Der Werbe-Etat von Ecoembes erscheint unerschöpflich: In ganzseitigen Anzeigen und Werbespots in Dauerschleife appelliert das Unternehmen an die Bürger, möglichst fleißig und korrekt ihren Müll zu trennen. Die Botschaft lautet: Wenn alle dem Aufruf folgen, klappt es auch mit dem Recycling. Nur wenig Widerhall findet dagegen eine Kampagne von Greenpeace mit einer ganz anderen Botschaft: Wenn es mit dem Recycling gerade auch auf den Balearen bislang wenig klappt, dann liege das weniger an der mangelnden Kooperation der Bürger als am System selbst - und in diesem ist Ecoembes weniger Teil der Lösung als Teil des Problems. „Ecoembes lügt", so der Titel eines Berichts der Umweltorganisation.

Kernaussage: Rund 40 Prozent des Verpackungsmülls, den die Insel-Bewohner im gelben Container einwerfen, würden gar nicht recycelt, sondern landeten im Verbrennungsofen von Son Reus. Das liege daran, dass sich ein beträchtlicher Teil der Verpackungen in der Praxis gar nicht wiederverwerten lasse. Dazu gehörten etwa Tetrapacks, von denen sich nur der Papieranteil recyceln lasse, Joghurtbecher, die durchs Raster fielen, oder Verbundstoffe wie etwa bei Tüten für Kartoffelchips.

Insgesamt landen laut Greenpeace spanienweit nur 25 Prozent der Plastikverpackungen in der Wiederverwertung - und das, obwohl Ecoembes von den Herstellerfirmen pauschal für alle produzierten Verpackungen kassiere, die den grünen Punkt tragen. Obwohl sich die Firma als wohltätige Vereinigung darstelle, sei sie letztlich ein Lobbyist, hinter dem große Hersteller wie Coca-Cola oder Nestlé stehen, die von der Plastiklawine unabhängig von deren sachgemäßer Entsorgung profitieren und die die Einführung eines Pfandsystems erfolgreich blockieren.

Und was sagt Ecoembes zu der Kritik? Das Unternehmen verweist gegenüber der MZ auf eine beauftragte PR-Agentur, und diese wiederum auf eine Pressemitteilung, in der die Studie von Greenpeace als „wenig seriös" betitelt wird, statt Argumenten oder Zahlen nur allgemeine Nachhaltigkeitsparolen zu lesen sind sowie der Vorwurf, mit der Studie werde bei den Bürgern die Motivation zur Mülltrennung gedämpft. Dieser Mitteilung wolle man nichts hinzufügen, so ein Sprecher.

Das sagt der Inselrat

Der Inselrat unterdessen, der auf Mallorca für die Müllentsorgung zuständig ist, verweist auf eine leichte Verbesserung der Lage, bestätigt aber in etwa die Greenpeace-Zahlen. Der Anteil des Verpackungsmülls, der in Son Reus angeliefert, aber nicht recycelt wird, betrug im vergangenen Jahr demnach 35,49 Prozent, zwei Prozentpunkte weniger als 2017. Im September 2020 habe man den Anteil auf 31,2 Prozent gedrückt. Die Effizienz der Anlage, die im Übrigen in Kooperation mit der Stiftung Deixalles Jobs für Sozialschwache sichere, sei Jahr für Jahr gesteigert worden. Nach wie vor lande viel Müll im gelben Container, der dort nicht hineingehöre, heißt es außerdem.

Auch wenn der Inselrat eine direkte Kritik an Ecoembes vermeidet, spart man dennoch nicht mit deutlichen Worten. Dazu muss man wissen, dass die Verbrennungsanlage des Inselrats von der Konzessionsfirma Tirme betrieben wird, aber ein Abkommen mit Ecoembes zur Finanzierung der Recycling-Anlage besteht. Es sei augenscheinlich, dass das derzeitige System nicht funktioniere, so eine Inselrat-Sprecherin: „Der Greenpeace-Bericht ist ein weiterer Beweis, dass die Gesellschaft all das als nicht nachhaltig ansieht." Man müsse stärker auf Müllvermeidung und Wiederverwendung durch Rückgabesysteme setzen.

