Bei der juristischen Aufarbeitung des Abwasserskandals in der Bucht von Palma de Mallorca droht der früheren Chefin der Stadtwerke (Emaya) eine Anklage. So wirft der ermittelte Richter Neus Truyol vor, im Zeitraum zwischen November 2016 und September 2018 nicht effizient genug vorgegangen zu sein, um Einleitungen von Abwasser in die Bucht zu verhindern.

Ermittelt wird wegen Umweltdelikten die theoretisch eine Strafe von bis zu fünf Jahren Gefängnis bedeuten können, wie die MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca" berichtet. Die insgesamt fünf Beschuldigten dagegen haben die Einstellung des Verfahrens beantragt. Man dürfe nicht für die Versäumnisse der Vorgängerregierung zur Rechenschaft gezogen werden, so Truyol.

Veraltete Kanalisation

Dass bei praktisch jedem stärkeren Regenfall ungeklärtes Abwasser in die Bucht von Palma fließt, hat mehrere Ursachen, allen voran die überlastete Kläranlage von Coll d'en Rabassa. Das Problem ist aber auch die veraltete Kanalisation: In weiten Teilen der Balearen-Hauptstadt fließen Abwasser und Regenwasser in einer einzigen Rohrleitung ab, sodass die bei stärkeren Niederschlägen zu bewältigende Wassermenge sehr schnell und sehr stark steigt. Deswegen ist schnell ein Limit erreicht, ab dem das vermischte Schmutzwasser direkt ins Meer geleitet werden muss.

Auch wenn es sich um ein seit langem bestehendes Problem handelt, wurden Ermittlungen nach einer Anzeige im Jahr 2016 eingeleitet, als nach Regenfällen Abwasser am Strand von Ciutat Jardí ins Meer floss. Bei Emaya wurde auf die veraltete Infrastruktur verwiesen und darauf, dass Projekte zur Erneuerung der Rohrleitungen und zum Bau einer neuen Kläranlage auf dem Weg seien. Die Ermittlungen wurden daraufhin eingestellt - bis 2018 erneut Anzeigen eingingen.

Die Guardia Civil stellte fest, dass seit der letzten Anzeige nichts zur Behebung der Probleme unternommen worden sei. Berichte ergaben zudem, dass das Ökosystem Schaden zu nehmen drohte und Gesundheitsrisiken bestünden. Diese Passivität der Behörden ist nun Kern der Beschuldigungen. Nun muss das Oberlandesgericht entscheiden, ob es zur Anklage kommt.

Bau der Anlage nicht in ihrer Zuständigkeit

Truyol argumentiert, dass der Bau der Kläranlage nicht in ihrer Zuständigkeit gelegen habe und dass sie alles unternommen habe, um die nötigen Investitionen auf den Weg zu bringen. Die Verzögerungen seien auf die "chaotische und komplexe Situation im Verwaltungsapparat" zurückzuführen. Letztendlich diene sie als Sündenbock, so die Stadträtin, die in dieser Legislaturperiode das Baudezernat leitet.

Inzwischen werden die nötigen Investitionen umgesetzt. Zahlreiche Baustellen in der Stadt zeugen von den Arbeiten zur Verlegung einer neuen Kanalleitung, die Abwässer zu einem neuen Rückhaltebecken transportieren soll. Auch im Gewerbegebiet Son Castelló soll die Kanalisation saniert werden. Der Bau der neuen Kläranlage ist beschlossen, die Arbeiten haben aber noch nicht begonnen. /ff