Steuerverschwendung, Verkehrschaos oder unbedingt notwendig: Palmas Großprojekt am Paseo Marítimo

Der Umbau der Flaniermeile hat begonnen, die ersten Bäume wurden schon gefällt. Was Passanten, Umweltschützer und Wirte von der zweijährigen Großbaustelle halten

Die Umbaumaßnahmen am Paseo Marítimo in Palma de Mallorca haben begonnen

Die Umbaumaßnahmen am Paseo Marítimo in Palma de Mallorca haben begonnen / Manu Mielniezuk

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Nach Großbaustelle sieht es an diesem Freitagvormittag (30.12.) am Paseo Marítimo in Palma nicht aus. In der Nähe des Auditoriums fehlen auf dem Mittelstreifen ein paar Bäume. Ein Bagger hat die Wurzeln ausgehoben. Ein markanter Holzduft liegt in der Luft. Ein Bauarbeiter sitzt am Straßenrand und macht gerade Frühstückspause. Der Verkehr fließt, die überwiegend ausländischen Passanten nehmen kaum Notiz von den Änderungen.

Lediglich der Radweg deutet darauf hin, dass hier ein großes Projekt ansteht. Auf dem Gehweg am Hafen wurde bereits ein Teil der Pflastersteine mit einer Betonschicht geglättet und mit gelber Farbe eine alternative Fahrbahn für Fahrräder, Elektroroller und Inliner geschaffen. Die Radler sind verwirrt, welchen der beiden Wege sie nun nutzen sollen.

Bislang ist der Paseo mehr Autobahn als Spazierweg.

Bis Sommer 2024 soll die Flaniermeile komplett umgestaltet werden (MZ berichtete). „Das Projekt ist auf zwei Jahre ausgelegt. Das braucht seine Zeit. Ich komme jeden Tag hier entlang und bemerke die kleinen Veränderungen“, sagt ein älterer spanischer Anwohner, der seinen Dackel spazieren führt. Er befürwortet die Bauarbeiten. „Bislang ist der Paseo mehr Autobahn als Spazierweg. Es ist gut, dass man den Fußgängern nun eine höhere Priorität als den Autos einräumt.“ Besonders auf der vom Meer abgewandten Straßenseite sei es notwendig, Platz zu schaffen: In Partynächten am Wochenende stehen Fußgänger an manchen Stellen Schlange, um sich durch die Menschenmenge zu zwängen.

Sorge um Parkplätze

Das sehen jedoch nicht alle so. „Wer geht denn schon auf der anderen Straßenseite spazieren?“, fragt eine junge Frau, die mit einer Freundin unterwegs ist. „Schon jetzt herrscht auf dem Paseo Marítimo regelmäßig ein Verkehrschaos. Wie soll das werden, wenn Spuren eingespart werden?“ Sie wohne in der Straße hinter dem Marítimo und habe bislang keine Probleme bei der Parkplatzsuche gehabt. Aber durch die Umbauarbeiten fallen viele Stellplätze an der Promenade. „Dann wird es in meinem Viertel umso voller.“

"Schandfleck Palmas"

Die Arbeiten an sich stören die Anwohner weniger. „Ich nehme es in Kauf, wenn ich zwei Jahre lang Staub von meinem Boot spülen muss, das im Hafen liegt. Dafür wird das Gebiet dann umso schöner“, sagt der Mann mit Hund. Vor allem Richtung Einkaufszentrum Portopí, wo früher die Diskothek Pacha war, sei der Paseo ein Schandfleck. „Alle Wände sind mit Graffiti zugesprüht. Es liegt Müll herum, und die Leute betteln auf der Straße. Für viele Kreuzfahrturlauber ist es das erste Bild, das sie von Palma sehen.

An der beschriebenen Stelle ist die erste Phase des Baumfällens abgeschlossen. Seit Montag (2.1.) sind die Gärtner eine Woche lang auf Höhe des Hotels Victoria Gran Meliá tätig. 69 Bäume sollen nach Möglichkeit verpflanzt werden, neu hinzu kommen am Paseo Marítimo 1.820 Bäume und 512 Palmen.

Die Stadt tauscht Bäume wie Laternen aus. Das ist bestialisch.

Umweltschützer sind weniger begeistert über das Projekt. „Die Stadt tauscht Bäume wie Laternen aus. Das ist bestialisch“, kritisiert Toni Calafell vom balearischen Baumverband ABA gegenüber der mallorquinischen Lokalpresse und moniert, dass sein Verein bei der Planung nicht einbezogen worden sei. In Zeiten des Klimawandels müsse man zwei Mal überlegen, ehe man einen Baum fällt. Man prüfe juristische Schritte.

Das sagen die Wirte

Der große Nutznießer der Umgestaltung sind neben den Fußgängern die Wirte. Könnte man zumindest meinen. Schließlich bekommen sie theoretisch mehr Platz, um Tische und Stühle auf den bisher schmalen Gehweg zu stellen. Doch der irische Barkeeper John vom Kenzo neben der Eisdiele La Boutique de Gelato klingt alles andere als erfreut. „46 Millionen Euro an Steuergeldern pumpt die Stadt in ein Projekt, das letztlich nur den neuen Club de Mar begünstigen wird“, vermutet er. Seine Bar hat den Premiumspot am Paseo, den bislang einzigen breiteren Abschnitt auf der vom Meer abgewandten Seite. „Auf meiner Terrasse kann ich derzeit 300 Leute bewirten. Mehr brauche ich nicht, und mehr werde ich auch nicht genehmigt bekommen.“

Um Mitternacht geht die Party los. Genau zu dem Zeitpunkt, wo in Palma die Terrassen geschlossen werden müssen.

Doch wie sieht es bei den vielen Kneipen aus, wo bislang kaum ein Tisch vor die Tür passt? „Das sind alles Diskotheken. Deren Lizenz verbietet es, tagsüber aufzumachen“, so John. Das Geschäft laufe vor allem nachts. „Um Mitternacht geht die Party los. Genau zu dem Zeitpunkt, wo in Palma die Terrassen geschlossen werden müssen.“ Mehr Platz begünstige die Saufgelage, die Jugendliche dann auf dem Gehweg abhalten. „Die Sicherheitskräfte haben doch jetzt schon alle Hände voll zu tun.“

Dass die Flaniermeile aufgehübscht wird, sei daher kein Vorteil. „Zwei Jahre werde ich mit Baulärm arbeiten müssen. Wer will denn neben einem Bagger Kaffee trinken?“ Und danach? „Wer weiß, ob wir dann noch geöffnet haben.“ Selbst den neuen Bäume kann der Ire nichts Positives abgewinnen. „Beim nächsten Sturm wird dann die ganze Straße gesperrt, wie derzeit schon vor dem Regierungssitz.“