Mallorca Zeitung

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Neue Ausstellung in Palma de Mallorca zeigt Schätze aus dem British Museum

Kein Thema in der Kunst ist so universell und steht uns selbst so nah wie der Mensch. Eine große Ausstellung in Palma geht mit 149 Exponaten der Frage nach, wie wir uns selbst sehen und verewigen

Diverse Objekte in der Ausstellung "La imagen humana" im CaixaForum. Tino Gil

Was ist der kleinste gemeinsame Nenner zwischen einem modellierten Schädel aus dem antiken Jericho (im heutigen Westjordanland), einer Buddha-Figur aus Pakistan und Barack Obamas Wahlkampf-Motiv? Alle drei sind letztendlich menschliche Darstellungen. Ein weites Feld, wahrscheinlich das weiteste überhaupt in der Kunstgeschichte – und Gegenstand der Ausstellung „La imagen humana. Arte, identidades y simbolismo“, die nach mehreren Stationen ab dem 11. November im CaixaForum Palma zu sehen sein wird. Wie üblich gibt es dazu auch ein begleitendes Programm mit Führungen, Konferenzen und spielerischen Aktivitäten für Familien.

Es ist bereits das sechste Projekt, bei dem die Fundación La Caixa mit dem British Museum zusammenarbeitete. Somit finden sich unter den 149 Exponaten neben zeitgenössischen Werken aus der Sammlung der Stiftung auch viele Schätze aus den umfangreichen Beständen des Museums – wie den eingangs erwähnten Schädel, der auf 8000 vor Christus datiert und das älteste Stück der Schau ist. Unter den Künstlern stechen etwa Henri Matisse, Goya, Manet, Madrazo, Tàpies, Albrecht Dürer, Christopher Williams, Vanessa Beecroft oder Tom Wesselmann heraus.

Fünf verschiedene Themenbereiche

Der Rundgang der Ausstellung ist nicht chronologisch, sondern thematisch angelegt – und soll den Besuchern vermitteln, dass unser Interesse daran, uns selbst abzubilden, alle kulturellen, zeitlichen und geografischen Grenzen sprengt. Der erste von fünf Bereichen geht der „idealen Schönheit“ auf den Grund: Seit Jahrtausenden bringen die Menschen Kunst mit „perfekten“ Körpern hervor. So sehr sich die einzelnen Vorstellungen davon unterscheiden – wichtige Indikatoren für Vollkommenheit, die sich durch nahezu alle Kulturen und Epochen ziehen, sind Symmetrie, harmonische Proportionen und Jugend.

Ein besonderer Akzent liegt auf der Repräsentation des weiblichen Körpers. Dieser wurde schon bei einer 5000 vor Christus gefertigten, kurvenreichen Skulptur aus Syrien mit Fruchtbarkeit assoziiert – und aus der Perspektive männlicher Künstler allzu oft zum passiven Objekt der Begierde degradiert.

Obgleich in der zeitgenössischen Kunst kaum mehr nach idealer Schönheit gestrebt wird, ist das Thema in der Mode und der Werbung noch präsent. Eine Fotografie von Christopher Williams scheint auf den ersten Blick diesen vertrauten Kanon sexualisierter Bilder zu bedienen. Tatsächlich entlarvt sie mit Details wie schmutzigen Füßen oder Klemmen am Büstenhalter jedoch die Falschheit dieses „Ideals“.

„Untitled (Study in Yellow and Red/Berlin)“ von Christopher Williams.

„Untitled (Study in Yellow and Red/Berlin)“ von Christopher Williams. Colección ”la Caixa”. Arte Contemporáneo.

Weg vom Allgemeingültigen, hin zum Persönlichen geht es im Bereich „Porträts“, die per Definition Abbilder von konkreten Personen sind. Und doch eröffnet dieses Genre eine enorme Bandbreite – stilistisch gesehen von mimetischem Realismus über idealisierten Naturalismus bis zur Abstraktion, aber auch konzeptuell: Denn neben dem individuellen Charakter und Erscheinungsbild kann ein Porträt ebenso die soziale Stellung untermauern.

Antike Götter bis Donald Trump

Besondere Bedeutungen haben jene Darstellungen des Menschen, die in den Räumen „Der göttliche Körper“ und „Der politische Körper“ unter die Lupe genommen werden: Götter und Göttinnen, Heilige, heilige Vorfahren und andere übernatürliche Wesen erfordern eine eigene Bildsprache, um deren Persönlichkeit und Tugenden zu vermitteln. Die Bandbreite an Beispielen in der Ausstellung reicht von einem römischen Marmorkopf des Gottes Apollon und Figuren des Hindu-Gottes Vishnu, eines sitzenden Buddha oder des ägyptischen Gottes Amun-Ra bis hin zu einer Jungfrau Maria mit Jesuskind aus dem 15. Jahrhundert und Vanessa Beecrofts zeitgenössischer „Black Madonna with Twins“.

Kopf Alexanders des Großen, 2. Jhdt. n. Chr.

Kopf Alexanders des Großen, 2. Jhdt. n. Chr. © Trustees of the British Museum

Bei der Darstellung von Herrschern, Monarchen und politischen Führern ist das Ziel ikonischer Bilder, Autorität und Macht auszudrücken und ein glorreiches Zeugnis der großen Taten für die Nachwelt zu erhalten. Das galt schon bei einem Porträt aus der Sammlung des Museo Nacional del Prado, das Luis de Madrazo malte: Königin Isabella I. von Kastilien, stehend in scharlachrotem Gewand, mit Krone, Zepter und Gebetbuch. Und es gilt heute noch, wenn Barack Obama oder Donald Trump sich die Macht der Bilder bei funktionalen Objekten wie Ansteckern für ihre Unterstützer im Wahlkampf zunutze machen.

Drastisch veränderte Körper

Der letzte Themenbereich widmet sich der „körperlichen Transformation“. Auch die Darstellung drastisch veränderter menschlicher Körper zieht sich als Phänomen durch zahlreiche Kulturen. Das Accessoire par excellence ist dabei die Maske, welche die Identität des Einzelnen verbirgt — ob im Theater, beim Karneval oder in einer religiösen Zeremonie.

Einige Werke in der Ausstellung spielen auf dämonische Besessenheit oder magische Metamorphosen an. Eine Schnitzerei aus einem Kwakiutl-Dorf an der nordamerikanischen Pazifikküste zeigt eine solche Formveränderung: Ein Schamane verwandelt sich in einen Bären, eines der Urtiere, von denen die Kwakiutl abzustammen glauben.

Manipulation und Verzerrung des menschlichen Bildes vermag aber auch, Urängste und extreme emotionale Zustände auszudrücken – wie bei den entmenschlichten Soldaten mit Gasmasken in Otto Dix’ verstörender Radierung „Sturmtruppe geht unter Gas vor“.

Wem das ein zu düsteres Ende ist, dem sei zum Abschluss noch ein Gang durch die zweite neue Ausstellung im CaixaForum empfohlen, die am 3. November eröffnet hat: „El jardín de Anglada-Camarasa“ thematisiert die Leidenschaft des Malers für Blumen, die zu einem zentralen Thema seiner Kunst wurden.

"La imagen humana. Arte, identidades y simbolismo". Vernissage: 10. November, 19 Uhr, bis 9. April 2023, Tägl. 10-20 Uhr, CaixaForum Palma, Plaça Weyler, 3. Weitere Infos unter: caixaforum.org/es/palma 

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