Finca-Traum auf Mallorca: Wie viele Nachteile hat die Idylle?

Keine Müllabfuhr, beschwerliche Zufahrtswege, aber dafür Idylle pur - drei Familien und Paare erzählen vom Landleben auf Mallorca

Die Finca von Sandra Stumptner und Peter Schutti liegt etwa acht Kilometer vom Ortskern von Manacor entfernt.

Die Finca von Sandra Stumptner und Peter Schutti liegt etwa acht Kilometer vom Ortskern von Manacor entfernt. / Foto: Privat

Simone Werner

Simone Werner

„Polígono 42, Parcela 337, Llucmajor“ lautet die Adresse der Finca. Da Google Maps damit offensichtlich nichts anfangen kann, schickt die Interviewpartnerin den Standort per WhatsApp. 29 Minuten soll die Fahrt zu dem zweieinhalb Kilometer außerhalb des Ortskerns von Llucmajor gelegenen, 1.400 Quadratmeter großen Grundstück dauern. Das erste Teilstück über die Schnellstraße Richtung Manacor ist kein Problem. Doch nach dem Abzweig auf eine Landstraße und von dort auf den Camí Ca s’Hereu wird’s wild. Irgendwo im Nirgendwo findet Google Maps keinen Weg mehr. Es folgen Minuten der Orientierungslosigkeit.

Irgendwann gelingt es dann doch, den Camí de Son Rubi o Son Perdiuet zu erreichen. Die zwei verschiedenen Namen haben möglicherweise auch Google Maps verwirrt. Von der sowieso schon recht schmalen Straße geht es auf die Zufahrt zur Finca, die so eng ist, dass einem besser kein Fahrzeug entgegenkommt. Die Mauern auf beiden Seiten lassen keinen Spielraum zum Ausweichen. Und sind wir überhaupt richtig? Nach mehr als einer Stunde Fahrt winkt endlich Timothea Imionidou in der Hofeinfahrt.

Ab vom Schuss

Bellende Hunde, das Zirpen der Grillen, Schafglöckchen – die Abgeschiedenheit auf der Finca haben die Griechin und ihr Partner bewusst gesucht. Doch diese Idylle hat auch ihre Schattenseiten. Und davon ist die komplizierte Anfahrt nur die offensichtlichste. Von Problemen mit Müll oder Post über den miesen Zustand der Zufahrtswege bis hin zur schwierigen Hilfe in Notfällen – das Leben auf dem Land will gut überlegt sein, wie Mallorca-Residenten der Mallorca Zeitung zu berichten wissen. Über manche Nachteile lässt sich schmunzeln, andere dagegen zeigen die dramatische Seiten der Abgeschiedenheit.

Timothea Imionidou mit Partner und Kind. FOTO: PRIVAT

Timothea Imionidou mit Partner und Kind. FOTO: PRIVAT / Timothea Imionidou mit Partner und Kind.

Wohin mit dem Müll?

Der Ärger beginnt schon beim Müll. „Dass wir unseren Unrat selbst zu einer Entsorgungsstation bringen müssen, finde ich schon heftig“, so Imionidou. „Wir zahlen die gleiche Gebühr wie die Bewohner im Ort, die ihn zu bestimmten Zeiten einfach vor ihre Haustüre stellen können“, sagt die Mutter eines drei Jahre alten Sohnes. Doch durch die enge Straße zu ihrer Finca – in der Imionidou selbst schon das Auto ihres Partners völlig verschrammt hat – käme gar kein Müllwagen.

Erschwerend komme hinzu, dass der Entsorgungspunkt am Wochenende oder an Feiertagen gar nicht geöffnet ist. „An einem sehr warmen Tag im Juni dieses Jahres hatte ich unseren Restmüll in den Kofferraum geladen und wollte ihn vor der Arbeit zur Müllstation bringen. Stattdessen bin ich direkt nach Palma gefahren“, erzählt die 40-Jährige. „Als ich Stunden später wieder ins Auto einstieg, dachte ich mir: ‚Was stinkt denn hier so?‘ “ Es war die Mülltüte, die noch im Kofferraum lag.

