In Madrid kann es im Januar trotz winterlichem Sonnenschein ganz schön kalt sein. Das hielt die Berater von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez jedoch nicht davon ab, die Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz draußen vor dem Haupteingang zum Moncloa-Palast stattfinden zu lassen. Der neue deutsche Regierungschef war am Montag (17.1.) zum Antrittsbesuch in der spanischen Hauptstadt – die fünfte Station seiner jungen Amtszeit nach Paris, Warschau, Rom und Brüssel. Den frostigen Temperaturen hielten die beiden sozialdemokratischen Politiker einen Schwall warmer Worte entgegen. Sie inszenierten so viel Harmonie, wie man sie eher selten auf solchen Spitzentreffen sieht.

Der „liebe Pedro“ und „mi amigo Olaf“ waren sich ihren eigenen Worten nach auch fast in sämtlichen Bereichen einig, vom Kampf gegen den Klimawandel über die Digitalisierung und Energiewende bis zur Corona-Politik und dem Konflikt in der Ukraine. Lediglich in der Debatte über die Zukunft des europäischen Stabilitätspaktes gab es unterschiedliche Töne. Sánchez wünscht sich, wie Italien und Frankreich, zukünftig eine flexiblere Auslegung der strengen Limits für die Staatshaushalte. Scholz hält davon weniger, er blieb in seinen Antworten in Madrid aber maximal unverbindlich. Das Thema dürfte die Beziehung der beiden Parteifreunde, die sich schon seit einigen Jahren kennen und kooperiert haben, in den kommenden Monaten prägen. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Spanien und Deutschland Großes erreicht haben, wenn sie Hand in Hand gehen“, erklärte Sánchez.

Olaf Scholz und Pedro Sánchez aus madrid berichtet Thilo Schäfer

In der Tat waren die Beziehungen zwischen den diversen Regierungen in Madrid und Berlin seit der Rückkehr der Demokratie in Spanien in der Regel fließend, wenn nicht gar herzlich. Im Gegensatz zu den meisten Ländern Europas hegt man in Spanien keine geschichtlich bedingten Ressentiments gegenüber Deutschland. So wie heute drehte sich das bilaterale Verhältnis oft um die europäische Finanzpolitik.

Kohl und Gonzalez: Die besten Freunde

Helmut Kohl und Felipe González hatten ihrer Zeit einen besonders vertraulichen Umgang, obwohl sie auf verschiedenen politischen Lagern stammten. Der spanische Sozialist war nach dem Fall der Mauer einer der wenigen europäischen Regierungschefs, die unzweideutig hinter der Wiedervereinigung standen. Im Gegenzug stimmte Kohl der Einrichtung der europäischen Strukturfonds zu, von denen Spanien im großen Stil profitiert hat.

José M. Aznar und Gerhard Schröder.

Schröder und Aznar: Die Starrköpfe

Die Nachfolger von Kohl und González, der konservative José María Aznar und der Sozialdemokrat Gerhard Schröder, kamen dagegen lange überhaupt nicht miteinander zurecht. Die Jahre um die Jahrhundertwende markieren ohne jeden Zweifel den Tiefpunkt in den bilateralen Beziehungen. Beim Irak-Krieg schlug sich der Spanier auf die Seite von US-Präsident George Bush und dem britischen Premier Tony Blair, während Schröder mit seinem französischen Kollegen Jacques Chirac die Gegner der Intervention anführte.

Zudem gab es damals viele persönliche Sticheleien. Im Moncloa-Palast ärgerte man sich darüber, dass der Bundeskanzler 2000 darauf bestand, zur Einweihung des Museums von Eduardo Chillida ins baskische Hernani zu reisen. Das hatte Schröder dem Künstler versprochen, von dem auch eine Skulptur vor dem Kanzleramt in Berlin steht. Doch Aznar stand damals auf Kriegsfuß mit den baskischen Nationalisten und wollte auf keinen Fall einen medienwirksamen Besuch eines ausländischen Regierungschefs im Baskenland.

„Ich geh dann mal eine Zigarre rauchen“

Legendär ist der Auftritt Aznars auf dem Europa-Gipfel 1999 in Berlin unter deutschem Vorsitz. Bei der Ausarbeitung des neuen mehrjährigen Finanzplans für die Union feilschte der Spanier um mehr Fördergelder für sein Land und zog das Treffen bis in die frühen Morgenstunden hin, bis Schröder ermattet einwilligte. Aznar hatte seine Partner mit dem Satz „Ich geh dann mal eine Zigarre rauchen“ zu mehreren nächtlichen Verhandlungsrunden genötigt.

Dank der EU-Gelder und der Niedrigzinsen erlebte Spanien dann einen berauschenden Wirtschaftsboom, der zu einer Immobilienblase führte. Deutschland hingegen schlitterte in die Rezession. Nun war es Schröder, der für eine Aufweichung des Stabilitätspaktes warb. Aznar verwies stolz auf die eigenen soliden Zahlen. Dies sei leicht, wenn die EU-Fonds ein Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen, schimpfte Schröder. Zum Ende ihrer Amtszeiten gab es dann eine gewisse Aussöhnung der beiden.

Merkel und Zapatero: Die Krisenmanager

Das Verhältnis von Angela Merkel und José Luis Rodríguez Zapatero stand dann im Zeichen der internationalen Finanzkrise und der geplatzten Immobilienblase in Spanien. Anfang 2008 hielten die beiden einen bilateralen Gipfel auf Mallorca ab. Die Kanzlerin drängte den spanischen Sozialisten in den Folgejahren ohne Erfolg dazu, einen Rettungsschirm zu beantragen.

Merkel und Rajoy: Die Unaufgeregten

Erst der Konservative Mariano Rajoy akzeptierte 2012 eine internationale Geldspritze von 100 Milliarden Euro für die angeschlagenen heimischen Banken. Spanien entging somit anders als Portugal einem vollständigen Rettungsschirm. Merkel und Rajoy waren sich nicht nur politisch nahe, sondern auch in ihrer unaufgeregten, abwartenden Art. Im Sommer 2014 marschierten die beiden mehrere Stunden entlang des Jakobswegs, und Rajoy zeigte der Kanzlerin Santiago, die Hauptstadt seiner galicischen Heimat.

Scholz und Sánchez: Der erste von vielen Arbeitstagen

Ob Sánchez und Scholz einmal gemeinsam wandern gehen, wird sich zeigen. Zunächst einmal ist für das laufende Halbjahr ein neuer deutsch-spanischer Gipfel geplant, nachdem die Pandemie diesen regelmäßigen Austausch der jeweiligen Minister zuletzt verhindert hatte. „Heute war nur der erste von vielen Arbeitstagen, die vor uns liegen“, unterstrich Pedro Sánchez in Madrid.