Spanien-Wahlen am 23. Juli: Was soll passieren, falls die Volkspartei gewinnt?

Die PP, Favorit bei dem Urnengang, hat ihr Programm vorgestellt. Der „sanchismo“ soll im Fall eines Sieges getilgt werden – aber man wolle nicht die gesamte Politik der Linken rückgängig machen

PP-Chef Alberto Nuñez Feijóo nach einer Sitzung seiner Partei am Montag (29.5.).

PP-Chef Alberto Nuñez Feijóo nach einer Sitzung seiner Partei am Montag (29.5.). / Eduardo Parra / Europa Press

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Alberto Núñez Feijóo gab sich siegesgewiss, als er am Dienstag (4.7.) im Palacio de Linares in Madrid das Programm seiner konservativen Volkspartei (PP) für die vorgezogenen Parlamentswahlen am 23. Juli präsentierte. In den Umfragen liegt der Oppositionsführer weiterhin vorne, doch konnten die Sozialisten (PSOE) von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez sowie das neu formierte Linksbündnis Sumar seiner Stellvertreterin Yolanda Díaz zuletzt ein wenig Boden gutmachen.

Was kann Spanien im Falle eines Regierungswechsels erwarten? Núñez Feijóo hob in seiner Rede in Madrid weniger auf die Inhalten des gut 100-seitigen Programms als auf der Marschroute ab, die der PP bei den kommunalen und regionalen Wahlen am 28. Mai bereits Erfolg bescherte. „Wir werden den sanchismo abschaffen“, erklärte der Kandidat. Damit ist vornehmlich der Regierungsstil des Sozialisten gemeint, dessen Minderheitsregierung im Parlament bei wichtigen Projekten von den Stimmen der baskischen und katalanischen Separatisten abhing. Núñez Feijóo verspricht auch eine Entpolitisierung der Justiz und anderer staatlicher Institutionen – eine Maßnahme, welche die Konservativen freilich nicht angegangen waren, als sie zuletzt an der Macht waren.

Weg mit dem "Sanchismo"

Den sanchismo abzuschaffen bedeutet konkret, das Wohnungsgesetz der Linksregierung mit seinen Mietpreisbremsen zu kippen. Das Gesetz zur Vergangenheitsbewältigung, mit dem die Franco-Diktatur aufgearbeitet werden soll, will die PP durch ein Gesetz zur „nationalen Versöhnung“ ersetzen. Mit Blick auf die Separatisten in Katalonien wollen die Konservativen das Strafgesetz wieder verschärfen.

Pedro Sánchez am Montag (29.5.) bei der Ankündigung der vorgezogenen Neuwahlen.

Pedro Sánchez am Montag (29.5.) bei der Ankündigung der vorgezogenen Neuwahlen. / Borja Puig de la Bellacasa / Efe / Pool

Ein großer Wurf ist unter den 365 Einzelmaßnahmen nicht zu finden, konkrete Zahlen sind Mangelware. Die PP stellt eine Steuerreform in Aussicht, die mittlere und untere Einkommen begünstigen soll, jedoch ohne Details zu nennen. Konkret ist dagegen die Ansage, dass man die von der Linksregierung eingeführte „Reichensteuer“ auf Einkommen über drei Millionen Euro sofort abschaffen werde. An der Sondersteuer auf Zugewinne der Banken und Energieversorger infolge steigender Zinsen und Gaspreise wollen die Konservativen nun doch festhalten, nachdem sie monatelang dagegen gewettert hatten. Man werde lediglich Korrekturen vornehmen.

Was soll bleiben?

Auch die Arbeitsmarktreform, welche Arbeitsministerin Yolanda Díaz mit den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden beschlossen hatte, ist für Núñez Feijóo nun „im Wesentlichen gut“. Vergangenes Jahr hatte die PP gegen die Reform gestimmt. Doch seit Inkrafttreten der Maßnahmen ist der Arbeitsmarkt weiter gewachsen und der einst chronisch hohe Anteil an Zeitarbeit in Spanien stark gesunken. Er wolle den sanchismo abschaffen, aber keine Rache an der Linksregierung nehmen, erläuterte Núñez Feijóo der Parteispitze. „Ich sage das angesichts der Überraschung bei einigen über unsere Entscheidung, beispielsweise die Arbeitsmarktreform nicht zurückzunehmen, sondern zusammen mit den Sozialpartnern Anpassungen zu vereinbaren“, so Núñez Feijóo.

Und der Umweltschutz?

Der Klimawandel und der Umweltschutz finden in den 108 Seiten nur sehr kurz Erwähnung. Die PP fühlt sich diesen Zielen verpflichtet, jedoch müsse immer der Ausgleich zwischen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen gefunden werden. Man wolle die Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien beschleunigen. Zur Finanzierung des bürokratischen Mehraufwands soll eine neue Gebühr auf Ökostromprojekte eingeführt werden. Ein „nationaler Wasserpakt“ soll die bestehenden, knapper werdenden Ressourcen effizienter und besser verteilen. Naturschutzgebiete wie der Doñana-Park in Andalusien will die Partei schützen. Die dortige PP-Regierung hatte vor Kurzem mit ihrem Plan, Hunderte illegaler Brunnen für den Erdbeeranbau zu genehmigen, für einen Aufschrei bei Umweltschützern, der Europäischen Kommission und der Unesco gesorgt.

Sozialpolitik

Die Konservativen verpflichten sich darüber hinaus zum Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen. „Wir lassen nicht einen Rückschritt bei einem so schwerwiegenden Thema zu, das außerdem in unserer Gesellschaft einen breiten Konsens hat“, heißt es im Programm. Ähnliches gilt für die Rechte der LGTBI-Gemeinde. In diesen beiden Punkten könnte die PP beim Wahlvolk jedoch ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen. Denn in Koalitionen mit der Rechtspartei Vox in Gemeinden und einigen Regionalregierungen machten die Konservativen nach den Wahlen vom 28. Mai große Zugeständnisse. So wurde an manchen Rathäusern die Regenbogenflagge der LGTBI-Bewegung entfernt sowie Ministerien und Stellen für Gleichberechtigung und gegen häusliche Gewalt in Familienministerien umfunktioniert, welche die „intrafamiliäre Gewalt“ bekämpfen sollen.

Núñez Feijóo hofft, dass er eine ausreichende Mehrheit am 23. Juli erzielen wird, sodass er auf Vox in der Regierung verzichten kann. Denn eine Koalition mit den Rechtspopulisten würde Spaniens internationales Ansehen nicht gerade fördern, gerade jetzt, da das Land zum 1. Juli den turnusgemäßen Ratsvorsitz der Europäischen Union übernommen hat. Beim Antrittsbesuch in Madrid am Montag (3.7.) erklärte die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon mal, dass sie unabhängig vom Ausgang der Wahlen auf „den europäischen Geist Spaniens“ vertraue.

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