Ohne Auto geht nix

Nicht nur zum Müllentsorgen muss Imionidou ins Auto steigen. Seit diesem Schuljahr geht ihr Sohn in die dreieinhalb Kilometer entfernte Vorschule in Llucmajor. „Es gibt keinen Schulbus, der hier vorbeifährt. Auch wenn sich unser Sohn mit Freunden verabredet hat: Wir müssen ihn immer fahren“, so die Langzeitresidentin. Es sei undenkbar, als Paar mit nur einem Auto auszukommen. Gäste wiederum kommen niemals ohne eigenen Mietwagen aus. Die nächste Haltestelle der Überlandbusse liegt 30 Gehminuten entfernt. Und selbst beim Taxi gibt es Probleme. Die Fahrer bräuchten stets den Standort per Handynummer.

Wo ist mein Paket?

Auch Peter Schutti und seine Partnerin Sandra Stumptner, die als Antonia aus Tirol bekannte Entertainerin, haben sich an die Unannehmlichkeiten des Landlebens gewöhnen müssen. Nachdem sie bereits der Makler darauf hingewiesen hatte, dass auf der Finca in acht Kilometer Entfernung von Manacor keine Postzustellung möglich ist, hat das Paar ein Postfach angemietet. „Es kostet pro Jahr etwa 50 Euro. Bei Briefen und dem Großteil der Pakete klappt die Zustellung problemlos“, so Schutti, der seit 2012 mit seiner Partnerin auf der Finca lebt.

Sandra Stumptner und Peter Schutti. FOTO: PRIVAT

Sandra Stumptner und Peter Schutti. FOTO: PRIVAT

Doch erst vor drei Jahren fanden die Österreicher heraus, dass sich die Zustellung beispielsweise beim Anbieter UPS schwieriger gestaltet. „Uns hatte ein Fahrer angerufen, um uns auf Spanisch etwas mitzuteilen. Wir hatten verstanden, dass wir ihn zur Paketübergabe an einer Tankstelle treffen sollen“, erzählt Schutti. Dabei hat der Anbieter dort einen festen Paketshop und hinterlegt Päckchen.

Wie kommt Besuch?

Um Besuchern die Anfahrt zu erleichern, nennen ihnen Schutti und Stumptner zur Orientierung den Namen eines Fincahotels gegenüber ihrer Einfahrt. Denn dessen Standort kennt Google Maps. Und trotzdem verfahren sich manche, so etwa auch Bekannte, die von ihrem Hotel in Arenal zur Finca aufbrachen. Sie erhielten den Tipp, auf der Manacor-Schnellstraße am Kreisverkehr mit den eisernen Skulpturen auf Höhe des Restaurant Es Cruce rechts die Ausfahrt in Richtung Felanitx zu nehmen. Doch die Besucher verwechselten sie mit Steinmännchen, die zu dem Zeitpunkt in einem Kreisel bei Vilafranca standen, und fuhren zu früh ab. „Zweieinhalb Stunden waren sie in der Pampa unterwegs.“ Irgendwann war wegen eines Funklochs auch die Telefonverbindung weg, kurz darauf der Akku leer. „Sie sind dann zurück nach Arenal, haben das Handy aufgeladen und einen neuen Versuch gestartet.“

Zur schwierigen Orientierung kommt die schlechte Beschaffenheit der Anfahrtswege. Um beispielsweise zu Hans Schödel auf die Finca Son Roig im Coanegra-Tal nahe Santa Maria del Camí zu kommen, müsste man die letzten paar Kilometer über tiefe Schlaglöcher und Felsen fahren und ein in der Regel trockenes Flussbett durchqueren. Der torrent tritt bei Regen zudem auch mal über die Ufer. Dann fällt für Tochter Emilia eben die Schule aus.

