Meinung | inselstimmen

Wozu mehr Gleichstellungspolitik in Spanien und auf Mallorca? Läuft doch!

44 Prozent der spanischen Männer fühlen sich diskriminiert. Die Kolumnistin Carmen Lumbierres seziert sarkastisch deren Gefühl, ein Opfer zu sein

Demo gegen Frauengewalt

Demo gegen Frauengewalt / Fernando Sánchez/EUROPA PRESS/dpa

In Spanien sind 44 Prozent der Männer der Meinung, dass die Gleichstellungspolitik zu weit gegangen ist und sie nun die Diskriminierten sind. Es handelt sich nicht um eine Meinung zu objektiven und überprüften Fakten, die eher in die entgegengesetzte Richtung weisen, sondern um eine subjektive Wahrnehmung. Das Gefühl, ein Opfer zu sein, verschwindet nicht dadurch, dass man vor einen Spiegel gestellt wird, denn man will sich darin nicht erkennen.

Wie der Hauptdarsteller in dem Film „Anatomie eines Sturzes“ haben viele mehr vom Leben erwartet, wo sie doch im Geiste von „Kind, du bist viel wert“ erzogen wurden. Der Übergang ins Erwachsenenleben lehrt einen jedoch, dass man für Eltern und Freunde vielleicht viel wert ist, aber auf dem Markt oder für das Kapital weniger, als man erwartet hatte. Mit dem eigenen Wert ist es unmöglich, ein Gehalt zu verdienen, das einem erlaubt, das Leben zu führen, das man gewohnt ist, eine angemessene Wohnung zu finden, den Freunden eine Runde auszugeben.

Es sind immer die anderen

Da ist gleichgültig, dass du ihnen erklärst, dass Frauen nur 25 Prozent der Lehrstühle oder 38 Prozent der Verwaltungsräte der Unternehmen im Börsenindex Ibex stellen – sie besetzen ja auch keine dieser Positionen. Dass es 83.341 aktive Fälle von Opfern häuslicher Gewalt gibt, interessiert sie ebenso wenig, wie dass es im letzten Jahr 3.693 Vergewaltigungsanzeigen gab. Sie haben nie eine Hand gegen eine Frau erhoben, das sind die anderen.

Ihr bestes Selbstbild liefert ihnen dasselbe Meinungsforschungsinstitut CIS: 91,4 Prozent sind sehr damit einverstanden, 16 Wochen Elternzeit in Anspruch zu nehmen. 98,7 Prozent glauben, dass sie einen gleichberechtigten Anteil an den Hausarbeiten übernehmen, und 88 Prozent sind der Ansicht, dass Freunde, die sich chauvinistisch verhalten, kritisiert werden sollten. Na, dann ist ja alles in Ordnung. Wozu noch mehr Gleichstellungspolitik, läuft doch. Das wollen wir zumindest glauben, wo die Fakten schon so kalt und grausam sind.

Carmen Lumbierres ist Kolumnistin der MZ-Schwesterzeitung "El periódico de Aragón"

Abonnieren, um zu lesen