Dass der Hotelgigant Riu weiterhin auch ein Familienunternehmen ist, zeigt sich an der Besetzung der Führungspositionen: Naomi Riu, die Tochter von Luis Riu und Nichte von ­Carmen Riu, den beiden Vorständen, ist seit drei Jahren Finanzdirektorin. Die Corona-Pandemie stellt die 28-jährige Urenkelin der Firmengründer vor große Herausforderungen.

Ihre Hotelkette hat 2020 rund 60 Prozent der Kunden und des Umsatzes verloren. Wie kürzen Sie jetzt?

Dafür bin ich zuständig, ich bin die Böse, und ich hoffe, dass bald Schluss ist damit. Wir befanden und befinden uns in einer sehr gesunden finanziellen Situation. Die halbe Arbeit hatten wir schon davor erledigt. Was noch ­dazukam? Nun, vorher haben wir (die Lieferanten, Anm.?d.?Red.) innerhalb von 30 Tagen bezahlt, jetzt haben wir diese Fristen auf 60 oder 90 Tage erhöht, genauso wie bei den Steuern. Und wir mussten Kurzarbeit beantragen. Die Gehälter haben wir nicht angerührt. Die Bauabteilung war diejenige, die am meisten Geld ausgegeben hat, und ich habe mit meinem Vater einen Höchstbetrag pro Bautätigkeit und Monat vereinbart. Hier muss nun ­gespart werden, um die Kontrolle zu behalten. Zuvor hat die Finanzabteilung das nicht kontrolliert. Sollte die Bauabteilung in einem ­Monat mal zu viel ausgeben, was bisher nicht vorgekommen ist, bekommt sie das im nächsten Monat abgezogen.

Wie viele Mitarbeiter befinden sich derzeit in Kurzarbeit?

Spanienweit sind es 3.660 Mitarbeiter, ohne die 900 Saisonkräfte mitzuzählen, die eine ­außerordentliche Zuwendung erhielten. In 100-prozentiger Kurzarbeit befinden sich 1.664 Angestellte, weil die Hotels geschlossen sind. Weitere 380 Mitarbeiter sind zu 80 Prozent in Kurzarbeit, vor allem in der Zentrale. Und weitere 1.611 arbeiten gerade, etwa in der Instandhaltung der Hotels.

Welche Auswirkungen haben die massiven Verluste und Schulden der Tui, Ihrem wichtigsten Partner?

Tui besitzt 49 Prozent eines unserer Unternehmen, 50 Prozent am anderen, und wir halten ungefähr 3,6 Prozent von Tui. Diese Krise betrifft natürlich alle. Es war eine Katastrophe, die niemand aufziehen sah. Der Tourismus ist komplett zum Erliegen gekommen. Wir hatten drei Monate lang keinerlei Aktivität, mit 100 geschlossenen Hotels. Bis Dezember haben wir nach und nach Häuser geöffnet, und danach ging die Tendenz wieder dahin, erneut zu schließen. Die Krise trifft alle: Reiseveranstalter, Online-Reisebüros, Fluggesellschaften, Hoteliers. Die Tui wird das überstehen. Es ist natürlich ein riesiges Unternehmen, das an der Börse notiert ist und deshalb viel stärker im Fokus steht. Dass die deutsche Regierung den Konzern zum dritten Mal gerettet hat, zeigt, welches Vertrauen sie in die Tui hat. Auch wir haben unser Kapital erweitert, um unseren Anteil zu halten, und wir haben es ­getan, weil wir wissen, dass Tui wiederauferstehen wird. Wenn nicht, wäre das ja rausgeschmissenes Geld.

Sie haben keine Angst vor einem Zusammenbruch der Tui?

Nein. Tui wird sehr vieles intern verändern müssen und wahrscheinlich kurz- oder mittelfristig nicht so stark sein wie in den vergangenen ­Jahren. Aber im Lauf der Zeit, mit geänderten Arbeitsprozessen und Kostensenkungen, wird sie wieder die Alte sein. Unsere Beziehung ist viele Jahre gewachsen, die Tui ist ein strategischer Partner, und wir haben gegenseitig ­voneinander profitiert. Es ist unser wichtigster Reiseveranstalter, der uns die Hotels in verschiedenen Ländern füllt - in Spanien hängen wir komplett von der Tui ab, ebenso wie auf den Kapverden -, aber wir arbeiten auch mit anderen, Reisebüros und Online-Plattformen, zusammen. Gerade in der Karibik hängen wir nicht so sehr von der Tui ab, sondern von anderen Reiseveranstaltern.

