Was die Mallorca-Milch der Insel wert ist

Die Molkerei Agama droht, den Ankauf von Inselmilch drastisch zurückzufahren – weil die Verbraucher sie nicht mehr zu schätzen wüssten. Doch so einfach ist es nicht

Die Zahl der Milchkühe auf der Insel sinkt seit Jahren.

Die Zahl der Milchkühe auf der Insel sinkt seit Jahren. / Nele Bendgens

Mallorcas Milchviehbetriebe fürchten um ihre Existenz. Die größte Molkerei der Insel, Agama mit Sitz in Palma, droht damit, in den kommenden Monaten die Aufkäufe bei den Produzenten um 40 Prozent zurückzufahren, wenn keine zusätzlichen öffentlichen Hilfen fließen sollten. Für die Milchbauern wäre das der „Todesstoß“, warnen die alarmierten Agrarverbände.

Agama gehört seit 2017 zu dem katalanischen Bier-Giganten Damm und kaufte 2022 von sechs Milchviehbetrieben auf Mallorca rund 8,5 Millionen Liter Rohmilch auf – das entspricht rund 80 Prozent der Gesamtproduktion der Insel. Davon gingen nur rund vier Millionen Liter auf der Insel als Milchprodukte in den Verkauf – Agama stellt auch den Schokodrink Laccao her. Die andere Hälfte der Produktion müsse das Unternehmen mit deutlichen Preisabschlägen an Molkereien auf dem spanischen Festland weitergeben, erklärt Josep Barbena, der bei Damm für die Milchsparte zuständig ist. Ein Verlustgeschäft.

Auf der Insel ist alles teurer

Laut Agama sind die Herstellungskosten der Milchprodukte auf Mallorca 20 Prozent höher als auf dem Festland – wobei davon nur ein Teil auf die Milchviehbetriebe entfalle, die mit zuletzt 56 Cent pro Liter Rohmilch drei bis vier Cent mehr als die Betriebe auf dem Festland erhielten. Zusammen mit den Produktionskosten führe das dazu, dass die Agama-Milch um 18 Prozent teurer sei als die Markenmilch des Marktführers und sogar 50 Prozent teurer als die Milch der Billigmarken.

In Zeiten von auch anderweitig gestiegener Preise ist das starker Tobak für die Verbraucher. Von 100 auf Mallorca verkauften Packungen Milch seien derzeit gerade einmal vier von Agama, so Josep Barbena. Beinahe vorwurfsvoll merkte er vergangene Woche an: „Die Verbraucher kaufen keine Produkte mehr mit Mehrwert wie unseres, bei dem es sich um ein lokales Erzeugnis handelt. Sie kaufen einfach nur das Billigste.“

Verträge mit Milchviehbetrieben laufen aus

Die Verträge mit den Milchviehbetrieben laufen am 30. September aus. Agama hatte den Aufkauf der Milch bereits im Sommer um zehn Prozent auf 7,6 Millionen Liter reduziert. Im Sommer 2024 könnten es nur noch 4,5 Millionen Liter sein, so das Unternehmen die Drohung wahr macht und den Aufkauf um 40 Prozent reduziert.

Zwei der sechs Betriebe würden danach den Abnehmer ihrer Rohmilch verlieren und müssten womöglich schließen, so sich kein anderer Käufer findet (wobei Agama, wohl um die Gemüter zu beschwichtigen, die Vermittlung einer anderen Molkerei in Aussicht stellt). Um all dies zu verhindern, fordert der Damm-Ableger Subventionen von der Balearen-Regierung sowie weitere Millionenbeträge aus den NextGeneration-Fonds der EU.

„Mangelnde Kreativität“

So weit die Sicht von Agama. Dass der dahinterstehende Bier-Gigant, der mit millionenschweren Marketingkampagnen „Estrella Damm“ vertreibt und Marken wie „Rosa Blanca“ erfolgreich auf den Markt gebracht hat, sich nicht anders zu helfen weiß, als nach Hilfen zu schreien, stößt im Landwirtschaftsministerium sauer auf. Dessen neuer Chef Joan Simonet warf Damm vor, den Fokus des Problems zu verschieben. „Es handelt sich um ein Problem der Vermarktung und des Absatzes. Für die Verluste (von Agama, Anm. d. Red.) müssen doch nicht die Bauern aufkommen“, ließ sich Simonet in einer Pressemitteilung zitieren. Vor den Kameras des Regionalsenders IB3 warf der ehemalige Vorsitzende des Bauernverbandes den Verantwortlichen des Unternehmens „mangelnde Kreativität“ bei der Vermarktung vor.

Die Landwirte sehen das ähnlich. Sollte Agama die Pläne wirklich umsetzen, 40 Prozent weniger Milch ankaufen zu wollen, sei das der „endgültige Todesstoß für die Milchwirtschaft auf Mallorca“, hieß es auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz aller Bauernverbände. Agama fahre einen Schlingerkurs, der es unmöglich mache, verlässlich zu planen. Erst vor einem Jahr habe das Unternehmen angekündigt, statt acht in Zukunft zwölf Millionen Liter ankaufen zu wollen.

Auch Landwirte wollen Hilfen

Auch die Landwirte beklagen die Nachteile der Insellage und fordern von der Balearen-Regierung weitere Hilfen dafür, dass die Produkte von der Insel zu wettbewerbsfähigen Preisen auch auf dem spanischen Festland verkauft werden können. Zudem appellierten sie an die Landesregierung, die im Tourismusgesetz verankerte Pflicht der Hotels zu überprüfen, zwischen drei und fünf Prozent lokale Produkte zu kaufen. Außerdem solle die Politik darüber nachdenken, diesen Prozentsatz weiter anzuheben.

Nun wird hinter verschlossenen Türen nach einer Lösung gesucht. Der Verband der Lebensmittel- und Getränkelieferanten auf den Balearen hat bereits angeboten, den Vertrieb der überschüssigen Milch zu übernehmen, so Agama sie weiterhin in Tüten und Flaschen zur Verfügung stelle. Und die Landesregierung prüft, wie sie mit Finanzspritzen für den Transport den Landwirten den Direktverkauf auf dem Festland erleichtern kann. Damit wäre dann Agama und dessen „chaotische“ Preisgestaltung und -kontrolle (O-Ton Landwirtschaftsminister Joan Simonet) umgangen.

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