Radpanne wegen Schlagloch

„Mit einem normalen Pkw ist die Anfahrt zu uns nicht möglich“, berichtet Schödel, der stattdessen mit Pick-up, Quad oder Lasteneseln unterwegs ist. Einmal habe ein Gast mit einem nagelneuen Audi-Cabrio sein Glück versucht. „Die Reifen sind geplatzt, die Ölwanne ist aufgeschlagen“, erzählt der gebürtige Starnberger. „Die ganze Unterseite des Autos war kaputt.“

Aus eigener Erfahrung weiß der 63-Jährige: Längst nicht jedes Abschleppunternehmen nimmt den komplizierten Weg zu seiner Finca in Kauf. Für kleinere Arbeiten hat er daher längst privaten Kontakt zu einem Automechaniker aus dem Dorf. „Erst kürzlich ist einem Handwerker auf dem Weg nach oben die Lenkung kaputtgegangen.“ Als Schödel einzog, wollte das Umzugsunternehmen die bestellten Möbel nur bis Santa Maria bringen. Bei der Taxizentrale fürchte man sich ebenfalls schon vor seinen Anrufen. „Ich habe mal ein Schreiben bekommen, in dem ich gebeten wurde, keine Taxis mehr zu rufen. Die Autos würden regelmäßig kaputtgehen.“

Zu Freunden wandern

Mitunter genervt von der Abgeschiedenheit ist Schödels 14 Jahre alte Tochter. „Man kann nicht einfach wie im Dorf von einem Haus zum anderen gehen“, berichtet Emilia. „Mit dem Fahrrad brauche ich nach Santa Maria 30 Minuten, zu Fuß eine Stunde.“ Wenn Freundinnen vorbeischauen, kann Emilias Vater zumindest bis zu einem nahe der Finca gelegenen Tor fahren. Oder aber es warten 20 Minuten Fußmarsch mit Anstieg. „Entweder hole ich sie selbst mit Eseln ab – oder mein Vater mit dem Quad oder Pick-up.“

Wer abgeschieden lebt, gehe ganz bewusst auch Risiken ein, weiß Hans Schödel. Dessen waren sich auch Peter Schutti und Sandra Stumptner bewusst und entschieden sich deswegen gegen ein Haus auf dem Puig de na Penyal nahe Cala Millor, das ihnen eigentlich gefallen hatte. Doch die Zufahrt erwies sich als steinige, kaum erkennbare Holperpiste. „Es war sofort ein K.o.-Kriterium“, erinnert sich Schutti. „Da hätte auch ein günstiger Preis nichts geändert. Ein Feuerwehrauto würde dort niemals hochkommen.“

Ein Brand zerstörte im Juli 2012 nicht nur die Terrasse von Schutti und Stumptner. FOTO: PRIVAT

Ein Brand zerstörte das Heim von Schutti und Stumptner. FOTO: PRIVAT

Die Gefahrensituation trat dann tatsächlich ein: Nur wenige Wochen, nachdem das Paar seine Finca im Gemeindegebiet Manacor bezogen hatte, brannte die Terrasse. Die beiden trauten ihren Augen nicht, als sie gegen fünf Uhr morgens auf die Finca zurückkehrten. „Wir wussten damals noch nicht einmal unsere Adresse oder Parzellennummer auswendig“, erinnert sich der Musikproduzent.

Minuten der Panik

„Ich bin dann schnell in unser verrauchtes Haus gerannt und habe Unterlagen gefunden, auf denen die Daten standen.“ So konnte das österreichische Paar doch noch die Notrufzentrale alarmieren. Allerdings fanden die Retter den Weg nicht auf Anhieb. Schutti musste von der Finca aus beobachten, wie die Polizeiwagen auf der nahen Landstraße hin- und herfuhren. „Ich bin dann mit dem Auto rund einen Kilometer zu ihnen gefahren, um sie abzuholen.“ Es seien Minuten voller Angst und Panik gewesen.

Was tun bei Feuer?

Partnerin Stumptner schrie derweil vor lauter Verzweiflung, ein deutscher Urlauber des Fincahotels gegenüber hörte sie zum Glück und eilte zu Hilfe. „Er war Arzt und wusste auch, wie man den Brand löschen muss“, sagt Schutti. „Ohne ihn hätten wir unser Haus nicht retten können.“ Erst rund 15 Minuten nach den Polizisten traf dann auch die Feuerwehr ein.