Derzeit stehen drei Riu-Hotels zum Verkauf, in Madeira, Lanzarote und Panama. Planen Sie auch zu kaufen?

Wir sind ein Unternehmen, das seine Hotels gern besitzt. Wir bauen sie mit Vorliebe selbst. Aber mit dem derzeit lebhaften Markt sieht man natürlich sehr viel Bewegung - nicht nur im Tourismus, auch im Banken­wesen gibt es Fusionen und Zukäufe. Offiziell steht bei uns nichts zum Verkauf, aber wir ­hören uns Angebote an und sind grundsätzlich bereit, Hotels zu verkaufen. Deshalb fällt uns kein ­Zacken aus der Krone. Wenn wir verkaufen, dann nicht der Liquidität ­wegen. Aber wenn dem so wäre, hätten wir damit auch kein Problem. Für uns ist das Wichtigste, dass das Unternehmen überlebt. Uns haben einfach interessante Angebote erreicht. Wir prüfen sie gerade.

Was sind Ihre derzeitigen Prioritäten?

Hotels renovieren und die Häuser fertigstellen, die wir 2019 und 2020 begonnen haben, wie etwa das zweite Haus in New York. Wir haben das sechste auf den Kapverden fertig, sind mit dem in Toronto beschäftigt, alle komplett neu gebaut. Wir haben mitten in der Pandemie auch Hotels renoviert. Wenn ein Hotel zum Verkauf stünde, das für Riu eine große Chance wäre, würde ich einen Kauf nicht ausschließen, aber Vorrang hat, diesen Sturm zu überstehen, ohne ein Risiko einzugehen.

Riu war eine der ersten Hotelketten, die dafür plädierte, dem Tourismus Grenzen zu setzen. Wie passt damit zusammen, dass es die viertgrößte Kette Spaniens ist? Und wie sehen Sie das als Mallorquinerin auf ­einer Insel, die vor der Pandemie mit Over­booking zu kämpfen hatte?

Wir haben uns immer dafür ausgesprochen, dass der Tourismus kontrolliert ablaufen muss, und noch viel stärker auf Mallorca - ­einem Paradies. Uns ist klar, dass die Ressourcen begrenzt sind. Die Balearen und Mallorca ­leben vom Tourismus, und man muss ihn pflegen, aber auch Respekt vor der Natur und der einheimischen Bevölkerung haben. Wir sind ein Riese, ja, aber in allen Ländern, in ­denen wir vertreten sind, sind wir uns unserer Rolle bewusst, und dass jede Handlung Folgen hat. Unsere Abteilung für soziale ­Verantwortung ist sehr aktiv, wir versuchen, die Hotels so nachhaltig wie möglich zu gestalten und das zu tun, was nötig ist, um die Ressourcen der Destination zu bewahren.

Hat Ihnen diese von Carmen Riu auch öffentlich vertretene Haltung Kritik aus der Branche eingebracht?

Ich glaube, uns ist allen klar, worum es geht. Neben nachhaltigem Tourismus brauchen wir Qualitätstourismus. Wenn es den nicht gibt, hilft es nichts, dass die Hoteliers ihre Häuser renovieren. Wir beispielsweise haben alle ­Hotels an der Playa de Palma renoviert, aber was haben wir davon, wenn leider das Umfeld nicht schöner wird und nicht die Qualitäts­urlauber anlockt. Das ist das, was wir Mallorquiner nicht mögen. Denn der Ruf von ­Magaluf oder Arenal befleckt unser Image. Diese Umgestaltung der Zusatzangebote an den Urlaubsorten ist Teil der Ziele, die sich unser ­Verbund der Hotelketten (Riu, Meliá, Barceló und Iberostar) gesetzt hat, um europäische Fonds zu beantragen. Ich führe die Initiative an, die verschiedene Bereiche abdeckt: digitaler und ökologischer Wandel, sozialer und ­territorialer Zusammenhalt sowie Gleichberechtigung der Geschlechter. Dem haben sich alle Hoteliers angeschlossen. Um unser Interesse an den EU-Fonds zu bekunden, müssen 40 Prozent kleine und mittlere Unternehmen sein, und das haben wir sehr schnell geschafft. Wir sind uns bewusst, dass das Geschäft für uns alle schnell vorbei ist, wenn wir nicht die Gemeinschaft, die uns ernährt, gut behandeln.

Wann geht es endlich wieder aufwärts?

Ich sage Ihnen dasselbe wie meinen Banken: Jeden Tag gibt es Nachrichten, die unsere Pläne torpedieren. Hoffentlich beginnt im zweiten Halbjahr 2021 die wirtschaftliche Erholung. Wir stehen jetzt schlechter da als Ende 2020.