in Madrid stattfinden. Deshalb wurden Bundeskanzler Olaf Scholz und sieben seiner Minister am Mittwoch zu den Spanisch-Deutschen Regierungskonsultationen im galicischen A Coruña vom an der Atlantikküste berüchtigten Schmuddelwetter empfangen. Doch der Nieselregen konnte das Bild der Harmonie zwischen Scholz und Spanien-Premier Pedro Sanchez nicht trüben.

Diplomaten beider Seiten hatten im Vorfeld des Gipfels – der erste dieser Art seit neun Jahren – die derzeit besonders guten Beziehungen der beiden sozialdemokratischen Regierungschefs unterstrichen. Vor dem Hintergrund einer neuen Regierung unter Führung der rechtsextremen Giorgia Meloni in Italien ist die Rolle Spaniens als Partner in Europa weiter gewachsen.

Dritter Besuch von Scholz in einem Jahr

Es war bereits der dritte Besuch von Scholz in Spanien in diesem Jahr, nach seinem Antrittsbesuch in Madrid im Januar und dem Nato-Gipfel in der spanischen Hauptstadt im Juni. Ende August war Sánchez Ehrengast auf der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg, wo er seine deutschen Gastgeber über die spanische Sicherheitsstrategie aufklärte, insbesondere den Aspekt der Energiesicherheit. Verteidigung und die Energiepolitik standen nun auch im Mittelpunkt der Konsultationen in der galicischen Hafenstadt.

Berlin und Madrid bekräftigten die Notwendigkeit eines Ausbaus der Netzwerke in Europa, um eine bessere Energieversorgung zu gewährleisten. Dabei dreht es sich vor allem um eine geplante Erdgaspipeline über die Pyrenäen, mit der Spanien und Portugal Erdgas aus Algerien und ihren Flüssiggasterminals nach Mitteleuropa weiterleiten können. Die Leitung soll auch für grünen Wasserstoff tauglich sein, die Zukunftstechnologie, bei der Spanien dank seines Ökostroms eine führende Stellung einnehmen kann. Doch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron blockiert das MidCat-Projekt, das vor Jahren aus Kostengründen auf Eis gelegt worden war. Die Franzosen wollen ihre Rolle als Energielieferant nicht unnötiger Konkurrenz aussetzen, so die Einschätzung in Madrid und Berlin.

Alternative Leitung über Italien

„Ich werde ausdrücklich dafür werben, dass wir die Verbindung MidCat erreichen“, erklärte Bundeskanzler Scholz auf einer Pressekonferenz am Mittwochabend. Sánchez versicherte seinerseits, dass man die Pipeline in maximal acht Monaten funktionsfähig ausbauen könne. Gemeinsam mit Scholz will er den Druck auf Macron erhöhen. Doch laufen bereits Pläne für eine alternative Leitung von der spanischen Küste nach Italien, sollten die Franzosen nicht beigeben.

Weniger einig sind sich beide Regierungen beim Plan eines europäischen Gaspreisdeckels, ähnlich wie das System, dass Spanien und Portugal dank Ausnahmeregelung bereits haben. Berlin sträubt sich noch.

Europäisches Raketenabwehrsystem

Im Sinne einer engeren Zusammenarbeit bei der EU-Verteidigung hat Deutschland Spanien eingeladen, sich an einem europäischen Raketenabwehrsystem, European Skyshield, zu beteiligen. Der Aktionsplan sieht in mehreren Bereichen eine engere Kooperation zwischen beiden Ländern vor. So soll der Austausch von Erasmusschülern intensiviert und die Zahl der Stipendien erhöht werden. Berlin und Madrid wollen besondere Aufmerksamkeit auf die komplizierte Lage in der Sahel-Zone werfen und die Beziehung der EU mit Lateinamerika verbessern, und zwar im Rahmen der spanischen Ratspräsidentschaft der EU im zweiten Halbjahr 2023.

Auf dem Gipfel verpflichten sich beide Regierungen dazu, „gemeinsam mit unseren europäischen Partnern eine Einigung über die zukünftige Entwicklung der europäischen Haushaltsregeln zu diskutieren“. Beim Stabilitätspakt, der wegen der Krise bis Ende 2023 ausgesetzt ist, gibt es zwischen beiden Ländern recht unterschiedliche Vorstellungen. In Madrid bezeichnet man es jedoch als „großen Schritt“, dass sich die Bundesregierung generell für eine Reform der strengen Regeln für die Staatsfinanzen offen zeigt.

"Ein deutsch-spanisches Jahr"

Das Treffen diente trotz seiner Kürze und des schlechten Wetters der Inszenierung der gegenwärtig besonders guten Beziehungen. „Es ist gewissermaßen ein deutsch- spanisches Jahr“, so Scholz, „ich glaube, das ist keine Übertreibung.“ Das war nicht immer so. Nach dem sehr engen Verhältnis zwischen Helmut Kohl und Felipe González folgte eine Eiszeit unter Gerhard Schröder und José María Aznar. Angela Merkel und Mariano Rajoy kamen sich 2014 näher, als der Spanien-Premier auf dem Jakobsweg seine galicische Heimat vorstellte. Die Region scheint ein gutes Pflaster für die diplomatischen Beziehungen zu sein.