Das Paar hatte Glück im Unglück: Erst am Tag zuvor hatten sie einen 50 Meter langen Gartenschlauch gekauft. Den Brand hatte eine Mosquito-Kerze ausgelöst, die in einem Metallgehäuse auf den Gartenmöbeln stand. „Wir hatten sie ausgemacht“, so der österreichische Manager. „Der Wind hatte die Glut des Dochts aber wieder entfacht.“

Unfall bei Explosion

Noch dramatischer war die Lage bei Hans Schödel. Ihn hätte die Abgeschiedenheit der zwölf Hektar großen Finca fast das Leben gekostet, als er vor rund drei Jahren einen schweren Unfall hatte. „Wir haben ein Häuschen, in dem der Generator steht. Als ich hörte, dass er nicht richtig funktioniert, wollte ich nach dem Rechten sehen“, erinnert sich der gelernte Büchsenmacher und Schäfter. Wenige Sekunden später explodierte der Generator, Schödel stand direkt daneben. „Ich bin als brennende Fackel wieder aus dem Häuschen.“

Hans Schödel und seine Tochter Emilia. FOTO: BENDGENS

Hans Schödel und seine Tochter Emilia. FOTO: BENDGENS

Nur Tochter Emilia war damals bei ihm. „Sie hat toll gehandelt, die Einsatzkräfte gerufen. Ich war Rettungssanitäter beim Roten Kreuz und habe sie angeleitet, mir dabei zu helfen, zum Bad zu kommen“, berichtet Schödel. Dort ließ Emilia Wasser über seinen Körper laufen, brachte ihm etwas zu trinken. „Ich wusste, dass das ganz wichtig ist, damit die Organe nicht aufhören zu arbeiten.“

Trotz ihrer Abgelegenheit ist die Finca Son Roig bei den Einsatzkräften bekannt. Die Ortspolizisten konnten so, wenn auch mit Verspätung, Vater und Tochter zu Hilfe eilen. Für den Krankenwagen allerdings gab es rund anderthalb Kilometer vor der Finca kein Durchkommen mehr. „Ein Ortspolizist hat mich samt einem Eimer Wasser mit unserem Auto zum Rettungswagen gefahren“, erinnert sich Schödel. Wenige Minuten später habe man ihn ins Koma gelegt. Geblieben sind Wunden und die Erinnerung. Dennoch bereut Schödel die Entscheidung für das abgeschiedene Anwesen nicht: „Das weiß man alles vorher.“

Hausgeburt? Nein danke

Wer sich für das Landleben entscheidet, muss sich vorher aller Nachteile und Risiken im Klaren sein. Deswegen entschied sich Timothea Imionidou auch gegen eine Hausgeburt, als sie vor drei Jahren schwanger war. „Das hätte ich mich niemals getraut, aus Angst, dass der Krankenwagen nicht zu uns durchkommt.“

Acht Jahre lang hatte die 40-Jährige zunächst in Palma gelebt. Sie habe sich damals nicht vorstellen können, jemals auf dem Land zu leben. Doch nach einem Jahr in Cala Blava an der Küste der Gemeinde Llucmajor besichtigten sie und ihr Partner ihre aktuelle Finca. „Ich erinnere mich genau an den Moment, in dem die Tür zum Grundstück aufging. Ich lief in den Hof und wusste sofort: ‚Hier will ich wohnen.‘ “

Sie liebe es, dass ihr Sohn nun auf dem Land aufwachsen kann. Die Familie hat neben einem großen Pool mittlerweile zwei Hühner und zwei Katzen. „Ich hätte gerne noch eine Gans, eine Ente und eine Ziege“, so Imionidou. Mit Llucmajor gibt es dennoch einen netten Ort in der Nähe, wo Imionidou auch im Sportverein aktiv ist, wie sie erzählt. Auch im weiteren Umkreis habe man Kontakte geknüpft.

Allein im Nirgendwo

Dass die Familie durch hohe Mauern und Zäune komplett von den Nachbarn abgeschottet ist, stört sie nicht. „Wir kennen sie gar nicht und wünschen uns auch nicht mehr Kontakt.“ So müsse man auch mit niemandem Small Talk halten, meint die Griechin. „Ich würde gerne noch abgelegener leben.“

Im Februar 2025 wird allerdings der Mietvertrag für das Zuhause auslaufen. Die Besitzer wollen die Finca verkaufen. Dann wird es erneut um die Frage gehen: Wie viele Nachteile nehmen wir für die Idylle in Kauf?

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