Ecoembes entledigt sich seiner Verantwortung", kritisiert Roser Badia, Sprecherin der Stiftung Rezero, die sich für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft einsetzt. Rezero kommt zu ähnlichen Erkenntnissen wie Greenpeace, hinsichtlich der Zahlen sowie auch der Rolle von Ecoembes. Man gehe davon aus, dass derzeit nur ein knappes Fünftel des Mülls in den Recycling-Containern lande - und davon dann nur ein Teil wiederverwertet werde, aus den von Greenpeace angeführten Gründen, so Roser Badia. Und das, obwohl die Europäische Union für das laufende Jahr eine Recyclingquote von 50 Prozent der Siedlungsabfälle vorgibt.

Beim näheren Hinsehen ist die Lage freilich komplexer. So haben die Kommunen, die in Spanien für die Müllabholung zuständig sind, sehr unterschiedliche Bilanzen beim Recycling vorzuweisen. Am besten stehen die Gemeinden da, die den Müll getrennt direkt an der Haustür statt in großen Sammelcontainern an der Straßenecke abholen. Auf Mallorca gebe es zudem großen Nachholbedarf beim Biomüll, erklärt Badia - dieser drücke wegen des im Vergleich zu Verpackungen großen Gewichts die Recycling-Quote beträchtlich. Doch hier sei nun mit der derzeit verstärkten Einführung von Biomüll-Containern auf Mallorca endlich Besserung in Sicht.

Das sagt die Landesregierung

In der Landesregierung, die in der Müllwirtschaft nur eine Rahmenkompetenz hat, sieht man die Sache ähnlich wie im Inselrat. Ein am Montag (26.10.) veröffentlichter Bericht liefert aktuelle Daten zur kommunalen Abfallwirtschaft. So mache der Inhalt der Wertstoff-Container (Grüner Punkt, Glas, Karton, Textilien und Biomüll) auf den Balearen im vergangenen Jahr 20 Prozent des von Haushalten entsorgten Mülls aus.

Da aber nicht der gesamte Inhalt der Container recycelt werden kann, liegt die Quote auf den Inseln insgesamt nur bei 16 Prozent - womit im laufenden Jahr eine Steigerung von 34 Prozentpunkten nötig wäre, um die EU-Vorgaben zu erfüllen. Und diese Recyclingquote von 50 Prozent sei wiederum nur zu erreichen, wenn 63 Prozent des Mülls getrennt in Wertstoffcontainern entsorgt würden.

Während bei einigen Wertstoffen das Recycling schon gut funktioniert, ist bei anderen noch viel Luft nach oben. Der Bericht der Landesregierung weist zwar leichte Verbesserungen von 2018 auf 2019 aus, insgesamt wurden aber balearenweit nur 25 Prozent der Leichtverpackungen recycelt (Deutschland 49 Prozent). Beim Glas schaffen die Balearen 61 Prozent, bei Papier und Karton 60 Prozent. Biomüll ist laut Statistik fast inexistent: Nur drei Prozent wurden zu Kompost. Und bei Textilien werden nur fünf Prozent recycelt oder wiederverwertet.

Und was ist mit Pfandflaschen?

Zusammengefasst: Nur 16 Prozent des Siedlungsmülls wurden im vergangenen Jahr auf den Balearen recycelt (in Deutschland waren es zuletzt 67 Prozent). 62 Prozent landeten im Ofen und 22 Prozent auf Deponien, denn diese sind im Gegensatz zu Mallorca weiterhin auf den Nachbarinseln in Betrieb. Verbleibt weniger als ein Prozent für die Wiederverwertung, zum Beispiel in Form von Pfandflaschen.

Dabei hatte Mallorcas Inselrat durchaus ein Pfandsystem geprüft und war dafür Anfang 2016 mit einer Delegation nach Deutschland gereist, um das dortige System kennenzulernen. Immerhin wurde die Möglichkeit dazu im balearischen Abfallwirtschaftsgesetz für den Fall verankert, dass die Recyclingquote nicht auf anderem Weg ausreichend steigt. Man setze weiterhin darauf, heißt es jetzt beim Inselrat, ein Pfandsystem könne aber nur Teil der Lösung sein. Die Landesregierung will unterdessen ab Juli 2021 mit einer zusätzlichen Gebühr auf Restmüll nachhelfen, wenn die Recyclingquote sich nicht den 50 Prozent annähert.