Eine Ausstellung in Palma de Mallorca feiert die Stärke und den Mut von 25 Künstlerinnen
"Pedres a les butxaques" bei Lluc Fluxà nimmt Bezug auf den Tod von Virginia Woolf, die sich mit Steinen in den Taschen im Fluss ertränkte – und fordert, dass sich Frauen heute von allem befreien, was sie in ihrer Entwicklung hemmt
In einem Schaufenster von Maria de Lluc Fluxàs Kunstraum weckt eine historische Fotografie die Neugier: Auf den ersten Blick zeigt sie Frauen mit einem Automobil, auf den zweiten erkennt man: Die Künstlerin Sara Huete pinnte Nadeln auf die Reifen – als Verweis auf Hindernisse und Stolpersteine. „Sara Huete ist eine Ikone der subtilen Ironie“, sagt Maria de Lluc Fluxà. „Wenn dir jemand die Reifen aufsticht, kommst du nicht mehr vom Fleck. Metaphorisch gesprochen gibt es sehr viele aufgestochene Reifen in der Geschichte.“
Fast alle Frauen ihrer Generation hätten das erlebt, erklärt die 81-Jährige. Nicht zuletzt Fluxà selbst, die zwar zu einer der wichtigsten Unternehmerfamilien der Insel gehört – ihre Brüder stehen hinter der Schuhmarke Camper und der Gruppe Iberostar –, doch für die eine traditionelle Rolle als Ehefrau und Mutter vorgesehen war. Am Ende gelang es ihr, die Reifen zu wechseln und auf einem selbst gewählten Kurs Vollgas zu geben: Als Galeristin und Sammlerin fand sie ihre Bestimmung in der Welt der Kunst.
Rebellieren gegen zugewiesene Rollen
Steine werden Frauen nicht nur in den Weg gelegt, manchmal liegen sie auch auf dem Herzen oder bedeuten sogar buchstäblich den Untergang: Virginia Woolf beschwerte damit ihre Manteltaschen, als sie keine Kraft mehr hatte und sich 1941 im Fluss ertränkte. Die Kollektiv-Ausstellung „Pedres a les butxaques“ (Steine in der Tasche“) ist als Gegensinn dazu gedacht: „Es wird Zeit, dass wir Frauen die Steine aus den Taschen nehmen. Wir können in diesem Leben nicht mit der Rolle, die uns zugewiesen wird, weitermachen, ohne zu rebellieren“, so Fluxà.
Sie wählte Werke von 24 spanischen und internationalen Künstlerinnen aus, viele davon aus der eigenen Sammlung. Eigentlich sind es 25, wenn man Fluxà selbst dazu rechnet, die auch Objekte und Texte beisteuerte. Sieht sie sich inzwischen selbst als Künstlerin? „Das ist die große Frage. Zumindest im Geiste bin ich es wohl.“ Ihre Kunst habe vor allem darin bestanden, anderen Künstlerinnen und Künstlern Sichtbarkeit zu geben, bemerkt sie bescheiden. „Aber Louise sagte mir, dass ich eine Künstlerin bin.“
Freundschaft mit Louise Bourgeois
Damit meint sie natürlich Louise Bourgeois (1911–2010), die sie auf ihrem Weg tief geprägt hat und mit der sie eine besondere Freundschaft verband. Mehrere Werke der französischen Künstlerin sind Teil der Schau, zwischen Objekten nimmt das Buch „Metamorfosis“ einen Ehrenplatz ein, das Fluxà und Bourgeois gemeinsam kreierten. „Femme-Maison“ (Haus-Frau), jenes Bild aus einer Serie, die nackte Frauen mit einem Haus statt einem Kopf auf den Schultern zeigte, und in dem sich Fluxà einst wiedererkannte, hängt in erhöhter, fast wachender Position. „Louise ist die Großmutter von allen hier“, sagt Fluxà.
Psychische und körperliche Krankheit sowie der weibliche Körper und die an ihn gerichteten Erwartungen sind wiederkehrende Themen, zum Beispiel bei einem „Selbstporträt“ von Rossana Zaera Clausell, die an Kinderlähmung und Brustkrebs litt. „Aber sie hatte die Willenskraft und Stärke, sich damit aktiv auseinanderzusetzen“, sagt Fluxà. „Ich glaube, die Kunst ist auch eine Möglichkeit, sich von Ängsten zu befreien, indem man sie hervorholt und teilt.“ So auch die Künstlerin Paloma Navares, die mit vielen Operationen und Leiden an den Augen zu kämpfen hatte, worauf sie mit einer in der Schau gezeigten Arbeit direkten Bezug nimmt.
Träumen ist gut, aufwachen ist besser
Besonders poetische Arbeiten sind etwa „Silenci“ von Dolors Caballero, in der die Stille zugleich von Unterdrückung spricht, oder auch Marta Fonts organische Werke aus kalkigem Ton, die an den Uterus erinnern. „Die Künstlerin bearbeitet das Material mit viel Liebe. Es ist ein Geschenk, die feine Textur berühren zu dürfen“ sagt Fluxà.
Feinsinnig ist indes eine Installation von Tatiana Sarasa, inspiriert von Emily Dickinson (1830–1886): Von Hand ausgeschnittene, im ehemaligen Swimmingpool schwebende Papierfiguren verkörpern die Bildwelten der Dichterin, den inneren Raum ihrer schöpferischen Kraft. Ein Geräusch plätschernden Wassers repräsentiert für Sarasa die Freiheit, in der diese mutige Frau innerhalb ihrer eigenen vier Wände lebte, und den Fluss der Kreativität, durch den sie watete – letzterer versinnbildlicht durch ein weißes Kleid, das die Künstlerin teils in Indigoblau tauchte. In einem Video spielen Bettlaken auf das Träumerische an. Denn Dickinson schrieb: „Dreams – are well – but Waking’s better.“
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