Vielseitig und mit Sinn für Humor: Ausstellung in Palma de Mallorca beschäftigt sich mit der Künstlerin Dolores Sampol

Im Jahr 2020 verstarb die mallorquinische Malerin im Alter von nur 65 Jahren. Das Casal Solleric widmet der Künstlerin eine mit viel Herzblut gestaltete Retrospektive

Ein Werk aus der Ausstellung.

Ein Werk aus der Ausstellung. / Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Das Wort „elegant“ kommt einem als Erstes in den Sinn, wenn man das exquisite Selbstporträt der in Palma geborenen Künstlerin Dolores Sampol (1954–2020) mit den feinen Gesichtszügen, der Grazie, dem ernsten Blick und der ruhigen Aura betrachtet. Und es fällt auch immer wieder, wenn Bel Font, die Leiterin der Galerie 6A, fast zärtlich über diese Frau spricht, deren Retrospektive im Casal Solleric sie kuratieren durfte. „Es ist eine Hommage ihrer Kunst wie ihrer Person, und eine Ausstellung auf Museums-Niveau“, sagt Font. Die Schau vereint mehr als 60 Gemälde und ebenso viele Zeichnungen und Notizen.

„Für mich ist das Wichtigste, dass Dolores Sampol als Malerin zu einer Generation gehört, die den Weg für die überregionale Positionierung der Balearen in der zeitgenössischen Kunst geebnet hat, indem sie auch auf internationalen Kunstmessen ausstellte“, sagt Bel Font. „Ihr Name ist unweigerlich mit dem Namen unserer autonomen Gemeinschaft verbunden.“ Nach Abschluss des Kunststudiums in Barcelona 1976 widmete sich Sampol zunächst rund zehn Jahre lang der Restaurierung und Konservierung von Kunstwerken aus vergangenen Jahrhunderten.

Ein Wissen, das kaum ein anderer Künstler hat

„Dadurch erwarb sie ein Wissen, das beeindruckend ist und das kaum ein anderer Künstler hat. Es machte sie einzigartig“, betont Font. Ihre Herangehensweise sei sehr akademisch gewesen: Dolores Sampol malte kein Motiv, ohne es vorher mit vorbereitenden Zeichnungen zu studieren. Ihr tiefgehendes, technisches Verständnis von Malerei und Farbe prägte ihr eigenes, äußerst vielfältiges Werk, das sich in verschiedenen Etappen immer weiterentwickelte.

In den Augen der Kuratorin gibt es keine einzige Arbeit in der Schau, die entbehrlich wäre. Es ist nicht leicht, mehr als 30 Jahre der Tätigkeit als Malerin zu resümieren und jeden Aspekt ihres Schaffens zu würdigen – und den einzelnen Werken dennoch Luft zum Atmen zu lassen. Font ist das Kunststück gelungen – selbst wenn man mit Leben und Werk der Mallorquinerin nicht vertraut ist, gewinnt man beim Rundgang den Eindruck, sie immer besser zu kennen.

Dolores Sampol in einem Selbstporträt.

Dolores Sampol in einem Selbstporträt. / Brigitte Rohm

Sinn für Gerechtigkeit und Charakter

„Als zurückhaltende Frau, kultiviert, diskret, fordernd, ehrlich, elegant, mit einem feinen und intelligenten Sinn für Humor, einem starken Sinn für Gerechtigkeit, mit Charakter, ernsthaft, akribisch, eine stolze Mutter, hinterließ sie in der Malerei einen wichtigen Teil von allem, was sie ausmacht, immer in akademischem Gewand“, schrieb Font im Ausstellungstext.

Durch die Gestaltung der Ausstellung habe sie all das widerspiegeln wollen, was die Malerin als Person ausmachte, erklärt die Kuratorin. Die Reise beginnt ganz persönlich, mit intimen Porträts von Sampols kleinem Sohn Guillem und der Familie sowie zwei Selbstporträts – Bilder, die noch vor ihrer ersten Solo-Ausstellung im Jahr 1989 entstanden waren. Andere Räume sind Themen wie dem Interesse für die Dynamik von Zirkuskünstlern oder Kreiseln in Bewegung, für Alltagsgegenstände oder Motive aus der Natur gewidmet.

Auch umwelt- und sozialpolitische Themen

Immer reicher wird dabei das Register, immer experimenteller die Wahl der Technik. Sampol verstand es, eine Landschaft mit ebenso viel Erhabenheit festzuhalten wie ein Bund Lauch als Lithografie. Umwelt- und sozialpolitische Themen sind bei ihr ebenfalls präsent: So gibt es etwa Arbeiten, die sich mit den Häftlingen von Guantanamo auseinandersetzten.

In den letzten Räumen, die viele Collagen enthalten, ist auch der Einfluss der gotischen Flügelaltare sichtbar, die Sampol einst restaurierte, und deren Geist sie als bemalte Trennwände heraufbeschwört. „Sie gelangte vom Realismus zu einem extremen Realismus, mit einer Technik, die man als Trompe-l’œil bezeichnen könnte. Das ist ihre letzte Etappe“, sagt Bel Font. Die Kuratorin, die in vielen Projekten mit Sampol zusammengearbeitet hatte, erlebte die Gestaltung der Ausstellung als emotionale Berg- und Talfahrt. Es sei „sehr hart“ gewesen, Sampols Kunst nach ihrem Tod zu interpretieren. „Doch am Ende habe ich mich von ihrem Werk leiten lassen.“